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De Vriesentopf – Spontanvegetation im Blumentopf in Erinnerung an De Vries‘ Sanctuarium

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Kunstfrevel

Beim Pragsattel in Stuttgart – eine der verkehrsreichsten Stellen der Stadt – war bis vor kurzem eine landschaftsarchitektonische Installation des niederländischen Konzeptkünstlers Herman de Vries zu sehen. Der Künstler hatte sein „Sanctuarium“ anlässlich der Internationalen Gartenbauausstellung 1993 Stuttgart auf den Weg gebracht. Es handelt sich um ein knapp 100 m² großes, von einem stählernen Staketenzaun mit vergoldenen Pfeilspitzen umgebenes Rondell. Die Idee des Künstlers: diese Fläche sollte völlig frei von menschlichem Einfluss bleiben. „Die Kunst ist aber nicht an erster Stelle im Entwurf des Stahlzauns und seiner Ausführung zu sehen. Das ist der Rahmen. Das wichtigste findet innerhalb dieses Zaunes statt. Es sind die Pflanzen, die sich da ansiedeln, …“ (de Vries 1995 nach Wikipedia).

1993 wurde diese Kunstaktion in der Öffentlichkeit durchaus kritisch wahrgenommen – was sollte sich hier schon entwickeln außer „Unkraut“? Tatsächlich hat sich aber im Laufe der Jahrzehnte ein durchaus hübsch anzusehendes, dichtes, kleines Gehölz entwickelt, mit Rotem Hartriegel und anderen Sträuchern, Hunds-Rosen und alles umrankenden Waldreben, eine wirkliche Oase in der Verkehrslandschaft. Im März vergangenen Jahres wurde die Vegetation vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt (GFF) der Stadt Stuttgart mit der Begründung entfernt, dass „die Entwicklung zum Wald durch regelmäßiges Zurückschneiden der Spontanvegetation auf das Ausgangsstadium verhindert werden soll“ (Zitat von der Pressestelle der Stadt Stuttgart nach Stuttgarter Nachrichten vom 25. März 2018).

Diese Rodung konnte man allerdings nicht als Rückschnitt bezeichnen, denn die Pflanzen wurden wirklich bis auf den Wurzelansatz vollständig entfernt.

Der Künstler hat gegen diese Abholzaktion der Stadt Stuttgart protestiert und viele Aktivisten haben sich dem Protest angeschlossen und sogar Anzeige „wegen Vandalismus“ gegen das Gartenamt erstattet. Da es sich dabei um die Beseitigung eines offiziell akzeptierten und vom Künstler genau beschriebenen Kunstwerkes handelt, erscheint dies berechtigt und hat durchaus Aussicht auf Erfolg.

Naturfrevel

Der Kunstfrevel ist eine Sache. Ich finde allerdings noch bedenklicher, dass es erst einer spektakulären Kunstinstallation bedarf, um Protest gegen die Vernichtung von Spontanvegetation hervorzurufen. Gerade die Ämter, die für das Grün in der Stadt zuständig sind, sollten überall dafür sorgen, dass Natur eingeschaltet und nicht ausgeschaltet wird. Wildwuchs sollte nur dort beschnitten, zurückgedrängt oder vernichtet werden, wo dies aus funktionalen Gründen – und nicht aus einer falsch verstandenen Ordnungsliebe heraus – notwendig ist (vgl. In diesem Zusammenhang auch das sogenannte „Konzept der Ehda-Flächen“ das Ende 2018 als offizielles Projekt der UN Dekade biologische Vielfalt ausgezeichnet wurde) . Das Stuttgarter Sanctuarium ist im Übrigen ein gutes Beispiel dafür, dass sich in den Städten für Klima und Naturhaushalt wertvolle Vegetation mit sehr geringem Kostenaufwand etablieren lassen würde. Statt aufwändiger Pflanzaktionen könnte man einfach kleine Areale sich selbst überlassen, dann würde sich dort mit der Zeit eine Gehölzvegetation einstellen, die dem Standort angepasst ist und keiner besonderen Pflege bedarf. Um zu verhindern, dass ein flächendeckender „Urwald“ entsteht, könnte man die Grenzen solcher Ökoinseln genau festlegen – ohne aufwändige und sicher relativ teure Umzäunungen.

Das Stuttgarter Sanctuarium wurde 25 Jahre alt. Hätte man der Entwicklung ohne weiteren Eingriff weitere 25 Jahre zugeschaut, wären vermutlich tatsächlich relativ hohe Bäume entstanden von denen irgendwann möglicherweise eine Verkehrsgefährdung hätte ausgehen können – wie dies bei allen Bäumen an Wegen, Straßen und in Siedlungen vorkommen kann. Auch nicht vertretbare Sichtbehinderungen für die Verkehrsteilnehmer wären denkbar. In solchen Fällen müsste ein Eingriff natürlich jederzeit möglich sein.

De Vriesentöpfe

Um das Bewusstsein für Regenerationsfähigkeit der Natur zu stärken und das Konzept des „Wachsen lassens“ in Siedlungsräumen und Kulturlandschaften weiter zu verbreiten, möchte ich zu einem Experiment anregen, das man nach der Aktion des Künstlers und Gärtners Hermann de Vries als „De Vriesentopf“ bezeichnen könnte.

Ende Februar 2017 haben wir auf unserer Terrasse – wie schon die Jahre zuvor – einen großen Blumentopf mit Garten- und Komposterde gefüllt und mit Gartenkresse eingesät und dann etwa zwei Monate lang Kresse geerntet. Dann waren die Kressepflanzen trotz regelmäßigen Abzupfens schon zur Blüte und Frucht gekommen und nicht mehr so gut für die Küche geeignet. Zwischen den gerupften Kressestängeln begannen andere Pflanzen zu wachsen. Zunächst waren das vor allem – ebenfalls essbare – Vogel-Sternmieren und Persischer Ehrenpreis. Wir haben den Topf dann einfach stehen lassen und Anfang August hatte sich eine sehr vielseitige Pflanzengemeinschaft entwickelt.

Spontanvegetation im Blumentopf am 2. August 2017 mit Weiß-Klee, Behaartem Knopfkraut, Kriechendem Fingerkraut, Steifem Sauerklee, Hopfen-Schneckenklee, Kanadischem Berufkraut, Zypergras-Segge und Ruten-Hirse
Spontanvegetation im Blumentopf am 6. Oktober 2017. Besonders hübsch an diesem Herbstaspekt sind die zarten Fruchtstände der Ruten-Hirse

Wir haben dann in die weitere Entwicklung den ganzen Winter nicht eingegriffen und im nächsten Jahr 2018 mit seinem sehr trockenen und warmen Sommer ebenfalls nur gegossen aber keine anderen Eingriffe vorgenommen. Die Fotos dokumentieren die Entwicklung unseres De Vriesentopfes bis zum Januar 2019 .

Spontanvegetation im Blumentopf am 5. April 2018. Man sieht vor allem die Blätter vom Weiß-Klee, außerdem beginnen zwei Seggenarten zu treiben.

Im April und im Mai wachsen in dem Topf schnell verschiedene Pflanzenarten empor. Die meisten finden sich irgendwo in unserem Garten aber nicht alle. Vor allem mit einer Segge kann ich zunächst – bevor sich die Blütenstände zeigen – nichts anfangen. Dann stellte sich heraus, dass es sich um die Hasenpfoten-Segge handelt, die ich in unserem Garten noch nie gesehen habe und die mir auch in der weiteren Umgebung bisher nicht aufgefallen ist.

Spontanvegetation im Blumentopf am 10. Mai 2018. Außer den Margeriten sieht man die gerade sich öffnenden Blütenstände von zwei Seggenarten (Hasenpfoten-Segge hinten und Cypergas-Segge direkt davor) und vorne die Grundblätter der Großblütigen Königskerze. Bei den Blättern der Königskerze kann man das erste Gehölz erkennen, ein Hartriegel, vermutlich Cornus mas, die KornelKirsche:

Am 21. Juni 2018 kann ich folgende Arten registrieren:

Kleinblütige Königskerze – Verbacum thapsus

Großblütige Königskerze – Verbacum densiflorum

Feinstrahl, Einjähriges Berufkraut – Erigeron annuus

Zypergras-Segge – Carex pseudocyperus

Hasenpfoen-Segge – Carex leporina

Große Brennnessel – Urtica dioica

Weiß-Klee – Trifolium repens

Hopfen-Schneckenklee – Medicago lupulina

Weiße Taubnessel – Lamium album

Steifer Sauerklee – Oxalis strictum

Margerite, Wiesen-Wucherblume – Leucanthemum vulgare

Kriechendes Fingerkraut – Potentilla reptans

Spontanvegetation im Blumentopf am 19. Juni 2018

Mit den hochgewachsenen Königskerzen und dem Feinstrahl sieht unser Blumentopf nun richtig imposant aus. Die Nachbarin bewundert ihn. Allerdings sind einige Pflanzen auch schon fast verschwunden, zum Beispiel der Steife Sauerklee, die Margeriten sind längst verblüht. Einige Einjährige vom ersten Jahr – wie Ruten-Hirse, Kanadisches Berufkraut und Behaartes Knopfkraut – sind dieses Jahr gar nicht mehr erschienen.

Besonders beeindruckt bin ich von der Hasenpfoten-Segge. Ich habe bisher nicht gewusst, dass sie auch ausgesprochen schöne und sehr dauerhafte vegetative Triebe bildet, an denen man die dreizeilige Beblätterung sehr gut erkennen kann.

Vegetativeve Triebe der Hasenpfoten-Segge am 2. September 2018

Im Herbst fangen die meisten großen Pflanzen dann an zu vertrocknen. Der Feinstrahl bildet aber noch bis zum Dezember neue Blüten. In der niedrig stehenden Nachmittagssonne sieht unser De Vriesentopf immer noch sehr schön aus

Spontanvegetation im Blumentopf am 20.12.2018

Mittlerweile wurde unser Topf – zum ersten Mal diesen Winter – eingeschneit. Nun sind wir sehr gespannt, welche Pflanzen sich im nächsten Jahr entwickeln werden.

Die Bilder sollen anregen, selbst einen solchen Versuch mit spontaner Vegetation zu starten. Es reicht ein Blumentopf oder ein Blumenkasten. Natürlich wird die Zusammensetzung der Arten sehr stark von den äußeren Bedingungen, zum Beispiel von der Besonnung, der Wasserversorgung und vor allem dem Boden abhängen. Aber auch die umgebende Vegetation dürfte wichtig sein. Durch Variation dieser Bedingungen kann man Einfluss nehmen aber die Entwicklung nicht wirklich vorherbestimmen. Ein gewisser Überraschungseffekt wird immer bleiben und das ist das Spannende an dem De Vriesentopf.

De Vriesentopf nach dem ersten Schnee am 6.Januar 2019


16.7.2019 – mit Hasenpfoten-Segge (Carex leporina) und Großblütiger Königskerze (Verbascum densiflorum)
15. März 2020
21. Juni 2020
1.Mai 2020,Hasenpfoten-Segge und Zypergras-Segge nehmen viel Platz in Anspruch. Weitere Arten v.l.n.r.: Hopfen-Schneckenklee, Kriechendes Fingerkraut, Großblütige Königskerze, Große Brennnessel, Feinstrahl und als einziges Gehölz Blutroter Hartriegel
Juni 2020. Zypergras-Segge und Hasenpfotensegge haben Fruchtstände angesetzt. Sie sind nun die dominietrenden Pflanzen.
21. Juni 2020 . Auch der Hopfen-Schneckenklee hat sich gut entwickelt, aber vor allem außerhalb des Topfes.

So wie es jetzt aussieht, dürfte die Anzahl der Arten in der nächsten Vegetationsperiode weiter zurückgehen. Noch gibt es einen blühenden Feinstrahl, sehr mickriges Kriechendes Fingerkraut, sehr kleine „Große“ Brennnesseln, die Grundrosette einer Großblütigen Königskerze und einen sehr in die Enge getriebenen Blutroten Hartriegel. Neuansiedlungen von außerhalb scheinen nun endgültig nicht mehr möglich zu sein.

15.12.2020
18.01.2021
In kurzer Zeit sind über 50 cm Schnee gefallen
3.3.2021

Der Schnee war schnell wieder geschmolzen. Aber dann habe ich mich zu einem Eingriff entschlossen, der bewirken soll, dass die auskeimenden Pflanzen nicht zu sehr beschattet werden. Die abgestorbenen Pflanzenreste – vor allem von den Seggenarten – wurden abgeschnitten.

3.3.2021 – nach dem Stutzen
1.5.2021

Am 1. Mai sieht alles wieder schön grün aus, aber die Artenanzahl scheint etwas reduziert zu sein. Auf der noch freien Fläche hat sich vor allem das Kriechende Fingerkraut ausgebreitet. Der Hartriegel setzt sich durch.

26.8.2021

Die Hasenpfoten-Segge dominiert, der Hartriegel hatte einen Wachstumsschub, das Kriechende Fingerkraut hat lange Ausläufer gebildet, die über den Terrasseboden kriechen.Auch mehrere Feinstral-Pflanzen haben sich zunächst gut entwickelt, wurden aber dann stark von der Spanischen Wegschnecke abgefressen, Von der Großen Brennnessel haben sich nur zwei oder drei sehr kümmerliche Triebe entwickelt. Vom Gewöhnlichen Hornkraut sind verdorrte Fruchtstände zu erkennen.

17.1.2022
19.4.2022

Anfang März haben wir wieder – wie im vergangenen Jahr – trockene Blätter und Stängel entfernt. Der Aspekt ähnelt nun sehr stark dem Vorjahr. Außer Seggen ist vor allem das Kriechende Fingerkraut zu erkennen.

6.6.2022

Im 5. Jahr geht die Artenvielfalt deutlich zurück. Es dominiert ganz stark die Hasenpfoten-Segge, von der Zypergras-Segge sind nur noch wenige Halme übrig geblieben. Gut gehalten hat sich das Kriechende Fingerkraut. An weiteren Kräutern kann man bis jetzt nur wenige Pflänzchen des Gewöhnlichen Hornkrauts erkennen. Der Rote Hartriegel hat erheblich an Biomasse zugelegt.

3.10.2022

Das Foto zeigt die erfolgreiche Auswanderung des Kriechenden Fingerkrauts.

14.05.2023

Der Hartriegel blüht zum ersten Mal. Außer Hasenpfoten-Segge und Fingerkraut ist eine Schmalblättrige Wicke (Vicia angustifolia) zum Blühen gekommen.

Ich werde den Versuch weiterführen.

Der Mensch als Beschützer der Natur

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In dem Beitrag „Zehn Jahre Nachhaltigkeitsstrategie“ habe ich G. C. Daily zitiert: ‚Until the next big asteroid hits us, the future of life on earth will depend much more on humanity than on anything else“  (G. C. Daily, Nature 411, 17 . Mai 2001,p.245). Damit wird – zwar mit einem relativierend fatalistischen Ausblick – die Erkenntnis zum Ausdruck gebracht, dass die Menschheit eine große Verantwortung für den Bioplaneten Erde trägt. In dieser Rolle des Erdenbeschützers sehen sich vor allem Naturschützer und Umweltschützer. „Natur- und Umweltschutz“ ist eine Wortkombination, die sich in vielen politischen Programmen, Forderungskatalogen und Absichtserklärungen findet. Doch zunächst einmal sind diese beiden Schutzziele keineswegs identisch.

Natur- und Umweltschutz

Während es dem Naturschutz darum geht, die Natur vor dem Menschen und den menschlichen Aktivitäten zu schützen, ist es das Ziel des Umweltschutzes, die Umwelt für den Menschen zu bewahren (Hupke 2015). In den 1990 er Jahren wurde versucht, diese anthropozentrische Orientierung des Umweltschutzes durch den Begriff der „Mitwelt“ und des „Mitweltschutzes“ zu ersetzen und damit Natur- und Umweltschutz zu vereinen (Meyer-Abich 1990),  Dieser Begriff hat sich allerdings nicht durchgesetzt.

Ein wichtiges Ziel des Naturschutzes, vielleicht sogar das wichtigste Ziel, ist der Erhalt der biologischen Vielfalt. Dabei geht es um die Vielfalt der Arten und die Vielfalt der Lebensräume bzw. Ökosysteme und schließlich auch noch um die genetische Vielfalt innerhalb der Arten, in den Populationen.

Alle Fachleute sind sich weitgehend einig darüber, dass das von der menschlichen Zivilisation verursachte Aussterben von Arten eine katastro­phale Dimension angenommen hat. In der Folge der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro wurde deshalb schon 1993 ein „Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt“, die sogenannte Bi­odiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity – CBD) getroffen. Dieses Abkommen wurde mittlerweile von 188 Staaten – auch von der EU – unterzeichnet und in deren Gesetzgebung übernommen. Als Begründung für die Notwendigkeit, biologische Vielfalt zu erhalten, werden in dieser  in dieser Konvention folgende Punkte angeführt:

  1. Ökonomische Interessen. Vielfalt ist eine genetische Ressource und eine Ressource an Naturstoffen. Artenverlust führt zu einer Beeinträchtigung poten­tieller Nutzungsfähigkeit. Wenn eine Art ausgerottet wird, wird damit menschliche Handlungsmöglichkeit für die Zukunft unwiderruflich beschränkt.
  2. Ökologische Interessen. Das Wirkungsgefüge der Biosphäre, die Prozesse des Energieflusses und des Recyclings, sind auf Vielfalt angewiesen. Sie sind die Basis für den Erhalt der „natürlichen Lebensgrundlagen“.
  3. Gesellschaftliche und kulturelle Interessen. Biologische Vielfalt spricht uns unmittelbar emotional an. Sie dient der Befriedigung emotionaler Bedürfnisse. Natur, insbesondere auch ursprüngliche, vom Menschen nicht oder wenig beein­flusste, kann als „Kraftquelle“ genutzt werden. Aber auch reich strukturierte traditionelle Agrarlandschaften, wie sie für Mitteleuropa bis vor 50 Jahren charakteristisch waren, haben einen besonderen ästhetischen Wert für Erholungssuchende.
  4. Biologische Vielfalt ist ein Wert in sich. Die Schöpfung ist es Wert, um ihrer selbst willen erhalten zu werden. Dieser Argumentation folgt vor allem die Tiefen­ökologie und die „radikale Ökologie“.

Genaugenommen sind allerdings nur der letzte Punkt  und eingeschränkt der zweite Punkt wirkliche Naturschutzargumente. Die beiden anderen Begründungen sind letztlich auf den Menschen bzw. die menschliche Gesellschaft bezogen und damit als Ziele des Umweltschutzes zu werten.

Artenschutz: Seltene Arten häufig machen?

Artenschutz ist bis heute ein wichtiger wenn nicht der wichtigste Teil der Naturschutzarbeit. Rote Listen dienen dazu, die Gefährdung von Arten einzuschätzen. Sie spielen bei der Bewertung von allen Eingriffen in den Naturhaushalt eine wichtige Rolle. Aber was bedeutet „Artenschutz“ eigentlich? Schon 1987 fragte Hermann Ellenberg „Was will der Naturschutz eigentlich – seltene Arten häufig machen?“. Er weist zu Recht auf die Probleme mit „Roten Listen“ hin, die nicht nur zeitlich begrenzt sind (etwa auf die letzten 120 Jahre) sondern vor allem auch räumlich auf die jeweilige politischen Grenzen. Außerdem haben seltene Arten nur einen geringen Anteil an der Individuenzahl einer Lebensgemeinschaft. Daraus ergibt sich logischerweise, dass sie auch für das Wirkungsgefüge eines Ökosystems, für Energieflüsse und Stoffkreisläufe, nur von untergeordneter Bedeutung sind. Ist es deshalb wirklich gerechtfertigt, dem Schutz solcher seltener Arten eine so hohe Bedeutung beizumessen? Ein besser begründbares Ziel ist der Erhalt einer großen Artenvielfalt. Sie hängt einmal von einer Vielfalt der Lebensräume zum anderen aber auch in starkem Maße von dem Nährmineralgehalt des Bodens ab. Der hohe Nitrat-und Phosphatseintrag, der einmal der Landwirtschaft zum anderen den Verbrennungsmotoren geschuldet ist, trägt dazu bei, dass auf hohe Nährmineralgehalt des Bodens angewiesene Pflanzen (sogenannte Stickstoff-Zeigerpflanzen) sehr gut gedeihen. Bei den krautigen Pflanzen sind das durchweg sehr schnell wachsende und hochwüchsige Arten. Schnell verdrängen sie die niederwüchsigen, langsam wachsenden („sparsamen“) Konkurrenten. Eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt der Artenvielfalt ist deshalb, zumindest in Mitteleuropa, ein ausgeglichener Stoffhaushalt.  Artenvielfalt kann nur gesichert werden, wenn nicht mehr Nitrate und Phosphate in das System eingebracht als entzogen werden. Die im Rahmen des Klimaschutzes erhobene Forderung der CO2-Neutralität müsste im Hinblick auf die Biodiversität auch für Stickstoff- und Phosphorverbindungen erhoben werden.

Selektiver Artenschutz

Diptam – Dictamnus albus -, in Deutschland geschützte Art, nach der Roten Liste für Deutschland „gefährdet“ (Foto Probst 2004, Edelweiß bei Retzbach/Main)

Das öffentliche Engagement für zu schützende Arten verteilt sich nicht gleichmäßig auf alle Verwandtschaftsgruppe. Es gibt besondere Tier- und Pflanzengruppen, denen der Naturschutz mehr Aufmerksamkeit widmet als anderen. Bei den Pflanzen sind es zum Beispiel die Orchideen, bei den Wirbeltieren die Vögel und die Amphibien, bei den Wirbellosen etwa die Schmetterlinge oder die Bienenverwandten. Dies mag daran liegen, dass diese Organismengruppen besonders viele Menschen ansprechen und dass es besonders viele Hobbybotaniker und Hobbyzoologen gibt, die sich mit diesen Tiergruppen beschäftigen. Dies ist auch eine Ursache dafür, dass die Gefährdungssituation für diese Gruppen besonders gut untersucht ist. Im strengen Sinne naturwissenschaftliche Gründe, diese Artengruppen besonders zu schützen, sind aber nicht so leicht erkennbar. Teilweise werden ökonomische Gründe genannt: Bienen und „Wildbienen“ sind Bestäuber von Nutzpflanzen, Singvögel und Kröten vertilgen Schädlinge. Bei bestimmten seltenen Arten –  wie vielen Orchideen, Diptam oder Frühlings-Adonisröschen – wird angenommen, dass das Vorkommen dieser spektakulären Arten gleichzeitig ein Zeiger für ein insgesamt ein schützenswertes Ökosystem sind.

Ein weiterer Aspekt der besonderen Hervorhebung einzelner Arten ist ihre Werbewirksamkeit. Wenn bestimmte Tiere – wie der Fischotter, der Storch oder der Laubfrosch – vom Naturschutz in den Vordergrund gerückt werden, so hat dies damit zu tun, dass sich der Schutz und Erhalt dieser Tierarten bei einer breiten Öffentlichkeit besonders gut „verkaufen“ lässt.

Ein naturwissenschaftlich fundiertes Argument dafür, einzelne Arten als besonders schutzwürdig einzustufen, ist ihre Rolle als Schlüsselarten in bestimmten Ökosystemen. Darunter versteht man Arten, die einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Artenvielfalt und Artenzusammensetzung eines Ökosystems nehmen können. Oft handelt es sich um Konsumenten höherer Ordnung, durch deren Fraßdruck auf besonders häufige Beutearten deren Konkurrenzkraft verringert wird, wodurch andere, vorher unterlegene Arten koexistieren können. Auch die Naturschutzmaßnahme der Beweidung wirkt sich so aus: durch den Fraßdruck der Robustrinder  – in diesem Falle Primärkonsumenten – werden Gehölze zugunsten offener Landschaftsformen zurückgedrängt. Auf den extensiv beweideten Flächen bleibt eine hohe Artenzahl an Pflanzen erhalten, davon profitieren auch Insekten und Vögel.

Naturschutz contra Umweltschutz

Es gibt einige unüberbrückbar scheinende Kontroversen zwischen Naturschutz und Umweltschutz, die sich mit der unterschiedlichen Zielsetzung erklären lassen. Besonders deutlich wird dies zum Beispiel bei den sogenannten „alternativen Energien“. Aus Sicht des Umweltschutzes ist es dringend erforderlich, bei der Bereitstellung von Energie auf regenerative Energiequellen zu setzen, denn nur dadurch können Ressourcen geschont und die – vor allem für die Menschheit gefährlichen –  Klimaveränderungen in Grenzen gehalten werden. Aus Sicht des Naturschutzes gefährden Windräder viele Vogelarten, Biogas und Biotreibstoffe führen zu großen Monokulturen, in Mitteleuropa zum Beispiel von Raps und Mais, welche der Biodiversität schaden. Auch Freiland-Solarparks erregen nicht ganz zu Unrecht die Kritik von Naturschützern, zum Beispiel vom BUND: „Für Vögel können Irritationen beim lokalen, regionalen und internationalen Vogelzug durch eine Spiegelwirkung der Paneel-Oberflächen entstehen. Bei sehr großen Freiland-Solarparks kann es zu einer Trennwirkung (Barrierewirkung) kommen, die durch die erforderliche Einzäunung verstärkt wird. Durch die Aufstellung der Anlagen gehen wertvolle Nahrungsflächen verloren, insbesondere für Tiere, die freie Räume benötigen.“ (http://www.bund-sh.de/uploads/media/Freiland-Solarparks.pdf )

Ein weiteres Beispiel für die unterschiedlichen Sichtweisen ist die Einstellung zu Wäldern und Waldbewirtschaftung. Die Forstwirtschaft argumentiert mit dem Ziel des Klimaschutzes, dass es im Sinne einer maximalen Kohlenstoffspeicherung am besten sei, Bäume dann zu fällen, wenn die Hauptzuwachsphase zu Ende geht. Der Naturschutz hält den Erhalt bzw. die Wiederherstellung von Urwäldern erstrebenswert, in die der Mensch nicht eingreift. In einem solchen Wald bleiben Bäume so lange stehen, bis sie durch natürliche Einflüsse umfallen oder absterben. Der Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben (2013,2017) argumentiert im Sinne dieses Urwaldschutzes (und damit gegen viele seiner Kollegen): Mit dem derzeit gängigen Begriff des Naturschutzes würde der Schutz echter, unberührter Natur verwässert. Wohlleben fände es viel sinnvoller, die Vielfalt ursprünglicher Lebensräume zu schützen und nur dafür den Begriff „Naturschutz“ anzuwenden. Damit folgt er den Argumenten der nordamerikanischen Naturschutzbewegung, die unberührte und unbeeinflusste Natur, „wilderness“, als höchstes Schutzziel sieht (Hendersen o.J.). Dies bedeutet aber auch, dass aus seiner Sicht die vielen mitteleuropäischen Naturschutzbemühungen, die dem Erhalt einer vielseitigen, extensiv genutzten Kulturlandschaft dienen, weniger dem Bereich Naturschutz als den Bereich Denkmalschutz zuzuordnen wären. „Da werden ursprüngliche Haustierrassen, etwa Konikpferde oder Heckrinder, in Naturschutzgebieten ausgesetzt, um eine Beweidung ausgestorbener europäischer Wildpferde und Auerochsen nachzustellen. Das ist zwar idyllisch, aber nichts anderes als extensive Landwirtschaft“ (Wohlleben 2013,S.139). Also soll man nicht länger Wachholderheiden beweiden, Riedwiesen mähen, Moore entkusseln, Heidegebiete plaggen und Wallhecken auf den Stock setzen?

Naturschutz und Landschaftspflege

Lanschaftspflege durch Schafe (Foto Probst, 2004, Fröruper Berge bei Flensburg)

Ich meine, eine differenzierte Betrachtung ist wichtig. Die in Mitteleuropa seit der letzten Kaltzeit in etwa 12 000 Jahren – also einer erdgeschichtlich sehr kurzen Zeitspanne – entstandene Landschaft war von Anfang an vom Menschen beeinflusst. Die menschliche Nutzung hat ein kleinräumiges Mosaik von Lebensräumen geschaffen und zu einer Artenvielfalt geführt, die sich vermutlich ohne den Menschen und seine Nutztiere nicht oder zumindest nicht so schnell entwickelt hätte. Diese Situation ist nicht ganz mit den großflächigen, weitgehend unberührten Naturräumen Nordamerikas zu vergleichen, die zudem durch die Kaltzeiten wegen der vorwiegend von Norden nach Süden streichenden Gebirge nicht so stark dezimiert wurden wie die Biozönosen Mitteleuropas.

Aus diesem Grunde kann Landschaftspflege im Sinne eines Landschaftsschutzes in Mitteleuropa durchaus dem Erhalt der biologischen Vielfalt und damit dem Naturschutz dienen. Allerdings sollten Pflegeeingriffe immer dem Prinzip der Eingriffsminimierung unterliegen und sich deutlich von Landschaftsarchitektur und Gartenbau unterscheiden. Diese Einschränkung gilt nicht unbedingt für Städte und Ballungsräume. Hier könnte eine „grüne“ Architektur und Gestaltung durchaus Biodiversität und Umwelt verbessern.

Die dicht besiedelten Landschaften Mitteleuropas sind – wie hier im Bodenseekreis – sehr reizvoll und haben ökologisches Potenzial. Skizze aus meinem Tagebuch vom Juni 2005, als wir uns nach einem Wohnort in Bodenseenähe umgesehen haben.

Der Erhalt unberührter, von menschlichen Eingriffen frei gehaltener Flächen hat auch in Mitteleuropa seine Berechtigung. Eine Beschränkung des Naturschutzes auf die „unberührte Natur“ wäre aber ein Fehler. Dies sei an einigen Beispielen gezeigt: In den heutigen Kulturlandschaften ist die „Überkompartimentierung“, also die Zerschneidung durch Verkehrswege und die Verinselung von Kleinbiotopen, ebenso ein Naturschutzproblem wie die „Unterkompartimentierung“ durch riesige Monokulturen. Von einem durch Ackerflächen umschlossenen Kleinkompartiment „Feldgehölz“ aus ist es z. B. für viele Tiere schwierig, in andere, ähnliche Biotope zu gelangen. Feldhecken begrenzen Kulturflächen, sie sind aber auch Verbindungswege zwischen Ökosystemen. Schutz, Pflege, Erhalt und Neupflanzung von Feldhecken  sind deshalb sinnvolle Naturschutzmaßnahmen. Ähnliches gilt für die Einrichtung und den Schutz von Ackerrandstreifen mit blühenden (mehrjährigen) Wildkräuter (Kirmer 2016). Besonders stark wirkende Grenzen sind Verkehrswege, weshalb man an einigen Stellen sinnvoller Weise so genannte Biotopbrücken über Autobahnen gebaut hat, um deren Areale zerschneidende Wirkung zu mindern. Auch die Einrichtungen von Krötentunneln unter Straßen dienen diesem Zweck.

Meeresschutz

Mangrove auf Qeshm,Straße von Hormuz,Iran; Einschub: Schlammspringer – Periophthalmus barbarus (Fotos Probst, 1976)

Meere bedecken 71 % der Erdoberfläche. Dieser größte zusammenhängende Lebensraum der Erde ist seit langem vielen verschiedenen menschlichen Einflüssen ausgesetzt, doch erst in den letzten Jahrzehnten wurde deutlich, dass auch die Ressourcen des Meeres und seine Kapazität für die Aufnahme von Abfällen und Schadstoffen – Stichwort Plastikmüll – begrenzt sind. Meeresschutz ist deshalb ein wichtiger Teil des Naturschutzes und des Umweltschutzes geworden. Moderne Fischereimethoden haben dazu geführt, dass Fischbestände bis zum Verschwinden zurückgegangen sind. Es konnte aber gezeigt werden, dass strenge Schutzvorschriften schnell zu einer Erholung von Beständen führen können. Besonders bedrohte dein Lebensräume sind die Korallenriffe, mit die artenreichsten Lebensräume der Erde, und die Mangrove-Gebiete als wichtige Brutstätten für Fische und Wirbellose und „natürliche Pflanzenkläranlagen“. Für beide Ökosysteme greifen die bisher ergriffenen Schutzmaßnahmen noch nicht. Die Wiederaufforstung von verschwundenen Mangroven erweist sich als sehr schwierig und bei den Korallenriffen dürfte die klimabedingte Veränderung der Meere (höhere Temperaturen, niedrigere pH-Werte) effektive Schutzmaßnahmen verhindern. Ein weiteres Problem bei Meeresschutz ist die politische Zuständigkeit für Schutzbestimmungen.

Plastikmüll war schon vor Jahrzehnten ein Problem, hier am Strand von Euböa, Griechenland, 1984  (Foto Probst)

Die große Zunahme von marinen Aquakulturen könnte zwar ein Weg sein, die Nutzung mariner Produktion nachhaltiger zu gestalten, derzeit sieht es aber so aus, als würden bei der Meeresbewirtschaftung die Fehler wiederholt, die man von der Landbewirtschaftung kennt.

Tierschutz

Hausschweine auf der Peloponnes,Griechenland, Sommer 2004 (Foto Probst)

Einige der Organisationen, die sich für Naturschutz und Umweltschutz stark machen, engagieren sich auch für Tierschutz. Dabei geht es nicht um den Erhalt der Artenvielfalt, dem Schutz gefährdeter Tierarten oder dem Schutz der Umwelt insgesamt, sondern um den individuellen Schutz von Tieren. Tieren soll ein „artgerechtes“ Leben ermöglicht werden. Vom Menschen verursachte Torturen sollen ihnen erspart bleiben. Deshalb ist es naheliegend, dass sich Tierschützer vor allem um Tiere bemühen, die sich in der Obhut des Menschen befinden. Besonders große Kritik wird in diesem Zusammenhang an der Haltung von Tieren geübt, die der menschlichen Ernährung dienen sollen, also der Massentierhaltung von Geflügel, Schweinen, Rindern. Aber auch das oft qualvolle Leben in Pelztierfarmen wird angeprangert. Die Forderung von Tierschützern, bei der Herstellung von Kleidungsstücken auf Tierpelze und -häute zu verzichten, hat etwas mit der tierquälerischen Haltungsweise von Pelztieren zu tun, aber auch mit dem grausamen Abschlachten junger Seehunde oder – und hier trifft sich der Tierschutz mit dem Artenschutz – mit der Gefährdung großer Pelztiere wie Ozelot, Jaguar oder Leopard. Tierschützer wie Artenschützer bemühen sich, dass die Jagd auf Elefanten des Elfenbeins wegen unterbunden wird, ebenso die illegale Jagd auf Nashörner.

Die schrecklichen Haltungsbedingungen bei der Schweine- und Hähnchenmast, die abschreckende Praxis bei Tiertransporten und Schlachtungen, werden zum einen vom Tierschutz kritisiert, weil er das Tierwohl im Auge hat. Andererseits sind mit diesen Formen der industriellen Fleischproduktion auch nachteilige Einwirkungen auf die Umwelt verbunden. Dies betrifft zum Beispiel die Produktion von Treibhausgasen oder die Gefahren, die mit übermäßigem Medikamenteneinsatz, insbesondere von Antibiotika, verbunden sind. Der Import von Futtermitteln schädigt die Ökosysteme und die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern. Die großen Mengen an Tierexkrementen (Gülle) tragen nicht nur zur Eutrophierung von Gewässern sondern auch zu einem hohen Stickstoffgehalt terrestrischer Ökosysteme bei, was sich wieder negativ auf die Biodiversität auswirkt. In Kombination mit der Stickstoffoxidproduktion von Verbrennungsmotoren prägt Massentierhaltung über die Bildung von Ammoniumnitrat auch zur Feinstaub Problematik bei.

Ein wichtiger Antrieb für eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise ist der Wunsch, dass für die Produktion von Nahrungsmitteln kein Tier sterben oder leiden soll. Aber auch die ökologischen Auswirkungen des hohen Fleischkonsums und damit der Umweltschutz und der Naturschutz werden immer häufiger als Gründe für eine vegetarische Lebensweise genannt.

Pflanzenschutz

Apfelplantagen werden besonders häufig mit Pestiziden gespritzt. Die Verdriftung ist dabei – wegen der hohen Lage der Spritzdüsen besonders groß. (Bodenseekreis bei Kluftern, 2.4.2012, Foto W. Probst)

Dieser Begriff sei hier erwähnt, er passt aber nicht in die Reihe der übrigen Schutzbegriffe. Denn man versteht darunter nicht den Schutz von Wildpflanzen, sondern „die Gesamtheit der Bemühungen, Schäden und Leistungsminderungen von Nutzpflanzen durch Ausnutzung aller einschlägigen wissenschaftlich Erkenntnisse in einer ökologisch und ökonomisch angemessenen Weise zu verhindern oder zu mildern“ (Heitefuß 2000). Es geht also in erster Linie um den von Natur- und Umweltschutz  oft heftig kritisierten Einsatz von Pestiziden gegen Krankheiten und Schädlinge von Nutzpflanzen.

Ziele und Wege

Ist das ein Blick in die Zukunft? Agrarlandschaft in Iowa,USA, Google Earth Aufnahme vom 26.7.2016

Auch wenn sich die verschiedenen Schutzziele deutlich unterscheiden und die einzelnen Schutzmaßnahmen sogar zum Teil widersprechen, so kann man doch eine gemeinsame Zielsetzung feststellen: Die vielen Einflüsse des Menschen auf natürliche Abläufe und Entwicklungen des Bioplaneten Erde sollen nicht dazu führen, dass sich die Lebensbedingungen drastisch verändern. Auch wenn solche drastischen Veränderungen – wie die Erdgeschichte zeigt – nicht das Ende des Bioplaneten bedeuten würde, so hätten sie doch für viele Ökosysteme und  insbesondere für die Menschen  katastrophale Folgen. Es wird deshalb angestrebt, die menschlichen Aktivitäten und die menschlichen Wirtschaftssysteme so zu gestalten, dass es keinen Verbrauch gibt, der nicht ersetzt werden kann. Im allgemeinen werden diese Ziele mit „Nachhaltigkeit“ oder „nachhaltiger Entwicklung“ bezeichnet.

Diese Zielsetzungen sind kaum umstritten. Umstritten sind allerdings die Wege, auf denen diese Ziele erreicht werden könnten. Zwar ist klar, dass es auf der Erde „Grenzen des Wachstums“ gibt, trotzdem gibt es unterschiedlice Auffassungen zum Thema Konsum:

  • Ist eine Konsumsteigerung grundsätzlich schädlich und muss mindestens für die westliche Welt gelten, dass nur eine strenge Konsumbeschränkung eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht, oder
  • muss es nur darum gehen, den Konsum durch Kreislaufwirtschaft nachhaltig zu gestalten? (Ökoeffektivität erhöhen)

https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96koeffektivit%C3%A4t

Für eine sofortige Konsum-bzw. Wachstumsbeschränkung spricht, dass es keinen Stoffkreislauf ohne Verluste gibt und die Erdbevölkeung derzeit schon Ressourcen „über ihre Verhätnisse“ verbraucht. Andererseits sind Konsumbeschränkungen weltweit kein  realistisches Ziel angesichts der großen Armut, die weite Teile der Weltbevölkerung betrifft. Für eine stärkere Ausrichtung auf eine strikte Kreislaufwirtschaft spricht, dass der Energiefluss von der Sonne zur Erde noch eine deutliche Steigerung der Primärproduktion zulassen würde . Damit wäre ein weiteres Wachstum der Stoffumsätze möglich und dies wäre für eine friedliche Koexistenz aller Menschen förderlich. Allerdings wird auch eine konsequente Kreislaufwirtschaft nur dann Nachhaltigkeit ermöglichen, wenn es in gewissen Bereichen zu einem Konsumverzicht kommt. Dies gilt zum Beispiel für den Fleischkonsum in westlichen Industrieländern und für die Nutzung aller fossilen Ressourcen, nicht nur der Energieträger sondern auch anderer Rohstoffe.

Bei der Frage, ob es sinnvoller ist,  Natur zu schützen, indem man sie sich selber überlässt oder indem man sie sinnvoll „managet“, würde ich für eine differenzierte Vorgehensweise plädieren, wie sie Trommer schon 1994 vorgeschlagen hat:

  • Tu nichts-Leitbild für Gebiete, die den ursprünglichen Naturzustand repräsentieren, zum Beispiel Bannwälder, aber auch verwilderte Gärten, Ruinen, Brachflächen und allen Bereiche, wo „wachsen lassen“ nicht wichtigen Interessen entgegensteht
  • Pflege-Leitbild für Formen der traditionellen Kulturlandschaft mit dem Ziel, nachhaltige Bewirtschaftungs- und Pflegeformen für Weidelandschaften, Feuchtwiesen, Streuobstwiesen usw. zu finden
  • Tu was-Leitbild für urban-industrielle Räume. Hierher gehören zum Beispiel die Konzepte der „Green Cities“ (vgl. https://www.stefanoboeriarchitetti.net/en/portfolios/liuzhou-forest-city/ )

Green Cities (Grafik Probst 2012)

Quellen

Baur B (2010) Biodiversität. Bern: Haupt

Ellenberg, H. (1987): Fülle – Schwund – Schutz: Was will der Naturschutz eigentlich? Vehandlungen der Gesellschaft für Ökologie 16: 449-450

Heitefuß. R. (2000,3.A.): Pflanzenschutz. Grundlagen der praktischen Phytomedizin. Stuttgart: Thieme

Hendersen, D. : American Wilderness Philosophy. In: Internet Encyclopedia of Philosophy (IEP)  http://www.iep.utm.edu/am-wild/  (zuletzt aufgerufen am 5.9.2017)

Hobohm,C. (2000): Biodiversität. Wiebelsheim: Quelle und Meyer

Hupke, K.-D. (2015):: Naturschutz. Ein kritischer Ansatz. Heidelberg: Springer Spektrum

Kirmer, A. et al. (2016): Erfolgreiche Anlage mehrjähriger Blühstreifen  auf produktiven Standorten  durch Ansaat wildkräuterreicher Samenmischungen und standortangepasste Pflege. Natur und Landschaft 91(3): 109-118

McDounough, W./Braungart, N. (2009): Cradle-to-cradle. New York: Vintage

Meyer-Abich KM (1990) Aufstand für die Natur. Von der Umwelt zur Mitwelt. Hanser, München

Piechocki, R. (2010): Landschaft – Heimat – Wildnis. Schutz der Natur – aber welcher und warum? München: Beck

Probst, W. (2017): Saumbiotope – Grenzen und Übergänge. Untericht Biologie 425: 2-11

Trommer, G. (1992): Wildnis – die pädagogische Herausforderung. Weinheim: Deutscher Studienverlag

Trommer, G. (1994): Didaktisch differenzierte Leitbilder – ein Drei-Umwelten-Modell zum pägagogischen Umgang mit Natur und Landschaft. Workshop Ökologische Leitbilder, Cottbus 9.6.1994. TUC Aktuelle Reihe 6/94:57-62

Wohlleben, P. (2013): Der Wald. Ein Nachruf. München: Ludwig

Wohlleben, P. (2017): Gebrauchsanweisung für den Wald. München/Berlin: Piper

http://www.nabu-selfkant.de/2011/12/plaggen-oder-schoppern-von-heideflachen/