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Der Feinstrahl

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Von Mai bis Dezember

Der Feinstrahl, auch Feinstrahl-Berufkraut oder Einjähriges Berufkraut (Erigeron annuus (L.)Pers.) ist ein gern gesehener Bewohner unseres Gartens. Im Mai streckt sich aus der ziemlich breitblättrigen Rosette ein Spross mit immer schmaler werdenden Blättern, der sich schließlich feingliedrig verzweigt und viele Köpfchen mit schmalen weißen oder ganz leicht lila angehauchten Strahlenblüten und einer gelben Mitte aus Röhrenblüten bildet. Er blüht den ganzen Sommer über bis in den Herbst und bei mildem Wetter können sich die letzten Blütenköpfchen auch noch im Dezember öffnen. Das liegt daran, dass auch noch später im Jahr Pflanzen keimen und heranwachsen. Auch Pflanzen, deren Blütenstände abgeschnitten wurden oder vom Wind geknickt wurden, treiben später neue Blütenstände.

Unwanted Newcomer? – Bei mir nicht!

Der Feinstrahl wurde schon im 17. Jahrhundert als Zierpflanze aus Nordamerika in Europa eingeführt (Kowarik 2003, S.59) und er hat sich hier allmählich eingebürgert. Als Zierpflanze ist er – zu Unrecht – kaum noch in Gebrauch. In Deutschland trifft man die asternähnliche Pflanze im Süden und in der Mitte deutlich häufiger als im Norden. Nördlich der Eider – in meiner alten Heimat – ist er nach der aktuellen Verbreitungskarte von Floraweb (Datenstand 2013) bis heute noch nicht beobachtet worden.

Flugfrüchte des Feinstrahls, Scan von W. Probst

Die winzigen, in großer Anzahl produzierten Flugfrüchte müssten eigentlich eine schnelle und weite Ausbreitung garantieren. Immerhin wurde die Pflanze in 1965 von 3000 Messtischblättern (TK 25) registriert. Auf der von Kowarik nach der TK25-Häufigkeit zusammengestellten Liste der 50 häufigsten Neophyten steht sie auf Platz 32.

Seit einiger Zeit ist es üblich geworden, Verkehrsinseln und Randstreifen aber auch Vorgärten grob einzuschottern, vermutlich, um dem „Unkraut“ keine Chance zu geben. Beim Feinstrahl, der heute im Allgemeinen zu den Unkräutern gerechnet wird, wirkt dies nicht besonders. Er mag solche geschotterten Flächen ganz gerne. Ich kenne einen Schotterbereich an einer Straßeneinmündung in die B 31bei Immenstaad, der nun schon im zweiten Jahr einen fast reinen Feinstrahl-Bestand ausgebildet hat. Das sieht sehr schön aus.

In den letzten Jahren scheint sich der Feinstrahl stärker auszubreiten und deshalb wird er von manchen Naturschützern auch schon als möglicherweise „invasiv“, also gefährlich für heimische Arten und Ökosysteme, angesehen. In der Schweiz wurde die Art schon auf die Beobachtungsliste für invasive Neophyten (Schwarze Liste) gesetzt. Eine besondere Gefährdung soll sie für die Stromtalwiesen darstellen. Diese pflanzensoziologisch auch als Brenndolden-Feuchtwiesen bezeichneten und nach der FFH-Reichtlinie durch die EU geschützten Lebensräume werden aber sicherlich mehr durch veränderte Nutzung und Eutrophierung als durch den Feinstrahl bedroht.

Garten mit Feinstrahl, Oberteuringen, Juni 2016; Foto S. Probst

Berufkräuter

Neben dem Einjährigen Berufkraut kommt in Deutschland vor allem noch das Scharfe Berufkraut (Erigeron acris), eine einheimische und meist mehrjährige Art, vor. Sie hat in der Volksmedizin eine bedeutende Rolle gespielt. Daher kommt auch der Name, der oft falsch als „Berufskraut“ zu lesen bzw. zu hören ist. Es geht aber nicht um den Beruf, sondern um das „Berufen“. Das Scharfe oder Echte Berufkraut sollte nämlich vor dem bösen Zauber, dem Berufen durch Geister, Hexen oder Teufel, schützen. Deshalb wurde die Pflanze im Mittelalter Säuglingen in die Wiege gelegt. Der wissenschaftliche Name „Erigeron“ lässt sich auf griechisch „eri“ = früh und „geron“ = Greis zurückführen und bedeutet etwa „früh alternd“ (Genaust 1983) Das bezieht sich – ganz ähnlich wie bei den Greiskräutern (Gattung Senecio von lateinisch „senex“ = Greis) auf den mehr oder weniger grauen Haarkranz der Früchte, den Pappus. Gleich nach der Blüte erscheinen graue Haare.

Bis heute gelten Berufkräuter als Heilpflanzen, insbesondere wegen ihres Gehaltes an Gerbstoffen, etherischen Ölen und Flavonoiden . In der offiziellen Heilkunde spielen sie aber keine Rolle. Die Pflanze eignet sich aber als Lieferant für Gemüse und Salate, vor allem die jungen Blätter der grundständigen Rosette.

Feinstrahl (Erigeron annuus), Foto W.Probst

Früchte ohne Befruchtung

Sippen von Erigeron annuus haben normalerweise einen doppelten Chromosomensatz von 27, seltener 54, sie sind also triploid bzw. hexaploid. Dabei triploiden Pflanzen keine normale Meiose möglich ist, wäre eine normale sexuelle Fortpflanzung nicht möglich. Der Feinstahl zeigt aber trotzdem einen guten Fruchtansatz, der auf apomiktischen Wege, also ohne Befruchtung, zustande kommt. Obwohl der Feinstrahl also gar keine Insekten zur Bestäubung benötigt, ist er bei Blütenbesuchern nicht unbeliebt. Schwebfliegen, Bienen, Hummeln und Schmetterlinge sind häufige Gäste der Blütenstände.

Quellen

Feinstrahl, Foto W.Probst

Genaust, H. (1983: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. Basel …: Birkhäuser

Kowarik, I. (2003): Biolgische Invasionen:Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Stuttgart: Ulmer

Oberdorfer, E. (8.A. 2001): Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von A. Schwabe und T.Müller.  Stuttgart: Ulmer

http://www.exkotours.de/Archiv/Berufkraut.html

https://brandenburg.nabu.de/natur-und-landschaft/nabu-aktivitaeten/auwiesenschutz/odertal/11578.html

http://heilkraeuter.de/lexikon/einjaehriges-berufkraut.htm

http://www.kraeuter-vielfalt-franken.de/aktuelleinfos/860.Unsere_Pflanze_des_Monats_-_Juli_.html

https://www.pflanzen-vielfalt.net/wildpflanzen-a-z/%C3%BCbersicht-a-h/berufkraut-einj%C3%A4hriges/

http://www.floraweb.de/webkarten/karte.html?taxnr=2178

Wachsen lassen – Naturschutz an Rändern, Säumen und Kanten

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„Grün ist in unseren zivilisierten Städten nicht mehr die normale Farbe der Erdeoberfläche, die nicht nur nichts kostet, sondern sogar das einzig produktive Element aller biologischen Systeme ist – Grün ist hier vielmehr ein teures Produkt…. . Zur Zeit kostet die Planung und Ausführung einer nicht aufwändigen Grünanlage 10 bis 20 DM pro Quadratmeter und die Unterhaltung 10 % dieser Erstinvestition in jedem folgenden Jahr. Der Warencharakter der Natur hat hier ihre ökologische Qualität ausgeschaltet…“ (Peter Kramer 1977)

Lasst es wachsen!

Unsere Kulturlandschaft besteht durchgehend aus verplanten Flächen: Äcker, Wiesen, Weiden, Wälder, Wege, Gärten, Parks, Sportplätze, Wohnhäuser , Industrieanlagen, Bahnlinien und nicht zuletzt Straßen und Parkplätze. Äcker werden gedüngt, gespritzt und umgepflügt, Wiesen werden gemäht und mit Jauche vollgeschüttet, Weiden werden abgefressen, Wälder bewirtschaftet, Wege, Gärten und Parks gepflegt, das heißt der Rasen wird wöchentlich gemäht, die Hecken werden wenigstens zweimal im Jahr geschnitten, Unkraut wird gejätet und oft auch weggespritzt, Beete werden im monatlichen Turnus neu bepflanzt ….

Die Bearbeitung dieser Kulturflächen ist in vielen Fällen notwendig. Wenn man eine Wiese nie mehr mäht, wird daraus in ein, zwei Jahrzehnen ein Gebüsch und in einem Jahrhundert ein Hochwald. Einen Acker muss man regelmäßig bestellen, abernten, düngen und auch spritzen, um ernten zu können.  Aber wie sieht es mit den Rändern und den Grenzen zwischen den verschiedenen Nutzungsflächen aus? Ich meine, hier besteht für den Naturschutz ein riesiges Potenzial, das für den Naturhaushalt vermutlich ergiebiger ist, als die in ihrem Flächenanteil sehr beschränkten Naturschutzgebiete. Außerdem hilft der Randschutz, verinselte naturnahe Flächen zu vernetzen. Eine vielversprechende Initiative, welche diese Idee verfolgt, ist das „Konzept der Ehda-Flächen“. Initiator und Träger dieses Projektes ist das Institut für Agrarökologie des Landes Rheinland-Platz (IfA).

Wegrand bei Oberteuringen, 16.7.2016 (Foto Probst)

Wegrand bei Oberteuringen, 16.7.2016 (Foto Probst)

Wenn man eine Hecke nicht schneidet, wird man mit der Zeit den Weg daneben nicht mehr benutzen können. Aber wenn man den Wegrand nicht vor September  mäht, haben dort viele Kräuter und Gräser die Möglichkeit zu blühen und zu fruchten, Bienen, Hummeln, Schwebfliegen, Schmetterlinge und Käfer können sich monatelang am Nektar bedienen, Raupen, Blattwanzen, Zikaden, und Heuschrecken finden Futter und Spinnen können ihre Netze  bauen. An Zäunen muss das Unkraut nicht mit Glyphosat weggespritzt werden, Gräser und Kräuter sind meistens wesentlich schöner anzusehen als kahle Zäune. Auch Mauern werden durch hohe Kräuter an der Mauerbasis und Bewuchs der Mauerritzen schöner, die meisten Wege werden durch hochgewachsene Wegrandpflanzen nicht unbrauchbar sondern geschmückt. Die Ränder von Bürgersteigen müssen nicht wöchentlich vom Krautbewuchs befreit werden, der Bewuchs von Pflasterritzen belohnt bei zeitweiliger Duldung durch schöne Blüten. Ein großes zum Teil auch schon genutztes Potenzial ist der Wildwuchs an Gewässerrändern und Waldrändern.

Gehsteigkante mit Acker-Winde, Oberteuringen, 27.7.2016 (Foto Probst)

Gehsteigkante mit Acker-Winde, Oberteuringen, 27.7.2016 (Foto Probst)

Zwischen Radweg und Straße, Waltenweiler, 27.6.2016 (Foto Probst)

Zwischen Radweg und Straße, Waltenweiler, 27.6.2016 (Foto Probst)

Vor allem in Siedlungen und Industriegebieten gibt es immer wieder Flächen, die vorübergehend nicht genutzt werden. Solche Brachen sollte man so lange wie möglich sich selbst überlassen – wachsen lassen.

Natur ausschalten – Natur einschalten

Der niederländische Archtekt und Städteplaner Louis Guillaume le Roy (1924 – 2012) plädierte in seinem 1973 erschienenen und damals viel diskutierten Buch „Natur ausschalten – Natur Einschalten“ für eine vehemente Umkehr unsere Einstellung zu Gärten und Grünanlagen. In seiner Heimatstadt Heerenveen konnte er seine Ideen verwirklichen. Statt aufwändiger Grünanlagen schuf er hier abwechslungsreiche Brachflächen mit unterschiedlichen Materialien, insbesondere Bauschutt, und ließ es wachsen. Es entstanden bemerkenswerte vielfältige Biotope mit einem ganz besonderen ästhetischen Reiz.

Die Grundidee le Roys: Natürliche Systeme sind,  wenn man sie sich selber überlässt, erstaunlich stabil, da sie über sehr komplexe Regulationssysteme verfügen. Erst wenn man „Natur ausschaltet“ werden immer aufwändigere Pflegemaßnahmen nötig. Für die Gestaltung von Gärten und Grünanlagen aber auch für alle anderen anthropogen überformten Landschaften sollte deshalb das Prinzip der Eingriffsminimierung gelten. Eingriffe und Pflegemaßnahmen sollten nur insoweit durchgeführt werden, als dafür eine funktionale Notwendigkeit besteht.

Für die Entfernung von Krautwuchs an Zäunen zum Beispiel gibt es eindeutig keine solche funktionelle Notwendigkeit. Aber auch bei der Gestaltung von Wegrändern, Straßenrändern, Grünstreifen zwischen Radweg und Straße, Mauerbewuchs, Bewuchs von Gehsteigskanten, Plattenfugen und Grabenrändern könnte man in vielen Fällen le Roy’s Prinzip des Wachsenlassens großen Raum geben.

In dem dieses Jahr auch in deutscher Sprache erschienenen Buch von Dave Goulson, dem britischen Hummelforscher und Naturschützer „Die seltensten Bienen der Welt.: Ein Reisebericht“ findet sich im Epilog – per internet zugänglich – ein sehr lesenswertes Plädoyer für das Wachsenlassen.

https://www.amazon.de/Die-seltensten-Bienen-Welt-Reisebericht/dp/3446255036#reader_3446255036

Ein fascinierendes Projekt ist das Knepp Castle Estate Rewilding, das in einem sehenswerten Video dokumentiert wird: https://www.youtube.com/watch?v=mP3-TsRRSys

Gärten für die Zukunft

Vortrag anlässlich der Präsentation der Chronik über das Schulbiologiezentrum Hannover am 4. November 2012

Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde des Schulbiologiezentrums Hannover,

ich freue mich, dass ich heute zu diesem festlichen Anlass, der Präsentation einer Chronik des Schulbiologiezentrum Hannover, zu ihnen sprechen darf. Herzlichen Dank, Herr Noack und Herr Reese, für die Einladung. Bei meiner Frau bedanke ich mich sehr für die Begleitung, ohne die ich diese Reise nicht hätte unternehmen können.

 Zwei besondere Gründe für meine Freude möchte ich nennen:

  • Seit ich das Schulbiologiezentrum Hannover  Ende der 1970 er Jahren kennen lernte, schätze ich diese Einrichtung sehr und die umfangreichen Publikationen von dort haben mir viele Anregungen und Impulse für meine Arbeit in Flensburg gegeben.
  • Gerhard Winkel, der in den Jahren 1961-1988 das Schulbiologiezentrum Hannover geleitet und zu seiner heutigen Form und Bedeutung gebracht hat, wurde am 29. Juni 1994 die Ehrendoktorwürde der Universität Flensburg verliehen. Nach Rudolf Karnick war er der zweite Ehrendoktor unserer Universität.

Mein Kollege und Freund Willfried Janßen sagte dazu in seiner Laudatio zu Winkels Ehrenpromotion: „Allein diese Leistung (nämlich der Aufbau des Schulbiologiezentrum) und ihre enorme Vorbildwirkung für zahlreiche im Zuge der Ökologiebewegung im Laufe der achtziger Jahre entstandenen Umweltzentren in Europa würde den Vorschlag zu Ehren Promotion rechtfertigen, da eine solche Entwicklung nicht nur mit organisatorischen Fähigkeiten und mit Energie verbunden war, sondern vor allem erfolgreich sein konnte, weil von Gerhard Winkel  … zugleich klar durchdachte pädagogische und biologiedidaktische Konzepte für dessen Wirksamkeit entwickelt wurden.“ So ist es.

 Das Schulbiologiezentrum Hannover ist aus zwei botanischen Schulgärten hervorgegangen und wie die heute vorgestellte Dokumentation beweist: Die Gartenpraxis als pädagogische Möglichkeit ist nach wie vor sein wichtigster Schwerpunkt.  Deshalb habe ich mir vorgenommen, Ihnen einige Überlegungen zum zukünftigen Umgang mit Gärten und zur Bedeutung der Gärten für die Zukunft  vorzutragen. Mir ist klar, dass dazu schon viel gesagt und geschrieben wurde –  zum Beispiel – natürlich –  von Gerhard Winkel, und erst vor kurzem, auf dem im Juni 2011 von der Deutschen Gartenbaugesellschaft und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz organisierten Kongress „Zukunft Garten – Bedeutung für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“.

Dabei gab es einen Workshop „Bildung, Erziehung, Nachwuchsarbeit im Garten“, der zu folgenden publizierten Ergebnissen kam:

  • Der (Schul-)Garten ist ein idealer Lern-und Lebensort für alle

Aufgrund dieser Aussage wird gefordert

  • Der Garten braucht gesamtgesellschaftliche Akzeptanz, die Akteure brauchen politische Unterstützung im Kontext einer Bildung für nachhaltige Entwicklung
  • Die Gartenarbeit braucht eine gute curriculare Verankerung im Bildungssystem einschließlich Lehrer- und Erzieherausbildung, Fort-  und Weiterbildung

Wer  der hier Anwesenden wollte dem widersprechen? Allein, um alle zu überzeugen, bedarf es guter Argumente. Ich hoffe, ich wiederhole nicht nur Altbekanntes, wenn ich im Folgenden einige auf meinen persönlichen Erfahrungen gründende Überlegungen dazu  anstelle, unter welchen Bedingungen Lernen im Garten tatsächlich Bildung für nachhaltige Entwicklung sein könnte.

Ich möchte dies in vier Schritten tun:

1. Weltwunder, Naturoase, Lernort – Blitzlichter zur Gartengeschichte

2. Sind Gärtner bessere Menschen?

3. Persönliche Erfahrungen – mein Weg zur Veranstaltung „Ökologischer Gartenbau“

4. Die Erde als Garten

1. Weltwunder, Naturoase, Lernort – Blitzlichter zur Gartengeschichte

 Vor 2600 Jahren in Mesopotamien

So könnten die hängenden Gärten in Babylon ausgesehen haben

So könnten die hängenden Gärten in Babylon ausgesehen haben

Das antike Babylon liegt in einem auch im Winter angenehm warmen Klima. Der strahlend blaue Himmel hat zwar den Nachteil, dass es nur wenig regnet und damit von Natur aus nur ein spärlicher Pflanzenwuchs möglich ist, doch der nahe Euphrat gepaart mit einer ausgeklügelten Bewässerungstechnik lässt nicht nur Getreidefelder sprießen sondern auch prächtig Gartenanlagen gedeihen . Schon in der Antike legendär sind die „Hängenden Gärten von Babylon“. Ihr Ruf verbreitete sich in der ganzen antiken Welt – neben dem Koloss von Rhodos, den Pyramiden von Gizeh oder dem Leuchtturm von Alexandria – gelten sie als eines der sieben Weltwunder. Zwar sind die Gärten schon im Altertum zu Grunde gegangen, doch ihr Ruf hat sich bis in die Gegenwart erhalten. Von Xenophon wurden die von Babylon übernommenen Gärten der Perser später als „Paradeisos“ beschrieben. Diese Bezeichnung geht auf das altpersische „paira  daëza“ zurück und bedeutet „umhegter Garten“. Die Gärten des Vorderen Orients – vermutlich die ursprünglichsten und ersten Gärten in der Menschheitsgeschichte – nahmen sich in wüstenhafter Umgebung die wasserreiche Oase zum Vorbild. Im Schatten von Dattelpalmen und Sykomoren kann der Müßiggänger, umgeben von säuselnden  Winden und plätschernden Bächen  einen Vorgeschmack auf das himmlische Paradies erleben. Diese Vorstellung des Gartens als Paradies, also als ein Ideal einer vollkommenen Welt, ist sicher noch älter als die Gärten der Semiramis. Oasengärten in unwirtlicher Wüstenlandschaft: Nicht nur Erinnerungen an einen paradiesischen Urzustand, sondern auch Vorahnung eines glücklichen Endzustandes, eines goldenen Zeitalters, wie es von Hesiod oder Ovid beschrieben wurde.

Griechen und v. a. Römer übernahmen Teile der orientalischen Gartenkultur, bei der Machtübernahme durch germanische Stämme ging vieles verloren, aber über die Klöster  kamen Gartenkenntnisse nach Mitteleuropa, z. B. über Winifried Strabo auf der Reichenau. Doch nun stand der Nutzgarten im Vordergrund.  Erst als in der Renaissance durch den Kontakt mit den Arabern als kulturellen Bewahrern der antiken Welt Kunst und Wissenschaften des Abendlandes neu belebt wurden, gab es eine Blüte der Gartenkultur in Europa.

Vor 300 Jahren in Versaille

Einen ersten Höhepunkt erreicht diese Gartenkultur im Barock. Dem Zeitalter des Rationalismus entsprechend ist der Barockgarten ein ganz und gar künstliches, durch den Menschen geschaffenes Gebilde. Bei der Planung wird höchster Wert auf Regelmäßigkeit und Symmetrie gelegt. Die ornamentalen, nach strengen Regeln in Formen und Strukturen gezwungenen Anlagen sind exakt durchorganisiert und stellen einen krassen Gegensatz zu wilden und chaotischen Natur dar. Sie sind Symbol für die Kraft des menschlichen Geistes und seines Erfindungsreichtums, der sich die Natur untertan machen kann (und auch machen soll), auch prunkvolle Machtdemonstration des absolutistischen Herrschers, in dessen Auftrag der Garten angelegt wurde. Oft werden diese Gärten angereichert mit exotischen Gewächsen, die aus den gerade erst entdeckten und unterworfenen Kolonien eingeführt wurden. In einem gut gepflegten Barockgarten bleibt nichts dem Zufall überlassen.

Vor 200 Jahren in Wiltshire in SW-England (Stourhead Garden)

In der Romantik wird die Gartengestaltung urwüchsiger. Der Landschaftsgarten idealisiert eine ländliche Idylle mit wohl dosierten Einsprengseln künstlich nachgebildeter wilder Natur: Waldschluchten, Wasserfälle, Grotten ja sogar kleine Felsengebirge, die noch romantischer sind als die wirkliche Natur. Anders als im Barockgarten wird von diesem Gartentyp mehr das Gemüt als der Geist angesprochen, Bilder von Landschaften, gewissermaßen Archetypen, die wir in unserem Inneren tragen. Es gibt mehrere Untersuchungen aus den 1970iger und 80iger Jahren , die von E. O. Wilson bekannt gemacht wurden und die darauf hindeuten, dass eine offene Savannenlandschaft mit guter Aussicht und der Nähe eines Gewässers aufgrund genetischer Disposition von Menschen als besonders angenehm empfunden wird. Der englische Landschaftsgarten entspricht weit gehend den Aspekten einer solchen „offenen Weidelandschaft“. Bis heute entsprechen auch die beliebtesten und teuersten Wohnlagen diesem Idealtypus. Eine mögliche Erklärung für diese angeborene Vorliebe wäre, dass in einer solchen afrikanischen Savanne die Menschenvorfahren einige Millionen Jahren lang zuhause waren (Wilson 1984).

Vor 40  Jahren im Aargau in der Schweiz

Der Begriff  „Naturgarten“  trat zwar schon Ende des 18. JH zusammen mit dem Landschaftsgarten auf, aber erst ab den 1970iger Jahren spielt er – als Idee eines privaten Naturschutzgebietes –  eine größere Rolle in der Umwelt- und Naturschutzbewegung. Während früher der paradiesische Zustand gerade die gezähmte, veränderte, mehr oder weniger stark manipulierte Natur war, ein gepflegter Hort in der Wildnis, ist nun Wildnis so selten geworden, dass der Naturgärtner versucht, in der Kulturlandschaft ein Stückchen Wildnis als sein Paradies zu erhalten (vgl. z. B. Witt 1996: Naturoase Wildgarten). Programmatisches Werk aus den 1970 er Jahren ist „Der Naturgarten“ von Urs Schwarz, in dem gefordert wird Einheimische „Unkräuter“ zu Kräutern und fremdländische Gewächse zu Unkräutern zu deklarieren und entsprechend zu behandeln.

Louis Le Roy plädiert in seinem Werk „Natur einschalten – Natur ausschalten“ dafür: „Lasst es wachsen“ . Er schlägt einen völlig neuen Umgang mit dem „Grün in der Stadt“ vor: Spontane Vegetation soll geplante Pflanzungen und Beete ersetzen, der Gartengestalter pflanzt nicht, er schafft allenfalls günstige Voraussetzungen für selbst sich entwickelnde Vielfalt : durch Bauschutthaufen, Lehmkuhlen, Kiesschüttungen, Natursteinmauern und Reisigstapel. Der avantgardistische Landschaftsarchitekt erhielt in der niederländischen Stadt Heerenveen die Möglichkeit, seine Ideen in die Tat umzusetzen. Aber nur verhältnismäßig wenige Gemeindeverwaltungen und private Gartenbesitzer folgten den radikalen Forderungen der Natur-Garten-Revolutionäre.

Dass diese Sehnsucht nach dem eigenen kleinen Naturschutzgebiet trotzdem bis heute weiter verbreitet ist, als wirklich naturnah gestaltete Gartenanlagen, kann man zum Beispiel daran erkennen, dass sehr viele Gartenbesitzer wenigstens ein Biotop (gemeint ist damit ein der ursprünglichen Natur nachempfundener Lebensraum, meist ein Teich) in ihren Garten bringen wollen. Wildtiere versuchte man schon früher in den Garten zu locken, zum Beispiel in den Schrebergarten mit Starenkästen. Heute gibt es viele Bauanleitungen und Angebote fertiger Behausungen, mit denen man nicht nur verschiedene Vogel- und Fledermausarten, Igel, Kröten, Blindschleichen oder Eidechsen , sondern auch Wirbellose wie Wildbienen, Florfliegen, Ohrkneifer und Spinnen in seinen Garten holen und dauerhaft ansiedeln kann. In Gerhard Winkels Schulgartenhandbuch wird schon 1985 beschrieben, wie man solche „Wohnräume für Tiere“ an einem Platz, einer so genannten Gartenarche, konzentrieren kann .

Fazit: Immer haben Gärten etwas mit dem Weltbild, den Sehnsüchten und Projektionen des Kulturkreises zu tun, dem sie entstammen und oft werden sie – wie auch schon die ersten Gärten in Ägypten, Babylon, Indien oder Persien – als Abbild eines glücklichen bzw. geglückten Weltplanes verstanden.

Welche Gartenkonzepte könnten in der Zukunft wichtig werden?

Welche Ziele, welche Vorstellungen, welche gesellschaftlichen Bedingungen könnten für Gartenkonzepte der Zukunft wichtig werden?

  • In unserer Gesellschaft wird der Anteil älterer Menschen immer größer – wird man deshalb bei öffentlicher und privater Gartengestaltung besonders auf Altersgerechtigkeit achten?
  • Junge Leute interessieren sich immer weniger für reine Naturlandschaften, Parkanlagen, Gartenschauen – wird öffentliches und privates Grün deshalb immer mehr mit (möglichst interaktiven) Kunstobjekten angereichert? Oder werden Gärten vermehrt Hintergrund großer Veranstaltungen (Events)?
  • Immer mehr Menschen vermissen echte Abenteuer – wird deshalb bei der Landschaftsplanung immer mehr darauf geachtet werden, Orte einzurichten, an denen solche Abenteuer möglich werden (Kletterfelsen, Baumkletterstrecken, Wildwasserbäche, Hochbrücken zum Bungee-Jumping…)?
  • Wird man – um dieser Entwicklung entgegen zu wirken – Gartenerlebnisse und Gartenarbeit vermehrt in Kindergärten und Grundschulen einführen – mit kindgerechten Gärten?

2. Sind Gärtner bessere Menschen?

Die Pädagogen hoffen natürlich, dass die Zukunft der Gärten als Bildungseinrichtungen an Bedeutung gewinnen wird, entsprechend der eingangs zitierten Aussage des Zukunft-Garten-Workshops

  • Der Garten ist ein idealer Lern-und Lebensort für alle

„Wenn Sie den Anregungen dieses Buches folgen mögen, dann wird ihr Garten zukunftsfähig, … Ihre Ernährung gesünder und sie leisten einen konstruktiven Beitrag für eine nachhaltige, zukunftsfähige Gesellschaft in der Welt“schreiben die Wuppertaler Pädagogen Gerda und Eduard Kleber  im Vorwort zu ihrem 1999 erschienenen Buch „Gärtnern im Biotop mit Mensch“, das 2011 in einer neuen Auflage erschienen ist. Die Liebe zum eigenen Garten soll die Liebe zu unserem Planeten als Folge haben und deshalb sollte jeder Mensch ein Gärtner sein, denn nur ein solcher  „kann ein eigenes Lebenskonzept gewinnen, das im Einklang mit dem Lebenssystem unseres Planeten steht „.

Das sind wahrhaft hohe Ansprüche. Sie postulieren, dass die Verbundenheit mit einem Garten und die Tätigkeit des Gärtners zu einer Lebensweise  führen, die man im heutigen Sprachgebrauch als „nachhaltig“ bezeichnen würde.

Dazu passt auch der Leitspruch der Deutschen Gartenbaugesellschaft, der in den 1980iger Jahren von ihrer langjährigen Präsidentin Gräfin Sonja Bernadotte formuliert wurde „Gärtnern  um der Natur und des Menschen Willen“.

 So könnte man den Eindruck gewinnen, dass das Gärtnern an sich schon zu „besseren“ , d. h. zukunftsfähigeren Menschen führt. Aber stimmt diese Vorstellung mit der Wirklichkeit überein? Können Gärten nicht sehr unterschiedlich betrieben und bewirtschaftet werden?

Der Augenschein spricht  dafür, dass sich solche positiven Persönlichkeitsveränderungen bei Gärtnern – es soll in Deutschland (nach der Deutschen Gartenbaugesellschaft)  davon immerhin 15 Millionen geben –  normalerweise nicht von alleine einstellen. Schaut man sich die Gärten und die darin aktiven Menschen an, so bekommt man viel mehr den Eindruck, dass das Aussehen von Gärten etwas mit der Persönlichkeit ihrer Besitzer, mit ihrem Lebensstil, ihrer Denkweise und ihren Eigenschaften zu tun hat, weniger aber, dass diese Persönlichkeit durch den Gartenbesitz oder durch das Arbeiten im Garten stark verändert wird: In vielen Gärten wird einem starken Ordnungsbedürfnis gefrönt, dem man nur durch sehr viele oft aufwendige Eingriffe und hohem Maschineneinsatz gerecht werden kann.

Viel zitiert und demonstriert, die Rasenpflege: Der Rasen im Privatgarten ist ein gutes Beispiel dafür, dass es ein wichtiges Lernziel für nachhaltige Gärtnerei sein sollte, dem Prinzip der Eingriffsminimierung zu folgen. Welcher Eingriff ist unbedingt nötig, so sollte sich der Gärtner fragen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen – und natürlich auch: Ist das angestrebte Ziel sinnvoll ? Reinhard Mey hat vor 10 Jahren im „Sylter Rasenstreit“ die Gemeinde Kampen  und seine Nachbarn nicht überzeugen können,dass weniger Rasenpflege sinnvoll wäre. Immerhin ist dabei ein auch pädagogisch einsetzbares Chanson entstanden  „… Irgendein Depp mäht irgendwo immer …“

Resümé: Es bedarf ganz bestimmter Voraussetzungen und persönlicher Erfahrungen, damit Lernen im Garten zu Bildung für Nachhaltigkeit wird – wie dies ja auch die Klebers betonen: „“Wenn Sie den Anregungen dieses Buches folgen…“

Ich möchte dazu ein bisschen von meinen eigenen Erfahrungen berichten:

3. Persönliche Erfahrungen  – mein Weg zur Veranstaltung „ökologischer Gartenbau“

Für mein ganzes Leben, für meine Entwicklung und Bildung waren Naturerlebnisse und Naturbegegnungen von entscheidender Bedeutung. Viele andere Menschen haben ähnliche Erfahrungen gemacht, einige haben darüber auch geschrieben. Edward Osborn Wilson versuchte dies mit seinem Werk  „Biophilia“ sogar evolutionsbiologisch zu begründen.

Auch wenn es schwierig ist , den Bildungswert von Naturerlebnissen quantitativ zu belegen, wird kaum jemand bestreiten, dass Naturkontakte häufig angenehme Empfindungen erzeugen, ja glücklich machen. Vieles spricht sogar dafür, dass die psychische und physische Krankheiten heilen können. Für die Entwicklung von Kreativität und Fantasie können intensive Begegnungen mit der Natur sehr förderlich sein. Dies gilt insbesondere für die normale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

Die Erkenntnis, dass der unmittelbare Umgang mit der Natur bildenden Wert hat, wurde immer wieder betont: Im 18. Jahrhundert  z. B. Von Jean Jaques Rousseau, im 19. Jahrhundert z. B. von Henry David Thureau. Gerhard Trommer hat sich in jüngerer Zeit ausführlich mit der „pädagogischen Herausforderung Wildnis“ beschäftigt und die Bedeutung unberührter Natur für die Erziehung und Bildung deutlich gemacht.

Wie lässt sich diese „pädagogische Kompetenz“ der Natur erklären? Ein Grund ist sicherlich ihre Vielseitigkeit und Offenheit, gleichzeitig ihre Unergründlichkeit, die nicht nur eine Definition sehr schwer macht, sondern aus jeder Erklärung wieder neue Rätsel entstehen lässt. In Gegensatzpaaren wird vielleicht deutlicher, was ich meine:

  • Der äußeren Natur steht die innere Natur des Menschen gegenüber.
  • Allgemeingültige Naturgesetze bestimmen den Kosmos. Gleichzeitig ist die Natur chaotisch, unvorhersehbar, einem unumkehrbaren Zeitablauf unterworfen . . .
  • Der viel beschriebenen und empfundenen Einheit der Natur steht ihre sprichwörtliche Vielfalt gegenüber

Diese spannungsreichen Polaritäten, diese Vielseitigkeit, die Offenheit zulässt, ist der große Vorzug einer Erziehung oder Bildung durch die Natur.

Bei der Didaktik der Erziehung oder Bildung durch die Natur geht es vor allem darum, gute Gelegenheiten zu schaffen, Begegnungen und Erlebnisse zu ermöglichen.

Solche Überlegungen war der Grund dafür, bei meinem Unterricht zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern möglichst viele Gelegenheit zu unmittelbarer Naturbegegnung zu geben. Mit Exkursionen und  „Biologie im Freien“ versuchte ich, dieses Ziel zu erreichen. Dabei waren Erlebnisse, auch Abenteuer, körperliche Anstrengung und ästhetische Erfahrungen  wichtig.

Angeregt durch das Freilandlabor Dönche in Kassel, das uns 1983 von Herrn Hedwig und Herrn Witte anlässlich einer Tagung der Sektion Fachdidaktik des VBiol vorgestellt wurde, haben wir in Flensburg auch eine solche Einrichtung geschaffen. Eine weitere Anregung kam von IPN in Kiel. Ich wurde gefragt, ob ich Interesse daran hätte ein amerikanisches Programm für Freilandbiologie an mitteleuropäische Verhältnisse anzupassen. Das Ergebnis war dann das Büchlein, das Karl Kuhn, Karl Schilke und ich 1986 veröffentlichten, gewissermaßen ein Rezeptbuch für mögliche Freilandaktivitäten. Es wird vielleicht nicht ganz den heutigen Forderungen nach selbstbestimmtem und selbstreflexivem Lernen gerecht. Aber Hauptziel war es, Lehrerinnen und Lehrern durch diese relativ genauen „Vorschriften“ die Angst vor dem Hinausgehen zu nehmen.

Aber wie kam ich zum Gartenbau?

Anfang der 1980 er Jahre gingen die Studentenzahlen unserer Hochschule stark zurück. Im Wintersemester 1984/85 hatten, wir glaube ich, nur vier Neuimmatrikulierte in der Biologie. Die Hochschule hatte Sorge um ihren Bestand und versuchte, durch neue Studiengänge, die nicht zum Lehrerberuf führten, die Studentenzahlen etwas aufzubessern. Ein solcher Studiengang, der vom damals besonders studentenarmen Fach Technik initiiert wurde, nannte sich zunächst  „Technikpädagoge im Entwicklungsdienst“ und war für Studierende aus Deutschland und aus Entwicklungsländern gedacht. Wegen dieser Internationalität wurde er später in „ARTES“ – Appropiate rural technology and extension skills – umbenannt. Die Biologie beteiligte sich mit Veranstaltungen zur Ökologie, z. B. mit einer praktisch orientierten Veranstaltung zum Gartenbau, die auch für unsere Lehramtsstudenten offen war. Mein Partner war Meinolf Hammerschmidt,  Lehrer und Gärtner, der gerade aus Afrika zurückgekommen war, wo er als Entwicklungshelfer vor allem die Anlage von kleinen, der Subsistenzwirtschaft dienenden Gärten betreut hatte. Er wurde von der Hochschule angestellt.  Der besondere Pfiff dieser Veranstaltung war, dass Studierende aus Afrika, Lateinamerika und  Indien mit unseren Lehramtsstudenten zusammen im Garten arbeiteten und über den Garten und verschiedene Projekte nachdachten. Das war für mich und meinen Unterricht eine ganz neue und spannende Erfahrung: Im Garten geht es auch um unmittelbare Naturbegegnungen, aber auch um zielgerichtete Manipulation der Natur, um Nutzung und Gestaltung, um Pflege.

 In den 1990 er Jahren wurde der Studiengang immer mehr in Richtung Energiewirtschaft und Energiebereitstellung umgestellt. Meinolf Hammerschmidt wurde nicht länger von der Hochschule beschäftigt und gründete eine Baumschule für alte Obstsorten. Da sich die Gartenbauveranstaltung mittlerweile aber großer Beliebtheit bei den Lehramtsstudenten erfreute, wurde sie von mir weitergeführt und Hammerschmidt half mir dabei als Lehrbeauftragter.

Mit  mehr oder weniger großem  Erfolg  wurden unterschiedlichste Dinge ausprobiert, wobei wir oft den Vorschlägen der Studierenden folgten (Kompostwirtschaft, Hochbeet, Frühbeet, Einsatz von Folien, Foliengewächshaus, als Sonnenfalle konzipierte  Kräuternische, ausprobieren verschiedener Bewässerungssysteme, Ansiedlung von „Nützlingen“, Erdkeller, Pilzzucht). Natürlich spielte unter Meinolfs Anleitung auch das Veredeln und Anziehen von Obstgehölzen eine wichtige Rolle.

Ich nannte die Veranstaltung „Ökologischer Gartenbau“ und es ging mir darum, parallel zu der praktischen Arbeit im Garten allgemein ökologische Inhalte aber auch Artenkenntnis zu vermitteln. Ein großer Teil der praktischen Arbeit bestand zwar im Unkraut jäten – nicht  unbedingt, weil das für mich so wichtig war, sondern weil es den Studierenden ein Bedürfnis war, ihre Beete möglichst „sauber“  zu halten. Zum Abschluss jeder praktischen Arbeitsphase gab es aber eine Besprechung, in der alle gejäteten Unkräuter ebenso wie alle zufällig mit gefundenen und dann in Gläschen oder Tüten gesammelten Tiere besprochen wurden. Denn was man gut kennt, mit dem wird man sorgfältiger und vorsichtiger umgehen. „Natur erleben und verstehen“ war die Grundlage unserer Arbeit im Garten.

Unsere Erfahrungen sind in die von 1997-2001 vom Kallmeyer Verlag herausgegebenen Hefte „Gärten zum Leben und Lernen“ eingeflossen.

 Die Rückmeldungen, die ich zu dieser Veranstaltung von Studierenden bekam, waren durchweg positiv. Einige waren richtig begeistert und ich bin sicher , sie werden auch als Lehrerin oder Lehrer versucht haben, einen Schulgarten zu etablieren. Aber ich mache mir keine Illusionen,das sind doch verhältnismäßig wenige gewesen. Ob sie durch diese Arbeit wirklich andere Menschen geworden, sind wage ich nicht zu beurteilen. Immerhin könnte ich mir vorstellen, dass sie dabei eine etwas andere Einstellung zur Gartenbewirtschaftung und auch zur Landbewirtschaftung  insgesamt bekommen haben.

Ein Beispiel: Wenn der frisch gepflanzte Salat von einer großen Zahl Spanischer Wegschnecken  sofort weggefressen wird, gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten, dies zu verhindern: Man kann die Schnecken in Fallen fangen, man kann versuchen, ihnen den Zugang durch einen Schneckenzaun zu verwehren, man kann sie mit chemischen Mitteln (Schneckenkorn) bekämpfen und man kann sie absammeln. Ein Student hat auf seinem 1,5  m² großen Gartenstück in drei Wochen über 700 Schnecken abgesammelt, indem er sein Beet jeden Abend nach Sonnenuntergang aufsuchte. Die Belohnung waren gut gewachsene Pflanzen, aber war der Aufwand vertretbar? Und die nächste Frage: Was passiert mit den gesammelten Schnecken?

Angesichts solcher Erfahrungen erhält eine Diskussion über ökologischen bzw. biologischen Landbau deutlich mehr Substanz und Tiefe.

4. Die Erde als Garten

Ein Gärtner sorgt in seinem Garten für die angebauten Pflanzen, er pflegt sie so, dass sie wachsen und sich gesund entwickeln, schön blühen, eventuell auch Früchte tragen oder als Salat oder Gemüse geerntet werden können. Aus dieser pflegerischen Sorgfalt, die man bei einem liebevoll wirkenden Gärtner ebenso finden kann, wie bei einem Schäfer, dem „guten Hirten“, hat Gerhard Winkel ein pädagogisches oder didaktisches Prinzip entwickelt, das Prinzip des Pflegerischen. Winkel sieht darin eine Leitidee, die Menschen verschiedener Weltanschauungen, Ideologien und Religionen akzeptieren könnten, und die deshalb geeignet wäre – ja, man kann es ruhig so sagen – die Erde vor dem Untergang zu retten.

„Zehn Jahre lang waren mir diese Bedingungen klar, und ich suchte intensiv nach einer übergreifenden Leitidee, bis mir 1976 unter einer Eisenbahnbrücke eigentlich ohne jeden Anlass der Begriff des pflegerischen durch den Kopf schoss. … Wer überhaupt bereit war, sich auf das Problem gemeinsamen Handelns bei unterschiedlicher Weltanschauung einzulassen, konnte mit dieser Leitvorstellung etwas anfangen.“ In seinem Werk „Umwelt & Bildung“ hat sich Winkel ausführlich mit dem von ihm entwickelten „Prinzip des Pflegerischen“ auseinandergesetzt und erläutert, warum er es für ein zentrales Bildungsziel hält: „Das Pflegerische meint also immer Umfassendes, nämlich den pfleglichen Umgang mit den Pflanzen und Tieren, den Landschaften und Ökosystemen, den Rohstoffen und Vorräten, der individuellen Gesundheit, dem sozialen Zusammenleben und den Kulturgütern. Will man es mit anderen Begriffen ausdrücken, umfasst das Pflegerische die Solidarität mit allen Pflanzen, Tieren, Menschen und ihren jetzigen und zukünftigen Bedürfnissen.“

Ein Garten ist sicherlich ein gutes Modell, an dem sich das pflegerische Prinzip einüben und weiter entwickeln lässt. Aber: Ein Garten ist ein umfriedeter Raum, zunächst einmal abgeschirmt und getrennt von seiner Umgebung. In den ersten Oasengärten des Orients abgeschirmt gegen die feindliche Wüste, im Barockgarten abgeschirmt gegen die wilden Naturkräfte,  im Naturgarten abgeschirmt gegen die vom Menschen zerstörte Landschaft. Der Garten ist also eine Art Schutzgebiet, das allerdings nicht, wie die Wildnis-Naturschutzgebiete Nordamerikas, sich selbst überlassen bleibt, sondern gepflegt wird.

In unseren Naturschutzgebieten nennt man das „Biotoppflege“. Es wird beweidet, gemäht, entkusselt, auf den Stock gesetzt, aufgestaut, eventuell auch abgebrannt.

So gesehen ist der Naturschutz bei uns in Mitteleuropa in vielen Bereichen schon eine Art Gartenbau. Und das macht durchaus Sinn. In unserer reich strukturierten, langsam gewachsenen Kulturlandschaft können Pflegemaßnahmen vorindustrielle Kulturzustände erhalten und damit Arten-und Ökosystemvielfalt  fördern.Frau werden ich diese Schilderung wie viele in O wie Frau war ja immer schon so sehr an meine Oma will nun wieder in obwohl nur weil Frau und ich werde ich Ihnen nicht wie immer sie sich in+ Frau in langen Wellen der Mail mit der ich morgen mal du eine

 Der entscheidende Schritt scheint mir aber zu sein, die „Grenzen des Gartens“ aufzuheben. Der Garten, den es zu pflegen gilt, ist unser ganzer Planet. Es gibt keine Zäune mehr, außerhalb derer wir uns unserer Verantwortung entziehen können. Alle unsere Maßnahmen haben grenzenlose Auswirkungen. Die Sorgfaltspflicht endet nicht an der Grenze eines Naturgartens, eines  Naturschutzgebietes oder eines Biosphärenreservats. Die ganze Erde muss so fürsorglich betrachtet werden, wie unser Vorgarten, ja wie unser Wohnzimmer. Wir sind verantwortlich für den ganzen Bioplaneten. Hubert Markl formulierte dies bereits 1986 sehr schlüssig: „Alle Überwindung der Natur durch Kultur erhält ihren Sinn und ihre Rechtfertigung einzig und allein daraus, dass nur dies die Kultur, dass nur dies den Menschen selbst als Kulturwesen fortbestehen lässt. Der Kulturauftrag der Naturunterwerfung ist also aus sich heraus zugleich der Kulturauftrag zur Pflege der so unterworfenen Natur, genauer: zur Erhaltung ihrer Fähigkeit, Menschenkultur zu tragen und zu ertragen.“

So wie der Planet insgesamt immer mehr von menschlichem Wirken beeinflusst und verändert wird, steigt die Verantwortung des Menschen für seine Erde.

Dabei müssen ihm die beiden Eigenschaften helfen, die ihn von allen anderen Lebewesen unterscheiden, seine Intelligenz und seine Empathiefähigkeit. Erst diese Fähigkeit, sich in andere hinein versetzen zu können, nicht nur in andere Menschen, sondern auch in Tiere, vielleicht sogar in Pflanzen, lässt die Umwelt zur Mitwelt werden.

Winkel schreibt in seinem Buch „Umwelt und Bildung“(S.57): „Der Satz: Der Mensch braucht die Natur, aber die Natur braucht den Menschen nicht, ist schlicht falsch: Gerade in der jetzigen Situation unseres Planeten kann nur der Mensch gesund pflegen, was er krank gemacht hat“. Das ist insofern auch meine Meinung, als „die Natur“ den Menschen zwar nicht brauchte, bevor es ihn gab. Aber durch die besonderen Fähigkeiten dieser neuen Spezies, des Menschen, haben sich die Bedingungen geändert – fast vergleichbar mit der  Situation auf der Urerde, als die ersten Lebewesen entstanden sind. Die großen Möglichkeiten, die diese Spezies befähigen, massiv in den Naturhaushalt einzugreifen und Veränderungen zu bewirken betreffen zwar nur einen vernachlässigbaren Teil der ganzen Natur, des Kosmos, aber doch den ganzen Bioplaneten Erde. Noch gibt es auf der Erde relativ ursprüngliche Natur, die von Menschen direkt wenig beeinflusst wird. Dies gilt für Reste von Urwäldern ebenso, wie für Wüstengebiete, arktische und antarktische Gebiete und einige Hochgebirgsregionen. Aber es gibt keinen Fleck auf der Erde mehr, der nicht doch zumindest indirekt von der Art Homo sapiens beeinflusst wird – sei dies  durch die allgegenwärtigen Plastikabfälle oder auch „nur“ über die durch menschliche Aktivitäten bewirkten Klimaveränderung.  Viele dieser menschlichen Einflüsse haben für den Fortbestand eines auch für Menschen günstigen Planeten nachteilige Auswirkungen. Die kausalen Zusammenhänge werden immer deutlicher. Dies bedeutet aber auch, dass man daran etwas ändern kann. Wenn wir davon ausgehen, dass wir in unseren Entscheidungen frei sind, dann haben wir die Möglichkeit, auf die Zukunft dieses Planeten willentlich Einfluss zu nehmen.

 Die letzte Veranstaltung zum ökologischen Gartenbau habe ich im Sommersemester 2004 durchgeführt. Wie würde ich die Veranstaltung heute erweitern?  Es wäre mir wie damals wichtig, dass die Studierenden eigene Ideen entwickeln und umsetzen können. Dabei würde ich versuchen, dazu anzuregen, ökologische Gesichtspunkte bei allen Maßnahmen zu berücksichtigen. Unter „ökologisch“ verstehe ich eine rationale, möglichst viele Gesichtspunkte berücksichtigende Herangehensweise. Einmal soll nach Erklärungen für  alle auftretenden Effekte , insbesondere auch bei Misserfolgen, gesucht werden. Zum anderen sollen  bei allen  Maßnahmen zukünftige Folgen abgeschätzt werden. Dabei ist ein wichtiges Prinzip die Eingriffsminimierung.

Stärker noch, als ich dies früher getan habe – würde ich darauf hinarbeiten, dass der Garten als Modell für unseren Planeten gesehen werden kann. Und ich würde versuchen, Gartenarbeit, Arbeiten im „Freilandlabor“ und Exkursionen inhaltlich stärker miteinander zu verbinden.

Seit einigen Jahren breitet sich in den Großstädten –  nicht nur in Europa sondern auf allen Kontinenten –  eine neue Art der Gartenkultur aus. Diese „Stadtgartenkultur“ – urban gardening – hat nichts mit den gepflegten Grünanlagen der Grünämter zu tun, sie nennt sich auch Guerillagärtnerei, es begann mit dem heimlichen Bepflanzen öffentlicher Plätze und Anlagen, dem Verteilen von „Samenbomben“, der Pothole- (=Schlagloch) Gärtnerei. Mittlerweile wird über „Urban Gardening“ sogar in den Tagesthemen berichtet, der Prinzessinengarten in Berlin-Kreuzberg und seine Initiatoren Robert Shaw und Marco Clausen sind international bekannt.

 Urbane Gärten erschließen Räume in der Stadt, in denen die biologische ebenso wie die soziale Vielfalt gedeiht“ schreiben die Initiatoren des Prinzessinengartens.

Ähnliche Ansätze kann man auf dem im Zentrum Berlins gelegenen Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof beobachten. Ich hätte das auch für den Platz vorgeschlagen, auf dem der „Palast der Republik“ stand und auf dem jetzt das alte Stadtschloss als eine art Attrappe wieder entstehen soll (vgl. auf dieser Homepage den Artikel „Eine Pyramide für Berlin“).

  • Es gefällt mir, dass diese neuen Stadtgärten mit ihren Benutzern zusammen wachsen und weiterentwickelt werden,
  • es gefällt mir, dass auch Kinder und Jugendliche einbezogen werden,
  • es gefällt mir, dass die Gärten als Verbindungsglied und Schmelztiegel zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen genutzt werden,
  • es gefällt mir, dass diese Gärten einen starken mobilen Anteil haben, dass ihre Saaten und Pflanzkübel plötzlich an anderen Stellen der Stadt wachsen und keimen können.

Wenn ich jetzt noch einmal eine Gartenbauveranstaltung in Flensburg oder in einer anderen Stadt machen dürfte, dann würde ich versuchen, stärker in diesem Sinne zu wirken.

Kann man nicht hoffen, dass auf diesem Wege aus den sich immer weiter ausdehnenden urbanen Zentren der Erde heraus ein neues Grün entsteht, zwar keine unberührte Natur, keine Wildnis, aber doch in ihrer Spontanität und Unbestimmtheit durchaus wildnisähnliche Gärten, nicht nur ein ökologischer und ein ästhetischer Gewinn, sondern auch ein ökonomischer – gewissermaßen eine Subsistenzwirtschaft in der Großstadt, Permakultur in Londons City, Agroforestry in Manhattan, Traubenlese an rebenumrankten Wohnblockfassaden in Berlin- Marzahn?

Das Lernziel heißt: Die Erde ist unser Garten.

Die Stadt als Garten – die Gärten der Semiramis könnten ein Vorbild sein

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