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Moore

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Der Schutz und die Wiederherstellung von Mooren gilt schon seit langem als wichtige Naturschutzaufgabe. Dabei ging es zunächst in erster Linie um die schützenswerten Lebensgemeinschaften mit ganz besonderen, in der übrigen Landschaft seltenen oder fehlenden Arten. Erst durch die hohe Aktualität der Klimakrise rückte die Bedeutung der Moore als Kohlenstoffspeicher in den Vordergrund. Aber auch ihre Bedeutung für den Wasserhaushalt und den Stickstoffkreislauf befördert aktuelle Moorschutzmaßnahmen.

Feuchtbiotope

Unter Feuchtbiotopen versteht man Lebensraumtypen, die über einen längeren Zeitraum des Jahres bis zur Landoberfläche mit Wasser gesättigt sind. Weiter gefasst werden auch Seen und Fließgewässer und von Salzwasser bestimmte Lebensräume wie das Wattenmeer mit einbezogen. Obwohl solche Feuchtgebiete nur etwa 6 % der Erdoberfläche einnehmen, erbringen sie rund ein Viertel der Nettoprimärproduktion. Sie haben eine besondere Bedeutung als Grundwasserfilter, für Überschwemmungsschutz, in vielen Fällen als Kohlenstoffsenke und als Rast- und Überwindungsplätze für Wasser- und Watvögel.

Man unterscheidet zum Beispiel Moore, Brüche, Auwälder, Riede und Sümpfe. Für die Einteilung ist wichtig, ob Torfbildung stattfindet oder nicht und wie die Wasserversorgung des Gebietes erfolgt. Auch das Vorhandensein oder Fehlen von Bäumen und anderen Gehölzen spielt für die Unterscheidung eine wichtige Rolle.

Abb. 1 Überblick über die verschiedenen Feuchtbiotope in Mitteleuropa

Moore als Kohlenstoffspeicher

Für die Kohlenstoffspeicherung von besonderer Bedeutung sind Moore. Sie entstehen auf wasserdurchtränkten Böden, in denen wegen des Sauerstoffmangels die anfallenden Pflanzenreste nur sehr langsam zersetzt werden. Da die Produktion von organischer Substanz rascher erfolgt als ihr Abbau, kommt es zur Ablagerung von Torf. Dabei ist „Moor“ ein geografischer bzw. botanischer, „Torf“ ein mineralogisch-petrografischer Begriff. Bodenkundlich ist Torf definiert durch seinen hohen Glühverlust (bei 550 °C):Torf: 100-75 %, anmooriger Boden: 74-15 %, Mineralboden: unter 15 %.

Wenn Torfschichten eine Mächtigkeit von über 30 cm haben werden diese Gebiete als Moore bezeichnet, unabhängig davon, ob dort noch eine neue Torfbildung stattfindet oder nicht. Bei einer geringeren Torfschicht oder einem geringeren Torfanteil im Boden spricht man von „Anmoor“. Der Überbegriff für beide ist „organische Böden“. Im Gegensatz dazu haben mineralische Böden einen geringeren organischen (Humus-)Anteil und einen höheren Anteil aus verwittertem Gestein.

Beim Abbau der organischen Substanz unterscheidet man:

Verwesung durch aerobe Mikroorganismen: Völliger Abbau zu Kohlenstoffdioxid und Wasser sowie anorganische Mineralstoffe (Nitrate, Phosphate….).

Vermoderung: Unvollkommene Verwesung bei unzureichendem Sauerstoffzutritt.

Fäulnis: Vollzieht sich unter Sauerstoffabschluss; es bilden sich durch anaerobe Bakterien vor allem Methan und Schwefelwasserstoff, aber auch Ammoniak und Lachgas; Bildung von Faulschlamm, Mudde (Seesediment mit relativ hohem organischen Anteil).

Vertorfung beginnt bei behindertem Sauerstoffzutritt mit Vermoderung, später folgt unter Luftabschluss eine sehr langsame Fäulnis. Schnell zersetzen sich die Zellinhalte aus Proteinen, Zuckern und Stärke. Langsamer werden die Stoffe der Zellwände abgebaut, zuerst Pektine und Hemizellulosen, dann die Zellulose zuletzt der Holzstoff Lignin. Sehr schwer zersetzen sich außerdem Fette, Harze,Wachse, Kutin und Sporopollenin. Pollenkörner und Sporen bleiben in Torf deshalb sehr gut erhalten. Durch ihre Funde in gut datierbaren Torfschichten kann man deshalb auf die Vegetation früherer Zeiten schließen (Pollendiagramme).

Abb. 2 Torfbildung (nach Chris Paine: Carbon cycling)

Für die Eigenschaften des Torfes (Struktur, Anteil an Mineralstoffen, Huminstoffen, pH-Wert, Wassergehalt) ist die Pflanzengemeinschaft wichtig, aus deren Ablagerungen er entstanden ist. Immer handelt es sich dabei um Pflanzengemeinschaften feuchter Standorte.

Die Anhäufung von organischem Material in aktiven Mooren ist standortabhängig. Aus Messungen ergibt sich ein Torfwachstum von 1± 0,8mm im Jahr. Die großen Unterschiede kommen durch die unterschiedliche torfbildende Vegetation und die klimatischen Bedingungen zustande.

Abb. 3 Organische Böden aus verschiedenen Vegetationstypen (Niedermoor, in Anlehnung an Overbeck 1975 schon)

In jedem Fall wird der Atmosphäre solange Kohlenstoff entzogen, solange mehr Torf gebildet als abgebaut wird. Moore gelten daher als Kohlenstoffsenken. Für die langfristige Kohlenstoffakkumulation unterschiedlicher Torfarten hat man Werte zwischen 0,15 und 1,3  t C ha-1 a-1 ermittelt (Tepel 2007/08). Das unterscheidet Moore von Wäldern, deren Senkenwirkung mit dem Erreichen des Klimaxstadiums beendet ist, da sich dann Einlagerung und Abgabe die Waage halten. Aber auch  trockengelegte, kultivierte oder anderweitig genutzte Moore können von Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoffquellen werden, da ihr Kohlenstoffspeicher durch aerobe oder anaerobe Zersetzungsvorgänge abgebaut wird. Bei aerobem Abbau wird Kohlenstoffdioxid, bei anaerobem Methan freigesetzt. In ausgetrockneten Mooren wird dies in den oberen Schichten jedoch schnell zu CO2 oxidiert (Abb. 4). Durch Vernässung kann die Torfbildung wieder in Gang gebracht und damit die Wirkung als Kohlenstoffsenke wiederhergestellt werden.

Abb.4  Moore als Kohlenstoffsenken und -quellen

Etwa 3 % der Landfläche der Erde sind von Mooren oder Anmooren bedeckt. Das entspricht einer Fläche von 4 Millionen km². Die größten Moorflächen finden sich in Kanada, Alaska, Nordeuropa und Sibirien, aber auch in tropischen Waldgebieten von Südostasien, im Amazonasbecken und im Kongo-Regenwald wurden große Torfflächen nachgewiesen (Page/Rieley/Wüst 2006, Dargie et al. 2017). In Mitteleuropa sind ursprünglich etwa 5 % der Landfläche von Mooren bedeckt. Sie sind alle nach der Eiszeit beginnend vor etwa 15.000 Jahren entstanden und zwar in den von Gletschern überformten Gebieten Norddeutschlands und am Alpenrand. Einige Moore gibt es auch in den Mittelgebirgsräumen, beispielsweise im Hohen Venn und im Schwarzwald.

Tab.1 Aufteilung der Landfläche auf der Erde (2019) (nach Jäger 2020)

 Fläche in106 km2Anteil an der Landfläche in %
gesamte Landfläche149 
landwirtschaftlich genutzte Fläche5134
Wälder3926
Gletscher, Wüsten u.Ä.4329
Busch128
Siedlungen1,51
Seen, Flüsse1,51
  in den genannten Flächen enthalten:  
Moore und Anmoore (organische Böden).ca.43
Tab.1 Aufteilung der Landfläche auf der Erde (2019) (nach Jäger 2020)

Global ist die Menge an organisch gebundenen Kohlenstoff in den Böden ungefähr dreimal so groß wie die Kohlenstoffmenge in allen Lebewesen zusammen und doppelt so groß wie der Kohlenstoffgehalt der Atmosphäre.

SystemKohlenstoffvorrat (in Gt)
Böden insgesamt1500
Moorbödenca.500
Landpflanzen560
Atmosphäre750
Ozeane38.000
Marines Plankton3
Tab. 2 Kohlenstoffvorräte in Gigatonnen für unterschiedliche Systemkompartimente des Kohlenstoffkreislaufs (nach Trepel 2007/08). Dank des mittlerweile (2022) auf 416 Vol ppm angestiegenen CO2-Gehalts der Atmosphär beträgt der Kohlenstoffvorrat derzeit ca. 850 Gt.

Nach einer Datenauswertung von Yu et al. von 2010 zeigt sich, dass die Kohlenstoffspeicherung nach der letzten Kaltzeit in den Mooren der Nordhemisphäre am höchsten war, wobei höchste Akkumulation im frühen Holozän lag. Deutlich weniger Kohlenstoff wurde in tropischen Moorgebieten vor allem vor 4000-8000 Jahren akkumuliert, während die Moore der Südhemisphäre – vor allem in Patagonien gelegen – vor allem während einer  Wärmeperiode vor 15-20.000 Jahren Torfschichten aufgebaut haben

RegionFläche (km2)C-Speicher(Gt)durchschnittliche C-Speicherung
(gCm-2a-1) seit der letzten Vereisung
Nordhemisphäre4 000 000547 (473-621)18,6
Tropen368 00050(44-55).12,8
Südhemisphäre45 00015 (13-18)22,0
Tab. 3 Überblick über die Moorflächen der Erde und ihre Kohlenstoffspeicherung (nach Yu et al. 2010)
 Fläche in haGespeicherte Kohlenstoff in G t
Organische Böden in der EU31 000 00017
Organische Böden in Deutschland1 823 922mindestens 1,3
Tab. 4 Organische Böden in Europa und ihre Kohlenstoffspeicherung (nach Jäger 2020)

Für die Klimaerwärmung spielt vor allem die Vernichtung von Kohlenstoffvorräten in den Moorböden weltweit eine wichtige Rolle. Torfbrände in Südostasien haben zum Beispiel in den letzten Jahrzehnten den stärksten Anstieg der CO2-Emissionen in der Atmosphäre bewirkt (Page et al 2002, Rieley et al. 2006 nach Trepel 2007/08). In Deutschland spielt vor allem die landwirtschaftliche Nutzung von Moorböden eine entscheidende Rolle für die Freisetzung von Kohlenstoffdioxid.

Bereiche in Mt CO2– Äquivalente pro Jahr
aus allen Bereichen in Deutschlandca. 900
aus Landwirtschaft (ohne die Herstellung synthetischer Düngemittel)103,5
aus organischen Böden, die als Acker und Grünland genutzt werden38
Tab. 5 Treibhausgasemissionen in Deutschland (nach Jäger 2020)

Moortypen und ihre Entstehung

Je nach Umweltbedingungen entstehen unterschiedliche Moortypen. Sie unterscheiden sich vor allem darin, woher das Wasser kommt, welche Salze im Wasser gelöst sind und welche Pflanzenarten deshalb dort gedeihen können. So werden die regenwasserabhängigen Hochmoore oder Regenmoore den Niedermooren gegenübergestellt, die ihren Wasservorrat aus dem Grundwasser oder aus Oberflächengewässern erhalten. Regenwasser ist sehr mineralstoffarm. Der Mineralstoffgehalt der Gewässer, die Niedermoore speisen, kann sehr unterschiedlich sein. Nach der Herkunft des Wassers kann man sehr verschiedene Niedermoortypen unterscheiden.

Niedermoore (Wasserversorgung durch Oberflächenabfluss und Grundwasser)

  • Verlandungsmoore
  • Versumpfungsmoore
  • Überrieselungsmoore, Durchströmungsmoore
  • Quellmoore
  • Flussüberflutungsmoore

Niedermoore können je nach Nährmineralien und Kalkgehalt zahlreiche seltene Pflanzenarten beherbergen, zum Beispiel Seggen-Arten und Orchideen.

Hochmoore (Wasserversorgung nur durch die Niederschläge)

  • allmählich aus mineralstoffarmem Niedermoor (über Verlandung oder Versumpfung)
  • direkt (Wurzelechtes Hochmoor) auf feuchtem, nährmineralarmen Böden
Abb. 5 Moortypen

Hochmoore

Aufbau und Hochmoortypen

Abb. 6 Aufbau eines mitteleuropäischen Hochmoors

Das Aussehen und der Aufbau der Regenmoore verändert sich von dem sehr atlantischen Klima des äußersten Westeuropas zum kontinentalen Klima Osteuropas. Die Deckenmoore Schottlands und Irlands haben sich aus ursprünglich bewaldeten Gebieten durch menschlichen Einfluss, insbesondere durch Beweidung, an waldfreien Standorten entwickeln können.

Abb. 7 Aussehen der Regenmoore in unterschiedlichen Klimabereichen Europas

Nach Norden schließt an die Zone der echten Hochmoore die Zone der Aapamoore an. Sie sind im kalt gemäßigten Klima zirkumpolar verbreitet und bestehen aus hangparallel verlaufenden Wällen und Senken. Die Wälle haben Hochmoorcharakter (ombrotroph), die Senken Niedermoorcharakter (minerotroph). Noch weiter nach Norden, nördlich der Baumgrenze, folgt die Zone der Palsenmoore, deren hügelartige Strukturen an mehrjähriges Bodeneis gebunden sind. Noch weiter nach Norden folgen auf durchgehend gefrorenen Permafrostböden Polygonmoore, deren polygonartige Strukturen durch Frosttrockniss entstanden sind, als nach einer längeren Feuchtperiode im Atlantikum (7270-3710 v. Chr.) das Klima kälter wurde. Dieser Moortyp ist typisch für Nordostsibirien und er ist besonders vom Klimawandel bedroht (POLYGON, Uni Greifswald 2011-2014).

Abb.8 Nördliche Moore

Torfmoose und Hochmoorwachstum

Torfmoose (Gattung Sphagnum) können aufgrund ihres anatomischen Baus das 20 bis 30 fache ihres Trockengewichtes an Wasser aufnehmen und speichern. Außerdem gestattet ihnen ein besonderer Ionenaustauschmechanismus selbst aus extrem nährmineralarmen Wasser die wenigen enthaltenen Kationen im Austausch gegen H+– Ionen herauszufangen. Dies bewirkt eine sehr starke Ansäuerung des Wassers (bis zu pH 3 (Dierßen u. Dierßen 2008) und damit eine weitgehende Ausschaltung von Konkurrenten. Als  Ionenaustauscher wirken dabei vor allem bestimmte Substanzen in der Zellwand. Ob die so herausgefangenen Ionen tatsächlich der Mineralstoffzufuhr der Sphagnum-Pflanze dienen, ist allerdings fraglich.. Möglicherweise ist entscheidend, dass auf diese Weise für die Sphagnumzellen giftige Calcium- und Aluminiumionen aus dem aufsteigenden Wasser entfernt werden.

Abb. 9 Morphologie der Torfmoose (Sphagum magellanicum)

Abb. 10 Räumliche Darstellung eines Sphagnum-Blättchens mit toten Hyalocyten ( Wasserspeicherzellen) und lebenden Chlorocyten

Die Torfmoospolster und – decken wachsen immer höher über den Grundwasserspiegel hinaus und in dem abgestorbenen Moostorf hält sich das Regenwasser wie in einem Schwamm. So können bis zu 5 m über das Relief emporgewölbte Torfschilde entstehen, aus denen am Rand ständig  saures, nährsalzarmes Wasser abfließt und sich über das Randgehänge in dem sogenannten Randsumpf („Lagg“) ansammelt. Dieser Randsumpf ist dadurch etwas mineralstoffreicher als die Moorhochfläche.

Dabei wächst die Torfmoosdecke nicht gleichmäßig in die Höhe. Man unterscheidet zwischen höheren Bulten und tieferen Schlenken. In den Schlenken ist der Zuwachs am stärksten, dadurch werden aus Schlenken mit der Zeit Bulte und umgekehrt.

Abb. 11 Bult-Schenken-Komplex (Abbildung aus Probst, W. 1978)

In vielen Veröffentlichungen wird angegeben, dass das Torfwachstum in Mitteleuropa etwa 10 cm pro 100 Jahre beträgt. Die größten Torfmächtigkeiten, die man erbohrt hat, liegen um 10 m. Dies würde einer Entstehung unmittelbar nach dem Ende der Eiszeit entsprechen. Allerdings sind die Wachstumsraten – wie schon oben ausgeführt – stark von den jeweiligen Umweltbedingungen abhängig. Außerdem kann man davon ausgehen, dass sich das Hochmoorwachstum mit zunehmender Höhe verlangsamt, da sich der schwerkraftbedingte Wasserabfluss verstärkt und außerdem Zersetzungsvorgänge in den tieferen Schichten und zunehmender Druck der darüberliegenden Schichten zu einem Zusammensacken führen.

In dem obersten halben Meter eines Hochmoores lässt sich ein Torfbildungshorizont (Akrotelm, von lat. telma = Moor) von einem Torfablagerungshorizont (Katotelm) unterscheiden. In einer obersten etwa 2-5 cm dicken Schicht des Akrotelms sind die Torfmoose photosynthetisch aktiv (euphotische Zone). An der Untergrenze dieser Schicht beträgt die Lichtintensität noch etwa 1 % des Oberflächenwertes. In der anschließenden aphotischen Zone, einer 10-50 cm dicken Schicht, sind die Torfmoose weitgehend abgestorben.  Sie ist noch von lebenden Wurzeln der Gefäßpflanzen durchzogen. Abgestorbene Pflanzenteile werden von Bakterien und vor allem von Pilzen aerob abgebaut. Der Stickstoffgehalt ist hier noch niedriger als in der Oberflächenschicht (C/N bis 75 gegenüber C/N  50 in der Wachstumszone der Torfmoose, Dierßen und Dierßen 2008).

Unterhalb der aphotischen, noch sauerstoffhaltigen Zone folgt das Katotelm, beginnend mit einer Verdichtungszone von  2-15 cm Mächtigkeit. Die Pflanzenreste sind hier schon stärker zersetzt und werden durch das aufliegende Gewicht verdichtet. Darunter folgt ein mehr oder weniger ausgedehntes Torflager. Wegen der starken Verdichtung ist es nur wenig wasserdurchlässig. Der im Wasser enthaltene Sauerstoff ist deshalb schnell verbraucht und die weiteren Zersetzungsvorgänge werden nun von Anaerobiern übernommen, wobei vor allem Methan gebildet wird .

Abb. 12 Hochmoorschichtung
Abb. 13 Sumpf-Torfmoos (Sphagnum palustre). Der Übergang von der euphotischen in die aphotische ist gut an der Farbänderung zu erkennen.

Aus der weiteren Schichtenfolge lässt sich die Entstehungsgeschichte des Moores ableiten. In der Abbildung ist die Schichtenfolge in einem Verlandungs-Hochmoor dargestellt.

Abb. 14 Schichtenfolge in einem Verlandungs-Hochmoor

Das Torfmoos-Mikrobiom und mögliche symbiotische Beziehung

Die Erforschung des Mikrobioms der Sphagnumpflanzen ist noch in ihren Anfängen und erst durch neueste Möglichkeiten der Genomsequenzierung (next generation sequencing) wurden Fortschritte erzielt. Zunächst ging es um den Nachweis der verschiedenen beteiligten Mikrobionten. In den Sphagnumpflanzen befinden sie sich vor allem in den wasserspeichernden Hyalocyten, in den lebenden Chlorocyten konnten nur wenige Bakterien nachgewiesen werden. Man kann die Hyalocyten geradezu als kleine Kulturgefäße für Mikroben ansehen, von denen die Moose profitieren. Wie Untersuchungen an lebenden Sphagnumköpfchen zeigten, enthalten sie vor allem Proteobakterien und Acidobakterien. Cyanobakterien und Archäen spielen kaum eine Rolle (Kostka et al. 2016).

Untersuchungen zur Funktion des Mikrobioms ergaben eine besondere Bedeutung  methanotropher Proteobakterien, die gleichzeitig azidotroph sind, also N2 assimilieren. Dies könnte erklären, warum die Stickstoffspeicherung in Sphagnummooren in Gebieten mit sehr geringen Konzentrationen von Stickstoffverbindungen in der Luft deutlich höher ist als der daraus zu erwartende Stickstoffgehalt. Das Futter für die methanotrophen Bakterien liefert das in tieferen Moorschichten von methanogenen Bakterien und Archäen produzierte Methan. Der Sauerstoff wird auch von den Photosynthese betreibenden Sphagnumköpfchen bereitgestellt. Durch Isotopmarkierung konnte nachgewiesen werden, dass sich der Luftstickstoff tatsächlich in Proteinverbindungen der Sphagnen wieder finden lässt (Vile et al. 2014). Dorthin könnte er durch direkte Abgabe von Stickstoffverbindungen (zum Beispiel Ammonium) durch die methanotrophen Bakterien oder über die Freisetzung von Stickstoffverbindungen aus abgestorbenen Bakterien gelangt sein. Auch Konsumenten der Bakterien könnten die Sphagnen über ihre Ausscheidungen düngen.

Abb.15 Mögliche Stoffumsätze in der obersten Torfmoosschicht. Zwischen Sphagnen und methanotrophen Proteobakterien besteht eine symbiotische Beziehung.
Abb. 16 Beziehungen zwischen Sphagnum und methanotrophen Proteobakterien

Es wäre denkbar, dass ein erhöhter Eintrag von Stickstoffverbindungen aus der Luft zu einer Verringerung der N2 Assimilation führen würde. Dies könnte wiederum die Methanabgabe der Moore beeinflussen (erhöhen) (Vile et al. 2014).

Pflanzen und Tiere

Auf wachsenden Hochmoorflächen kommen nur wenige Gefäßpflanzenarten vor. Neben dem Scheidigen Wollgras (Eriophorum vaginatum, vgl. Titelbild) sind dies die Heidekrautgewächse Moosbeere (Vaccinium oxycoccus) und Rosmarinheide (Andromeda polyfolia) sowie der insektenfressende Rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia). An trockeneren Bereichen können sich als weitere Heidekrautgewächse Gewöhnliche Glockenheide (Erica vulgaris) und Besenheide (Calluna vulgaris) ansiedeln, im Randbereich auch Heidelbeeren (Vaccinium myrtyllus), Preiselbeeren (Vaccinium vitis-idaea) und Rauschbeeren (Vacciinium uliginosum), in von atlantischem Klima geprägten Bereichen Norddeutschlands auch der Gagelstrauch (Myrica gale) und die Krähenbeere (Empetrum nigrum), in Bereichen mit etwas kontinentalerem Klima Nordostdeutschlands der in Deutschland sehr selten gewordene Sumpf-Porst (Rhododendron tomentosum, Syn.:Ledum palustre). Weitere Hochmoorpflanzen sind In feuchteren Bereichen das Weiße Schnabelried (Rhynchospoa alba), Schmalblättriges Wollgras (Eriophorum angustifolium) und weitere Zypergrasgewächse.

Abb. 17 Beispiele für Gefäßpflanzen des Hochmoors

Auch die Fauna der Hochmoore besteht vorwiegend aus Spezialisten. Für Fische ist das Wasser zu sauer, wegen des Calciummangels fehlen Schnecken, Muscheln und Krebse. Typische Hochmoor-Insekten sind zum Beispiel die Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeschna subarctica) und der Hochmoor-Perlmutterfalter (Boloria aquilonaris), dessen Raupe sich von Moosbeeren ernährt. Unter den Wirbeltieren sind vor allem der Moorfrosch und die Kreuzotter – oft in ihrer schwarzen Variante – zu nennen Regelmäßig in Hochmooren anzutreffende Vögel sind zum Beispiel Großer Brachvogel, Goldregenpfeifer, Kranich, Birkhuhn, Sumpfohreule, Krick – und Knäkente.

Tropische Moore

Torfbildung findet vor allem in kühleren Klimaregionen statt, wo der Abbau organischer Substanz insgesamt langsamer verläuft. Aber es gibt auch Torfgebiete unter tropischen Sumpfwäldern, zum Beispiel im Amazonasgebiet, im Kongobecken und in Indonesien. Voraussetzung sind hohe Niederschläge – deutlich über 2000mm im Jahr – welche die Evaporation übersteigen.

Die großen Torflagerstätten in der zentralen Senke des Kongobeckens, der sogenannten Cuvette Centrale, wurden erst vor wenigen Jahren entdeckt und vermessen. Die Torfschichten sind zwischen 2,4 und 5,9 m dick (Dargie et al. 2022). Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Torflager immer unter bestimmten Waldgesellschaften auftreten, deren Ausdehnung sie mithilfe von Satellitenbildern auf 145.000 km² berechnen konnten. Das sind knapp 10 % des gesamten Kongobeckens. Nach Berechnungen der Forscher könnten in diesem Torflager 30,6 Milliarden t Kohlenstoff gespeichert sein.

Die Fläche der Moorgebiete in Südostasien wird auf 230.000 km² geschätzt (Page, Riley, Wüst 2006). Sie sind stark bedroht durch Brandrodung und Umwandlung in Agrarflächen. In unberührten Zustand haben diese Moore einen niedrigen pH-Wert (3-4) und niedrige Nährmineraliengehalte. Der Gehalt an organischem Kohlenstoff übertrifft 50 %, während der Stickstoffgehalt bei 2 % liegt. Im Gegensatz zu nördlichen Hochmooren ist der Ligningehalt des Torfes hoch und der Zellulosegehalt relativ niedrig. Dies hängt damit zusammen, dass die Vegetation dieser tropischen Moore vor allem aus Gehölzen besteht. Ihre Kohlenstoffspeicherung wird auf 50-70 Gigatonnen geschätzt, der jährliche Zuwachs ist unter günstigen Bedingungen drei bis viermal so hoch wie bei nördlichen Regenwassermooren.

Mensch und Moor

Brennstoff

. In Irland, Finnland und Schweden gibt es bis heute Stromkraftwerke, die mit Torf betrieben werden. Früher wurden die in Ziegelform gebrachten Torfbriketts an der Luft getrocknet, bevor sie als Brennmaterial genutzt werden konnten. In manchen Mooren wurden die Flächen kleinparzellig aufgeteilt, und die einzelnen Parzellen wurden von unterschiedlichen Landwirten zur Brennstoffgewinnung genutzt. Aus den kleinen Torfstichen solcher Moore ist – bei mäßiger Entwässerung – eine Regeneration möglich.

Abb. 18 Besitzverhältnisse im Jardelunder Moor bei Flensburg (Katasterplankarte 1:5000, Stand 1978)

Braunkohle und Steinkohle sind fossile Torfe.

Gartenbau

Heute dient der Torfabbau vor allem der Gewinnung von Pflanzensubstrat in der Gärtnerei, für Presstöpfe zur Sämlingsanzucht und für Wurzelballen der meisten im Handel angebotenen Pflanzen, sowie für die meisten käuflichen Blumenerden. Im Gegensatz zum Brennmaterial ist zu diesem Zweck Weißtorf besonders gut geeignet. Es handelt sich um ein sehr einheitliches Substrat mit ausgezeichneter Wasseraufnahmefähigkeit und der Fähigkeit zur Mineralstoffspeicherung. Sein niedriger pH-Wert kann durch Kalkung bis über den Neutralpunkt hinaus verändert werden. So können mit diesem Grundsubstrat sehr unterschiedliche Pflanzsubstrate hergestellt werden.

2018 wurden in Deutschland etwa 3,7 Millionen m³ Torf abgebaut – von 2002-2009 waren es nach Auskunft der Bundesregierung noch durchschnittlich 8,2 Millionen m³ pro Jahr – und rund 4,1 Millionen m³ importiert, vor allem aus dem Baltikum. Allerdings wurden in Deutschland seit den 1980er Jahren keine intakten Moore mehr für den Abbau freigegeben, sondern nur noch  Gebiete, die vorher landwirtschaftlich genutzt wurden. Die zu entnehmenden Torfmengen werden genau vorgegeben und es besteht eine Renaturierungspflicht für die Abbauer (Bundesinformationszentrum Landwirtschaft 2020).

Ein völliger Verzicht von Torf im Erwerbsgartenbau wäre prinzipiell möglich aber sehr aufwendig, denn alle Ersatzsubstrate haben keine so guten und einheitlichen Eigenschaften wie Hochmoortorf. Infrage kommen Grünkompost, Rindenhumus Holzfasern. Kokosfasern, Blähton oder Perlit (Amberger-Ochsenbauer, Meinken 2020).

Medizin

Für Medizin und Körperpflege spielen Moorbäder und Moor-(Fango) packungen (von lat. fango = Schlamm, Schlick) eine wichtige Rolle. Der dickflüssige Brei aus Schwarztorf wird mit Temperaturen von 38-40° verwendet. Neben der Wärme sollen vor allem die im Torf enthaltenen Huminsäuren nicht nur die Haut weich machen und die Durchblutung fördern, sondern auch eine günstige Wirkung auf das endokrine System ausüben.

Filtermaterial

In der Aquaristik und in der Teichwirtschaft wird Torf als Filtermaterial zur Herabsetzung des pH-Wertes und der Carbonathärte verwendet. Außerdem sollen die Fulvosäuren im Schwarztorf die Schleimhäute der Fische vor bakteriellen Infektionen schützen. Durch Torffilterung kann man das Aquarienwasser den Verhältnissen in tropischen Schwarzwasserflüssen annähern, aus denen viele Zierfische stammen. Als natürlicher Ionenaustauscher kommt Torf auch in der chemischen Industrie zum Einsatz. Aus Torf lässt sich auch Aktivkohle zur Filterung herstellen, die vor allem in Chemielabors zum Einsatz kommt.

Weitere Nutzungen

Torffasern eignet sich zur Herstellung von Isolationsmaterial, sie lassen sich zu leichten und warmen Textilien und Unterlagen verarbeiten. Bis heute dienen Torffasern als natürlicher Füllstoff für Matratzen, Bettdecken und Kissen.

Vor allem im Pferdeställen wurde Torf als Einstreu genutzt.

 Moorkultivierung

Die großen Moorflächen vor allem in Norddeutschland aber auch im süddeutschen Alpenvorland waren lange Zeit landwirtschaftlich nicht zu nutzen. Um die Ernährung der wachsenden Bevölkerung sicherzustellen, wurden deshalb immer wieder Versuche unternommen solche Moorflächen für die landwirtschaftliche Produktion nutzbar zu machen.

Die sogenannte Fehnkultur (von niederländisch Veen = Moor) wurde in den Niederlanden entwickelt aber schon im 17. Jahrhundert auch in Nordwestdeutschland angewandt. Dabei wurden zunächst tiefe Entwässerungskanäle angelegt, durch die der gestochene Torf mit Schiffen abtransportiert werden konnte. Auf dem Rückweg wurde von den Schiffen dann Schlick mitgebracht und vor allem mit dem Weißtorf vermischt. Beidseitig der Kanäle entstanden nach und nach typische Fehnsiedlungen.

 Vor allem Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland verschiedene weitere Arten der Moorkultivierug entwickelt. Dabei spielten Entwässerung, Abtorfen, Brennen, Tiefpflügen zur Vermischung mit dem mineralischen Untergrund und Kalkdüngung eine wichtige Rolle. Oft wurde die schwierige Bearbeitung der Torfböden durch neue Siedler geleistet, die aus ihrer Heimat durch Not oder Verfolgung vertrieben worden waren.

Alle Kultivierungsmaßnahmen führten dazu, dass die Torfneubildung und -ablagerung gestoppt wurde und dadurch aus der Kohlenstoffsenke durch anaeroben Abbau der Torfschichten eine Kohlenstoffquelle wurde.

Paludikultur

Eine neue Form der Moornutzung ist die „Paludikultur„. Kulturpflanzen sind hier die Torfmoose, die großflächig unter Hochmoorbedingungen kultiviert werden. Die Torfmoosernte soll den Torfabbau ersetzen. Dadurch wird die Kohlenstofffreisetzung der üblichen Moorkultivierung verhindert und eine ökonomisch tragbare Alternative aufgezeigt. Nasskulturen können außer auf Hochmoorstandorten auch auf Nieder- und Zwischenmooren und anderen kohlenstoffspeichernden Feuchtgebieten entwickelt werden. Die produzierte Biomasse aus Schilf, Binsen, Sauergräsern und anderen Feuchtpflanzen könnte als Material für unterschiedliche Baustoffe verwendet werden (Wichtmann, Schröder, Joosten, 2016).

Möglichkeiten des Moorschutzes

Nach Dierßen und Dierßen (2008) gibt es im Prinzip drei Möglichkeiten des Schutzes:

  1. Bewahren eines derzeitigen Zustandes bzw. zulassen einer natürlichen Sukzession ohne Eingriffe
  2. Pflegen eines aktuellen wünschenswerten Zustandes
  3. Entwickeln eines Zustandes, der den jetzigen Zustand verbessert, durch geplante Pflege und Steuerungseingriffe (Restitution)

Die erste Vorgehensweise bietet sich an, wenn der derzeitigen Zustand sehr gut ist und sich durch Eingriffe kaum verbessern lässt oder wenn man erwarten kann, dass eine natürliche Sukzession zu einem wünschenswerten Zustand führt. Ein intaktes Hochmoor mit funktionierendem Bult-Schlenken-Komplex sollte vor Eingriffen abgeschirmt werden. Aber auch ein teilweise abgetorftes Hochmoor, bei dem sich in Torfstichen gute Sukzessionen mit Torfmoosen entwickeln, kann man am besten sich selber überlassen.

In vielen Fällen kann man erkennen, dass ein derzeitiger guter Zustand dabei ist, sich zu verschlechtern. So können noch vorhandene Bult-Schlenken-Komplexe bei zunehmender Austrocknung immer stärker von Besenheide besiedelt werden und ihr Wachstum einstellen. In diesem Fall könnten Maßnahmen gegen die Entwässerung und Austrocknung den besseren Zustand erhalten. Auch das starke Aufkommen von Baumwuchs, vor allem von Birken, ebenfalls im Zusammenhang mit Austrocknung aber auch mit Nährmineraleintrag, kann durch Entfernen des Birkenaufwuchses gebremst werden. In jedem Fall ist bei allen Maßnahmen eine gründliche Analyse der Wirkungszusammenhänge Voraussetzung für einen Erfolg.

Besonders schwierig ist die Restitution, im Hinblick auf Hochmoore also die Entwicklung relativ nährmineralreicher und von menschlichen Aktivitäten stark beeinflusster Flächen zurück zu nährmineralarmen, vom Regenwasser abhängigen Torfmoosflächen. Dies liegt vor allem daran, dass sich in der von Landwirtschaft, Siedlungen und Verkehr geprägten mitteleuropäischen Kulturlandschaft Düngemitteleintrag und Entwässerung kaum vermeiden lassen.

Abb. 19 Wiedervernässte Fläche im Wurzacher Ried

Moore im Biologieunterricht

Mögliche Unterrichtsthemen

Vom Gletschersee zum Hochmoor – ein Beispiel für nacheiszeitliche Landschaftsentwicklung

Für einige mitteleuropäische Moore ist die Entwicklung vom Eisstausee am Ende der letzten Kaltzeit bis zum Hochmoor gut dokumentiert. Diese zeitliche Entwicklung lässt sich bei einer Reise in den Untergrund nachvollziehen.

Abb. 20 Mit den verschiedenen Sedimentschichten eines Moores kann man in die Vergangenheit reisen

Speicher, Senken, Quellen? – Wie Moore sich auf die Treibhausgase der Atmosphäre auswirken  

Der aus wenig zersetzen pflanzlichen Abfallstoffen bestehende Torf ist ein Kohlenstoffspeicher. Aber ob solche in Mooren gebundene Torfschichten Senken oder Quellen für Treibhausgase sind, hängt von den aktuellen Bedingungen ab. Für den Schutz und die Restitution von Mooren sind die Kenntnisse dieser Zusammenhänge eine wichtige Voraussetzung.

Vom Moos zur Landschaft – Morphologie und Physiologie der Torfmoose als Voraussetzung für die Hochmoorbildung erkennen

Die mikroskopische Untersuchung von Torfmoosen lässt erkennen, welche morphologischen Voraussetzungen ihrer ausgezeichneten Wasserspeicherfähigkeit zugrunde liegen. Wasserspeicherung, kapillare Wasserleitung und durch Torfmoose bedingte Veränderung des Elektrolytgehalts lassen sich experimentell untersuchen. Aus den Ergebnissen erklärt sich die Bedeutung der Torfmoose für die Hochmoorbildung.

Abb. 21 Mikroskopische Untersuchungen an Torfmoosen lassen die morphologischen Grundlagen ihrer Wasserspeicherfähigkeit erkennen (aus Probst 1987)
Abb. 22 Wasserspeicherfähigkeit von Torfmoosen (aus Probst 1987)

Die Ionenaustauschfähigkeit von Torfmoosen kann man nachweisen, indem man die Moose Wasser mit Elektrolytgehalt aussetzt. Das zu prüfende Moospolster – etwa zwei Hand voll – wird in einem Küchensieb mehrfach mit destilliertem Wasser ausgespült und ausgedrückt, dann werden vier gewichtsgleiche Teil des Polsters zu etwa 100 g, feucht, in 3 Bechergläser mit je 200 ml unterschiedlicher Salzlösungen und einem Becherglas mit 200ml destilliertem Wasser verteilt (wie in Abb. 21 dargestellt). In jedem Ansatz wird nach 10, 20 und 40 Minuten der pH-Wert bestimmt. Die Blindprobe mit destilliertem Wasser zeigt keine Veränderung des pH-Wertes, die Probe mit der 0,01 N Calciumschloridlösung zeigt die stärkste Ansäuerung, da die Ansäuerung in gewissen Grenzen der Menge der angebotenen Kationen proportional ist und dass durch zweiwertige Calciumionen mehr H+-Ionen freigesetzt werden können als durch einwertige Kaliumionen.

Abb. 23 Versuch zur Ionenaustauschfähigkeit von Torfmoosen (aus Probst 1987)

Torfmooskultur – eine Alternative zum Torfabbau?

Zur Jahrtausendwende wurden jährlich 25 Millionen m³ Torf im Gartenbau genutzt; die auf einer Fläche von 800 km² gewonnen wurden. Wäre die gezielte Kultur und Ernte von Torfmoosen eine umweltfreundliche Alternative? Wenn man annimmt, dass damit 2500 kg Torfmoos -Trockenmasse pro Hektar und Jahr gewonnen werden könnten, würde hierzu eine Fläche von 15.000 km² benötigt, die so nicht zur Verfügung steht. Könnte die Paludikultur trotzdem ein sinnvoller und klimaschonender Zweig der Landwirtschaft werden?

Moosbeeren und Sonnentau – Nischenbildung am Extremstandort Hochmoor

Für Gefäßpflanzen sind Hochmoore ein sehr extremer Standort. Nur wenigen Arten ist es gelungen, eine ökologische Nische aufzubauen, die zu diesen Biotop passt. Der insektenfressende Rundblätterige Sonnentau und die Gewöhnliche Moosbeere, ein immergrüner, niederliegend fadenförmige wachsender Zwergstrauch, sind Beispiele für unterschiedliche Nischenbildung am selben Standort.

Schmetterlinge im Hochmoor: Hochmoor-Perlmutterfalter, Hochmoor-Gelbling und Hochmoor-Bläuling

Die drei Schmetterlingsarten sind eng an Hochmoore gebunden. Wie andere Arten gelten sie als Eiszeitrelikte, die nach der Erwärmung in den Hochmooren eine letzte Zuflucht gefunden haben. Die Raupe des Hochmoor-Perlmutterfalters ernährt sich nur von den Blättern der Moosbeere, während die beiden anderen Arten auch Heidelbeeren, Preiselbeeren und Rauschbeeren als Futterpflanzen annehmen. Die Falter sind auf nektarreiche Blüten der umgebenden Vegetation angewiesen. Die Ursachen für die Gefährdung dieser Arten werden analysiert.

https://niedersachsen.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten/schmetterlinge/hochmoorperlmutterfalter/index.html

Moore als Archive der Natur- und Kulturgeschichte

Moore besitzen besondere konservierende Eigenschaften, die vor allem dem Sauerstoffmangel und dem niedrigen pH-Wert zu verdanken sind. So können in Mooren eingelagerte Werkzeuge, Waffen oder Schmuck ebenso Jahrtausende überdauer, wie Siedlungsstrukturen und Reste von Pflanzen und Tieren (und Menschen!). Dies gilt auch für Mikrostrukturen wie Pollen und Sporen, mit deren Hilfe man die nacheiszeitliche Vegetationsgeschichte rekonstruieren konnte (Pollenanalyse).

https://www.researchgate.net/profile/Andreas-Bauerochse/publication/282755633_Moore_als_Archive_der_Natur-_und_Kulturgeschichte_-_das_Arbeitsgebiet_der_Moorarchaologie/links/574426d108ae9ace841b496e/Moore-als-Archive-der-Natur-und-Kulturgeschichte-das-Arbeitsgebiet-der-Moorarchaeologie.pdf?origin=publication_detail

Kompetenzen

Tab. 6 Kompetenzen, die mit dem Unterrichtsthema Moore angestrebt werden können

Quellen

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Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (2020): Torf: unersetzlich oder verzichtbar? https://www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/umwelt/torf-unersetzlich-oder-verzichtbar

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https://www.moorwissen.de/moore-in-deutschland.html

Botanischer Spaziergang am 10.7.2021 um den Drumlin Heidengestäud bei Raderach

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Titelbild: Zwerg-Hollunder, Attich (Sambucus ebulus) (Foto A. Winter)

Zur Einführung

Der Spazierweg  entspricht weitgehend der Route des letzten Jahres. In dem Protokoll vom letzten Jahr findet sich auch eine Beschreibung der Drumlin-Entstehung und ein Hinweis auf die Gebäudereste auf dem Gipfel des Hügels, die möglicherweise auf eine keltische Fliehburg zurückzuführen sind. Der Exkursionsteilnehmer und Hobbyarchäologe Rudolf Lang meint allerdings, die Reste stammten aller Wahrscheinlichkeit nach aus einer späteren Zeit und wären im Zusammenhang mit dem aufgegebenen Ort Tepfenhausen zu sehen. Der Name tritt heute noch als Gemarkungsbezeichnung in der topographischen Karte auf. Bevor wir losgehen, weise ich darauf hin, dass bei Raderach am Ende des letzten Weltkrieges ein Motorenprüfstand für die V 2-Raketen eingerichtet wurde. In diesem Zusammenhang wurden KZ Häftlinge aus Dachau als Zwangsarbeiter hierher verlegt und in einem Barackenlager unterhalb von Raderach untergebracht.

Wiese und Wegrand

Die Wiese rechts des Weges war letztes Jahr gerade zum zweiten Mal gemäht, dieses Jahr wurde sie noch gar nicht gemäht. Das vorherrschende Wiesengras, der Glatthafer, hat schon gelbe Halme, sodass die ganze Wiese ein bisschen wie ein reifes Getreidefeld aussieht. Dazwischen sieht man aber noch eine ganze Menge blühender Pflanzen und um die soll es im ersten Teil unserer Exkursion gehen. Die Teilnehmenden sammeln Wiesenblumensträuße und die verschiedenen Pflanzen werden dann auf einem Leintuch sortiert und beschriftet. Erstaunlicherweise finden sich auf der Wiese auch die typischen Getreidefeld-Pflanzen Klatsch-Mohn und Kornblume. Besonders auffällig sind die weißen Dolden von Wiesen-Bärenklau und Wilder Möhre. Vor allem die Blüten des Wiesen-Bärenklaus werden sehr gerne von verschiedenen Insekten besucht, die das offen liegende Nektarangebot schätzen, zum Beispiel Fliegen und Käfer. Wir können allerdings nur sehr wenige Tiere beobachtenund werten das als ein Indiz für den starken Rückgang der Insekten. Die Wilde Möhre ist die Stammpflanze von Möhre bzw. Mohrrübe bzw. Gelber Rübe bzw. Karotte.

Pflanzen von Wiese und Wegrand (Foto A.Winter)

Artenliste der Pflanzen von Wiese und Wegrand (zusammengestellt von Anastasia Winter)

  • Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas)
  • Kornblume (Cyanus segetum)
  • Stumpfblättriger Ampfer (Rumex obtusifolius)
  • Gewöhnlicher Rainkohl (Lapsana communis)
  • Echte Nelkenwurz (Geum urbanum)
  • Kleinköpfiger Pippau (Crepis capillaris)
  • Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium)
  • Wilde Möhre; Gelbe Rübe (Daucus carota subsp. carota)
  • Raue Gänsedistel (Sonchus asper)
  • Rote Lichtnelke (Silene dioica)
  • Zickzack-Klee; Mittlerer Klee (Trifolium medium)
  • Weiß-Klee (Trifolium repens)
  • Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea)
  • Einjähriges Berufkraut; Feinstrahl (Erigeron annuus)
  • Wald-Ziest (Stachys sylvatica)
  • Geruchlose Kamille (Tripleurospermum inodorum)
  • Kleinblütiges Springkraut (Impatiens parviflora)
  • Kleine Braunelle (Prunella vulgaris)
  • Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum)
  • Weiße Taubnessel (Lamium album)
  • Gewöhnlicher Dost, Oregano (Origanum vulgare)
  • Blutweiderich (Lythrum salicaria)
  • Glatthafer (Arrhenaterum elatius)
  • Wiesen-Lieschgras (Phleum pratense)
  • Wolliges Honiggras (Holcus lanatus)
  • Fieder-Zwenke (Brachypodium pinnatum)

Silphienfeld

Die neue Kulturpflanze Silphium perforatum (Verwachsenblättrige oder Durchwachsenblättrige Silphie, Becherpflanze) aus der Familie der Korbblütler wächst hier schon im vierten Jahr ohne neue Aussaat. Im Gegensatz zu Mais können diese Pflanzen bis zu zehn Jahre aus dem gleichen Stock wachsen und immer wieder geerntet werden. Ihre Biomasseproduktion ist durchaus mit Mais vergleichbar und deshalb können die Pflanzen – ähnliche wie Mais – zur Gewinnung von Silofutter oder für die Biogasproduktion eingesetzt werden. Dadurch, dass die Felder nicht brach fallen und umgebrochen werden, wird die Erosion verringert. Auf Herbizide kann ebenfalls verzichtet werden und bisher sind die Pflanzen auch nicht sehr anfällig für Parasiten. Die Pflanze ist auch relativ trockenresistent, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass das Wasser; das in den Bechern am Blattgrund gesammelt wird, direkt aufgenommen werden kann.

Landwirte, die Silphien anbauen, erhalten eine Subvention, sie dürfen jedoch keine Pestizide einsetzen. Die Blütenstände enthalten viel Nektar und werden sehr gerne von Bienen besucht. Teilnehmer* innen berichten, dass Silphien-Honig auch schon in Oberteurings Hofläden angeboten wird. Wir können am Rand eines entfernteren Silphienfeldes einige Bienenkästen entdecken.

Pflanzliches Mimikry

Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium) (Foto A. Winter)

Die Nesselblättrige Glockenblume ähnelt in ihrem Habitus – solange die Blüten noch nicht zu sehen – sind sehr stark einem Brennnesselspross, weil ihre Blätter wirklich den Brennnesselblättern sehr ähnlich sind. Solches Brennnessel-Mimikry kennt man auch von einer ganzen Reihe anderer Pflanzenarten, zum Beispiel Taubnesseln, Hohlzahn-Arten und Wald-Ziest. Inwieweit diese Pflanzen damit tatsächlich erreichen, dass sie von Weidegängern weniger gefressen werden, ist meines Wissens bisher nicht genauer untersucht worden.

Johanniskraut

Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum) (Foto K. u. F. Rostan)

Zu Johanni, dem christlichen „Mitsommerfest“ am 24. Juni, an welchem Johannes des Täufers gedacht wird, blüht auch das Echte Johanniskraut.(Hypericum perforatum), wegen der scheinbar durchlöcherte Blätter – gegen das Licht sieht man Öltröpfchen in den Blättern als helle Punkte – auch Tüpfel- Johanniskraut genannt. Die Pflanze wurde früher auch als „Herrgottsblut“ bezeichnet, da beim Drücken noch geschlossener Blütenknospen ein dunkelroter Flüssigkeitstropfen sichtbar wird. Dieses „Blut“ verdankt seine Farbe dem Hypericin, einem Antrachinon-Farbstof mit medizinischer Wirkung.

Strukturformel des Antrachinon-Farbstoffs Hypericin (aus Wikipedia)

Vermutet wird, dass die antidepressive Wirkung darauf zurückgeht, dass die Wiederaufnahme der Neurotransmitter Dopamin und Serotonin gehemmt wird und diese deshalb in den Synapsen länger in höherer Konzentration vorliegen. Dafür sind neben dem Hypericin vermutlich auch noch andere Inhaltsstoffe des Johanniskrauts verantwortlich. Eine Nebenwirkung des Farbstoffmoleküls ist, dass es die Fotosensibilität des Körpers erhöht. Nach äußerlicher Anwendung kann es bei Sonneneinwirkung zur Bildung von Blasen kommen. In der Leber fördert Hypericin den Abbau verschiedener Stoffe, auch von Arzneimitteln, unter anderem von Gestagenen der Antibabypillen, deren Wirkung dadurch gemindert wird. Da sich Hypericin vor allem in Zellen krebsartiger Gewebe sammelt, kann es zur Fluoreszenzdiagnose von Krebszellen eingesetzt werden (Wikipedia).

Die ebenfalls beobachtete antivirale Eigenschaft von Johanniskrautauszügen geht vermutlich darauf zurück, dass das Hypericin bei Belichtung Sauerstoffradikale bildet, welche die Viren angreifen.

Echtes Mädesüß (Filipendula ulmaria)

Ende Juni Anfang Juni blüht nicht nur das Johanniskraut sondern auch das Mädesüß (Filipendula ulmaria). Dieses Rosengewächs mit seinen weißen Blütenrispen wächst auf feuchten Wiesen, bevorzugt entlang von Gräben aber auch an quelligen Stellen, wie hier an der Wegböschung. Der Name geht vermutlich darauf zurück, dass die süßlich duftenden Blüten früher zu automatisieren von Wein und Met verwendet wurden („Metsüße“ ). Eine andere Deutung ist „Mahdsüße“, denn nach dem Abmähen verströmen die Pflanzen einen süßlichen Duft (Wikipedia).

 Wir graben ein Stück Rhizom (unterirdischer Wurzelspross) aus. Wenn man den erdigen Geruch abzieht, kann man deutlich einen Duft wahrnehmen, der an Zahnpasta oder gewisse Kaugummisorten erinnert. Er geht auf den Inhaltsstoff Salicylsäure-Methylester zurück. Der Stoff kommt auch in anderen Pflanzen vor, zum Beispiel im Wintergrün. Unter dem Namen „Wintergrünöl“ wird er als Mittel gegen rheumatische Beschwerden aber auch als Badezusatz ich angeboten, ebenso findet er in Kaugummis und Krauttabak (Snus) Verwendung. Wegen seiner antiseptischen Wirkung wird der Stoff auch in Zahnarztpraxen eingesetzt.

Salicylsäure ist ein Stoff, der in vielen Pflanzen gefunden wird. Lange bekannt ist sein Vorkommen in der Rinde von Weiden (Gattung „Salix“). Der Stoff wirkt nicht nur als Fraßschutz sondern auch als pflanzliches Pheromon (von Pflanze zu Pflanze übertragener Signalstoff). Der Acetylsäureester der Salicylsäure, Acetylsalicylsäure, ist besonders bekannt unter dem Firmennamen Aspirin. Diese Bezeichnung wurde aus Acetylsalicylsäure und dem alten wissenschaftlichen Namen des Mädesüß Spiraea filipendula zusammengesetzt.

Blattminen

Als Blattminen bezeichnet man die Larvengänge von bestimmten Insektenarten (Kleinschmetterlinge, Kafer, Fliegen) in Blättern. Die Larevn fressen das Blattgewebe, lassen aber obere und untere Blattepidermis stehen. Es gibt flächig entwickelte Platzminen und Gangminen, die mit der Larvengröße an Breite zunehmen – wie bei dem von uns beobachteten Fall derMinierfliege Phytomyza horticola in Blättern der Rauen Gänsedistel.

Gangmine der Mücke Phytomyza horticola in Blatt der Rauen Gänsedistel (Foto A. Winter)

Gallen der Ahorn-Gallwespe

Als wir die Bergeshöhe erreicht haben, biegen wir zunächst noch nicht links ab, sondern gehen einige Schritte weiter, um den freien Blick auf dem Gehrenberg und das Hepbach-Leimbacher Ried zu genießen. Ein vom Sturm umgebogen der junger Berg-Ahorn-Baum hat an einigen seiner Blätter eigenartige Auswüchse.

Gallen der Ahorn-Gallwespe (Pediaspis aceris) mit Inquilinen (Foto A. Winter)

Diese Gallen oder Cecidien sind pflanzliche Bildungen, die von anderen Organismen ausgelöst werden. Häufig sind dies Insekten, aber auch Milben und Pilze können für die Bildung von Pflanzengallen verantwortlich sein. Dabei sind diese Organismen nur die Impulsgeber. Die Gallen werden ganz alleine von den Pflanzen gebildet und bestehen aus Pflanzenzellen.

Die Weibchen der Ahorn-Gallwespe (Pediaspis aceris) legen im Frühjahr Eier an die Blattunterseiten oder Blattstiele von Ahorn-Arten. In der Folge bilden sich kugelige Gallen, aus denen im Juli männliche und weibliche Wespen schlüpfen (geschlechtliche Generation). Nach der Paarung legen die Weibchen Eier an Berg-Ahorn-Wurzeln, die zu ihrer Entwicklung in Wurzelgallen zwei Jahre benötigen. Aus ihnen schlüpfen wieder Weibchen, die sich ohne Befruchtung fortpflanzen (parthenogenetische Generation).

Die von uns beobachten Gallen zeigen eine eigenartig unregelmäßige Form. Das kommt daher, dass sie von Inquilinen – Untermietern – befallen wurden. In diesem Fall handelt es sich um Erzwespen der Art Dichatomus acerinus. Durch diesen Befall wird das Gewebe der Galle zu weiterem Wachstum angeregt. Mit einiger Mühe schneiden wir eine der Gallen auf. Es zeigt sich, dass sie sehr hart – richtiggehend verholzt – ist, und viele Kammern enthält, in denen winzige Larven zu erkennen sind. Vermutlich haben die Gallwespen bereits die Galle verlassen und es handelt sich um die Larven der Erzwespe.

Blick auf das Hepbach-Leimbacher Ried und den Gehrenberg

Nach diesem Blick ins Detail gehen wir noch einige Schritte weiter und haben dann einen sehr schönen Ausblick auf das Naturschutzgebiet Hepbach-Leimbacher Ried und den die Gehrenberg. In dem breiten Tal verläuft am Ende der Eiszeit eine Schmelzwasserrinne, in der teilweise Seen aufgestaut wurden. Daraus entwickelte sich das heute unter Naturschutz stehende Ried. Der 752 m hohen Gehrenberg hat deutlich andere Dimensionen als die Drumlins. Er besteht zum großen Teil nicht aus eiszeitlichen Ablagerungen sondern aus Süßwassermolasse, einem Sedimentgestein des Tertiärs.“Er ist durch Erosion während der letzten Vereisung entstanden. Nach der vorletzten Vereisung haben sich in tiefer gelegenen Gebieten Schotter abgelagert, die durch kalkhaltiges Wasser verfestigt wurden. Dieser harte eiszeitliche Nagelfluh bot bei der letzten Vereisung einen erhöhten Widerstand gegen Erosion und so kam es zur Reliefumkehr: frühere Täler wurden zu Bergen“ (Exkursionsprotokoll von 2020).

Als ornithologische Besonderheit macht uns Hans-Jürgen Walliser auf den gut hörbaren fötenden Gesang eines Pirols aufmerksam.

Hochstauden am Wegesrand

Besonders auffällig ist der große Bestand des Zwerg-Hollunders (Sambucus ebulus, auch Pferde- Hollunder oder Attich), der gerade in voller Blüte steht. Im Aussehen ähnelt die Pflanze durchaus anderen Hollunder-Arten, auch die später sich bildenden schwarzen Beeren sehen sehr ähnlich aus wie die des Schwarzen Hollunders. Allerdings handelt es sich im Gegensatz zu Schwarzem Hollunder und Trauben-Hollunder um eine krautige Pflanze, deren Sprosse im Herbst absterben und jedes Jahr neu aus dem unterirdischen Rhizom austreiben. Außerdem hat der Zwerg-Hollunder einen ausgesprochen unangenehmen Geruch – und das zu Recht, denn die ganze Pflanze ist giftig und der Verzehr der Beeren kann zu heftigen Vergiftungserscheinungen führen (Übelkeit, Erbrechen Durchfall).

Nach Wikipedia wurde der Zwerg-Hollunder bereits im Altertum und später auch im Mittelalter Mittel zum Abführen schädlicher Körpersäfte eingesetzt und sogar als Gegengift bei Schlangenbissen verwendet.

Artenliste

  • Zwerg-Hollunder (Sambucus ebulus)
  • Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium)
  • Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense)
  • Lanzett- Kratzdistel (Cirsium vulgare)
  • Kohl-Kratzdistel (Cirsium oleraceum)
  • Schmalblättriges Weidenröschen (Epilobium angustifolium)
  • Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)
  • Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium)
  • Große Brennnessel (Urtica dioica)
  • Kanadische Goldrute (Solidago canadensis)
  • Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris)
  • Gewöhnlicher Wasserdost  (Eupatorium cannabinum)
  • Rasen-Schmiele (Deschampsia caespitosa)
  • Riesen-Schachtelhalm (Equisetum maximum)
  • Blutweiderich (Lythrum salicaria)

Bergab durch den Buchenwald

In dem ganzen Wald auf dem Drumlin Heidengestäud haben die Unwetter der vergangenen Wochen erhebliche Schäden angerichtet. Vor allem Nadelbäume (Fichten) waren betroffen, aber hier sehen wir eine große Buche, die praktisch längs gespalten wurde. Die eine Hälfte steht noch.

Nachdem die eingeschleppte Pflanze (Neophyt) Drüsiges Springkraut uns schon auf unserem ganzen Weg begleitet hat, sehen wir hier nun auch die einzige einheimische Springkraut-Art, das Große Springkraut (Impatiens noli-tangere), eine ausgesprochene Schattenpflanze. Im Gegensatz zu dem ebenfalls hier am Wegrand stehenden Kleinen Springkraut (Impatiens parvifloa) blüht es noch nicht. Das Kleine Springkraut ist – wie die beiden anderen Arten – eine einjährige Pflanze. Es ist ursprünglich in Zentralasien vom Altai bis zum Hindukusch verbreitet und wurde ebenfalls nach Mitteleuropa eingeschleppt.

Springkräuter sind mit über 1000 Arten die wichtigste Gattung der Balsaminengewächse. Außer in Australien sind sie weltweit verbreitet mit der größten Artenvielfalt in tropisch-subtropischen Gebirgen. Die bekannte Zimmerpflanze „Fleißiges Lieschen“ ist ein Springkraut (Impatiens walleriana).

Eine weitere häufige Pflanze an schattigen Waldwegen ist das Große Hexenkraut (Circaea lutetiana), das im Gegensatz zu den beiden anderen Hexenkraut-Arten keine herzförmigen Blätter hat. Charakteristisch sind die kleinen, traubig angeordneten Klettfrüchte.

Großes Hexenkraut (Circaea lutetiana). Deutlich erkennbar sind die Guttationstropfen in den Winkeln der Blattzähne. (Foto K. u, F. Rostan)

Waldsaum mit Berberitzen

Bevor wir unseren Rundgang weiter Richtung Süden fortsetzen, folgen wir dem asphaltierten Weg ein Stück Richtung Norden am Waldrand entlang. An dieser Waldseite ist eine sehr schöner, dichter Waldsaum aus Sträuchern ausgebildet. Solcher dichter Waldrandbewuchs kann den Wald bei Unwettern vor zu starken Sturmschäden schützen. Der Hauptgrund für unseren Abstecher ist das Vorkommen von Berberitzen-Sträuchern (Berberis vulgaris). Die Gewöhnliche Berberitze, wegen ihrer sauer schmeckend Früchte auch Sauerdorn oder Essigbeere genannt, ist in Europa und Asien weit verbreitet.

Berberitze (Berberis vulgaris) mit unreifen Früchten (Foto A. Winter)

Als Zwischenwirt des Getreide-Schwarzrostes, eines gefährlichen Getreideparasiten, wurden zeitweilig versucht, dieser Pilzkrankheit durch Ausrottung der Berberitzen Herr zu werden (was aber misslang).

Ich habe auf der Exkursion fälschlicherweise erzählt, dass auch die als Superfood bekannten Goji-Beeren von Berberitzen stammen würden. Das ist falsch, Goji-Beeren sind die Früchte des Bocksdorns (Gattung Lycium), die allerdings sehr ähnlich aussehen wie Berberitzen-Früchte. Aber auch Berberitzen werden im Iran und im vorderen Orient vor allem als Zutat zu Reisgerichten und Fleischspeisen geschätzt. Bei uns kann man sie vor allem getrocknet kaufen.

Artenliste

  • Gewöhnliche Berberitze (Berberis vulgaris)
  • Blutroter Hartriegel (Cornus sanguineus)
  • Gewöhnlicher Schneeball (Viburnum opulus)
  • Gewöhnliche Waldrebe (Clematis vitalba)
  • Rote Heckenkirsche (Lonicera xylosteum)
  • Faulbaum (Frangula alnus)
  • Hunds-Rose (Rosa canina)
  • Weißdorn (Crataegus spec.)

Rückweg

Zu den beiden nordamerikanischen Baumarten Rot-Eiche (Quercus rubra) und Douglasié (Pseudotsuga menziesii) finden sich ausführlichere Angaben in dem letztjährigen Exkursions-Protokoll.

Weil der Waldweg einen relativ matschigen Eindruck macht folgen wir – anders als im letzten Jahr – dem kleinen Sträßchen am Waldrand entlang. Dabei fällt uns besonders ein gelb blühender Korbblütler auf, den ich zunächst für das Gewöhnliche Habichtskraut (Hieracium lachenalii) halte. Flora incognita schlägt das Gewöhnliche Bitterkraut, auch Habichtskraut-Bitterkraut genannt (Picris hieracioides) vor, und das erweist sich als richtig. Die Pflanze kann man ganz gut an den deutlich abstehenden Hüllblättern des Blütenköpfchens und den tatsächlich sehr bitteren Geschmack erkennen.

Gewöhnliches Bitterkraut (Picris hieracioides) (Fotos K. u. F. Rostan, W. Probst)

Am Waldrand kurz vor unserem Parkplatz ist vor einer kleinen Ruhebank ein Zierpflanzenbeet angelegt worden. Dort fallen vor allem Taglilien (Hemerocallis) mit ihren großen, leuchtend orangen Blüten auf. Dazwischen blühen Färber-Hundskamillen (Anthemis tinctoria). Auch eine Yucca (Yucca filamantosa) hat ihre Blüten gerade entfaltet. Vermutlich nicht angepflanzt blühen dazwischen zahlreiche Sprosse des Echten Seifenkrautes (Saponaria officinalis).

Exkursionsangebot für die PH Weingarten im Sommersemester 2021

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Liebe Exkursionteilnehmer*innen,

auf dieser Seite findet ihr alle wichtigen Informationen zum Exkursionsangebot im Rahmen der Veranstaltung „Regionale außerschulische Lernorte Oberschwabens“.

In der folgenden Übersicht haben wir die geplanten Exkursionsorte und -zeiten angegeben. Sollten einige Teilnehmer*innen auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sein, müssen wir die Exkursionsziele eventuell ändern. Dies werden wir auf der ersten Veranstaltung in Oberteuringen klären.

Ausrüstung: Außer einer exkursionsgerechten Kleidung

  • Schreibzeug und Notizbuch
  • Mobiltelefon mit Fotofunktion,
  • Botanikerlupe und Fernglas
  • Behälter (Stofftasche oder Plastikbeutel; kleine Sammelbehälter ) zum Unterbringen von Sammlungsstücken
  • eventuell eine Sitzunterlage für Pausen im Gelände

Studienleistungen: Portfolio zu den Exkursionen, in dem zu jeder Exkursion mindestens zwei Objekte, Themen, Aktivitäten … beschrieben und kommentiert werden. Bei den Objekten können auch Scans oder Fotos verwendet werden, sodass auch ein digitales Portfolio möglich ist.

Artenkenntnis : Wichtiges Ziel der Exkursionen ist die Verbesserung der Artenkenntnis. Deshalb werden auf jeder Exkursion von zwei Teilnehmenden alle angesprochenen Arten notiert. Sie werden anschließend auf dieser Homepage veröffentlicht.

Kommentare und Fragen sind erwünscht, während den Exkursionen, als Kommentar auf dieser Seite oder per E-Mail. Wenn sie Pflanzen- oder Tierarten betreffen, ist ein beigefügtes Foto hilfreich.

Die erste Veranstaltung findet am 8. Mai in Oberteuringen statt. Von Weingarten/Ravensburg aus ist der Ort über die B 33 (Richtung Meersburg) zu erreichen. Außerdem gibt es eine Busverbindung von Ravensburg nach Oberteuringen, die ihr unter folgender URL finden könnt:

https://www.rome2rio.com/de/map/Ravensburg/Oberteuringen

https://www.rome2rio.com/de/map/Oberteuringen/Ravensburg

Auf die Exkursionen freuen sich Sabrina Brendle und Wilfried Probst.

Übersicht über die Exkursionsorte und -termine

Exkursionsorte, geändert am 8.5.2021
ZeitTreffpunktThemen
8.5.21 13.30-17.30hOberteuringen, Franz-Roth-PlatzBaumgeschichten; Bestimmungsschlüssel; Suchen und Finden; Kletterpflanzen; Wiese
15.5.21 10.00-14.00  Weingarten, FreibadNatur wahrnehmen und erleben
29.5.21 13.30-17.30hOberteuringen, NSG Altweiherwiese*Landschaftsgeschichte; Gräser; Zeigerwerte von Pflanzen; Saumbiotope; Biber
12.6.21 10.00-1400h    Völlkofen, GrillhütteWildkräuter und ihre Verwendung
3.7.21 13.30-17.30hWilhelmsdorf, NaturschutzzentrumInsekten, Landschaftsgeschichte:Hoch- und Niedermoor
24.7.21 18.30-22.30hWilhelmsdorf, NaturschutzzentrumFledermäuse
* geändert am 8.5.2021

8. Mai 2021 Oberteuringen

Anfahrt zum Treffpunkt in Oberteuringen, Franz-Roth-Platz

1. Von Ravensburg auf der B 33 Richtung Meersburg bis Oberteuringen, Ortsteil Hefigkofen und weiter bis Ortsteil Neuhaus.

2. In Neuhaus an der ersten Kreuzung  links in die Teuringer Straße abbiegen.

3. Der Straße bis zum Ortsschild „Oberteuringen“und bis zur 30iger Zone folgen, dann erste Abzweigung  links zum Parkplatz  „Franz-Roth-Platz“ abbiegen.

Vorlagen: Google maps

Oberteuringen

Foto W.Probst

Oberteuringen  ist ein Beispiel für die lange Besiedelungsgeschichte Oberschwabens und des Bodenseegebietes. Die älteste Urkunde, welche die Existenz der Siedlung Teuringen belegt, stammt aus dem Jahre 752. Dabei handelt es sich um einen Beleg für die Schenkung Teuringens und einiger anderer Siedlungen an das Kloster St. Gallen. Eine solche lange Geschichte ist durchaus charakteristisch für Ortschaften deren Namen mit – ingen endet. Dabei handelt es sich um alemannische Siedlungen die vermutlich im fünften und sechsten Jahrhundert gegründet wurden und mit denen die intensivere landwirtschaftliche Bewirtschaftung Oberschwabens begann. Diese lange Siedlungsgeschichte war landschaftsprägend. Rund um die vielen kleinen Ortschaften, Weiler und Einzelhöfe ist eine reich strukturierte Landschaft entstanden. Große zusammenhängende Waldgebiete sind selten, auch die landwirtschaftlichen Flächen sind meist kleiner strukturiert. Erst die Industrialisierung in jüngerer und jüngster Zeit hat viele Ortschaften durch Gewerbegebiete und neue Wohngebiete sehr anwachsen lassen. Das gilt auch für Oberteuringen, das mittlerweile über 5000 Einwohner zählt und gerade neue Bebauungspläne aufstellt.

Ein Grund dafür, dass der erste außerschulische Lernort  unserer Exkursionen ein solcher aus biologischer Sicht eher durchschnittlich erscheinender Ort Oberschwabens ist und nicht ein spektakuläres Naturschutzgebiet wie der Federsee oder das Wurzacher Ried, liegt daran, dass wir zeigen wollen, dass ergiebige außerschulische Lernorte eigentlich überall zu finden sind, ein zweiter, dass ich seit 14 Jahren in Oberteuringen wohne.

Literatur: Sanktjohanser, G. K. -Hrsg. (2002): Obeteuringen – Ein Streifzug durch die Jahrhunderte. Gemeinde Oberteuringen

Rotach bei Oberteuringen (Foto W. Probst)

Oberteuringen liegt an der Rotach, etwa in der Mitte ihres knapp 40 km langen Laufes über etwa 225 Höhenmeter vom Pfrunger-Burgweiler Ried bis zum Bodensee bei Friedrichhafen. Nach Argen und Schussen ist die Rotach der dritte größere Zulauf in den nordöstlichen Bodensee. Dieser kleine Fluss macht in Oberteuringen einen durchaus naturnahen Eindruck, der aber vor allem Renaturierungsmaßnahmen zu verdanken ist. Ursprünglich standen an der Rotach 22 Mahl- und Sägemühlen, die Oberteuringer Mühle beherbergt mittlerweile das Teuringer Kulturzentrum. Das Betreiben dieser Mühlen erforderte viele wasserbauliche Maßnahmen mit Stauwehren und Kanälen, die den natürlichen Bachlauf stark veränderten.

Gefälle der Rotach (aus Wikipedia)

Besondere Bäume am Sankt Martinsplatz

Der heutige Kirchenbau Sankt Martinus stammt aus der Zeit 1516/1517, der Ort war aber schon lange vorher der Standplatz einer christlichen Kirche. 1846 erhielt der Kirchturm seine heutige weithin sichtbare, über 60 m hohe Spitze. Der Platz zwischen Kirche und Rathaus, der Sankt Martinsplatz, ist das Zentrum Oberteuringens.

Unser Interesse galt vier besonderen Baumarten am Sankt Martinsplatz. Jeweils eine Gruppe beschäftigte sich kurze Zeit mit einer der Arten und versuchte, sie in einer möglichst kurzen Form eindeutig zu charakterisieren. Zwei „ahnungslose“ hielten sich während dessen außer Sichtweite auf. Dann versammelten sich alle vor dem Rathaus und die Gruppen charakterisierten ihren Baum. Alle vier Bäume wurden – es war zugegebenermaßen nicht sehr schwierig – sofort erkannt.

Gewöhnlicher Trompetenbaum (Catalpa bignonioides)

Trompetenbaum am 8.5.2021, Foto A.Winter
Trompeebaum im Juni, Foto W. Probst

Weitere Namen: Zigarrenbaum, Bohnenbaum; der Name ist aus der Sprache der Cherokee übernommen und bedeutet „Bohnenbaum“.

Heimat: Südosten der Vereinigten Staaten, vor allem in Auwäldern und an Flussufern, 1726 durch den englischen Naturforscher Mark Catesby (1683-1749) von Carolina nach Europa gebracht.

Der Baum kann 15-18 m hoch werden. Alte Trompetenbäume bilden Absenkeräste, die einwurzeln (auf der Insel Mainau zu sehen!) und damit der Ausbreitung dienen.

Die herzförmigen bis schwach gelappten, glattrandig Blätter treiben erst sehr spät aus. Beim Zerreiben riechen sie unangenehm. In letzter Zeit kommt es in Deutschland zur Auswilderung, was vermutlich mit der Klimaerwärmung zusammenhängt.

Das Verbreitungsgebiet von Catalpa deckt sich etwa mit dem ursprünglichen Siedlungsgebiet Chirokee und vier weiterer Indianerstämme, die wegen ihrer Anpassung an die Lebensweise der Kolonisten auch als die „ Fünf zivilisierten Nationen“ bezeichnet wurden. Sequoyah (1763-1843), Sohn einer Cherokee-Indianerin und eines europäischen Händlers erfand die Cherokee Schrift, die heute noch für die Cherokee-Sprache verwendet wird. Der Mammutbaum Sequoia sempervirens wurde nach ihm benannt. Der Vertrag von New Echota von 1835 führte zur Vertreibung der Cherokee aus dem südöstlichen Waldland in Carolina und Georgia in ein karges Territorium im Staate Oklahoma. Bei dieser gewaltsamen Umsiedlung, die als „Trail of Tears“ in die Geschichte eingegangen ist, kamen vermutlich um die 8000 der Deportierten ums Leben (teilweise nach Wikipedia).

Purpur-Magnolie (Magnolia liliiflora)

Purpur-Magnolie – Magnolia liliiflora, 8.5.2021,Foto A. Winter

Heimat: China (Prov. Yunnan und Hubei); als Zierbaum in China weit verbreitet.

Das Gehölz ist meistens fast von der Basis an verzweigt und erreicht etwa 5m Wuchshöhe. Die Krone ist meist breit, Stamm und Äste sind oft unregelmäßig gekrümmt. Die Zweige sind hellgrau bis braun und nicht behaart. Auch an dickeren Stämmen bleibt die graue Rinde glatt.

Die Magnolien (Magnolia) sind eine Pflanzengattung der Familie der Magnoliengewächse mit über 200 Arten in Ostasien und Nordamerika. Ihren Namen gab ihr Linné zu Ehren des französischen Botanikers Pierre Magnol (1638–1715). Einige Magnolien haben sind beliebte Ziergehölze vor allem die Stern-Magnolie und die Tulpen-Magnolie, ein Hybrid aus Magnolia denudata und Magnolia liliiflora.

Magnolien sind sehr ursprüngliche Blütenpflanzen. Bei einer auf genetischen Analysen beruhenden Rekonstruktion einer Urblüte kam eine Blüte heraus, die dem Habitus der heutigen Magnolienblüten sehr ähnlich sieht.

Rekonstruktion einer Urblüte nach Sauquet, H. et al. (2017): The ancestral flower of angiosperms and its early diversification.Nature communications, DOI: 10.1038/ncomms16047

Gewöhnlicher Judasbaum (Cercis siliquastrum)

Gewöhnlicher Judasbaum – Cercis siliquastrum am Martinsplatz in Oberteuringen, 8.5.2021, Foto A. Winter

Heimat: Südeuropa bis Vorderasien

Angeblich hat sich Judas an einem solchen Baum erhängt. Andere Namen: Salatbaum, Liebesbaum, Stammhülsenbaum

Die Gattung hat einen Verbreitungsschwerpunkt in China (5 Arten), 4 Arten kommen in Nordamerika und eine in Zentralasien vor.

Typisch ist die Kauliflorie (Stammblütigkeit). Die biologische Erklärung ist, dass dies auch schwerere Tiere wie Kleinsäugern und Vögeln die Bestäubung ermöglicht. Kauliflore Pflanzen gibt es fast nur bei tropischen Pflanzen.

Gemeindemitteilungen Oberteuringen,20.11.20

Aus unserer Gemeinde

Der von Michaela und Manuel Knöpfler gespendete Cercis reniformis (= C. canadensis*) -Baum, auch Ju-dasbaum genannt, verschönert ab sofort den Vorplatz der Kirche St. Martin und soll als Zeichen des Lebens gerade in diesen Zeiten Mut machen. Auch wenn der Baum ausgerechnet den Namen des Jün-gers trägt der Jesus verraten und an die Römer ausgeliefert hat, nahm Jesus Schicksal durch ihn seinen Lauf. Mit seiner Auferstehung finden wir heute Hoffnung im Glauben auf das ewige Leben. Der Baum steht zwischen 2 Bänken, die bereits im Jahr 2011 ebenfalls von Michaela und Manuel Knöpfler gespendet wurden. Diese laden zum Innehalten ein und ermöglichen den Blick auf die wunderschöne Kirche St. Martin.

*Die Blattform spricht dafür, dass es sich bei der Art um Cercis siliquastrum handelt (W. Probst)

In dem gemulchten Beet, in dem der Judasbaum steht, entdeckten wir den Fruchtkörper einer Spitz-Morchel (Morchella elata).

Spitz-Morchel (Morchella elata) unter dem Judasbaum neben der Martinskirche in Oberteuingen; man beachte die Feuerwanze(!), 9.5.2021 (Foto S. Probst)

Lawsons Scheinzypresse, Oregon-Scheinzypesse (Chamaecyparis lawsoniana)

(nach dem schottischen Botaniker Peter Lawson benannt)

Oregon-Scheinzypresse (Chamaecyparis lawsoniana) am St. Martinsplatz in Oberteuringen, 9.5.2021, Foto W. Probst

Heimat: Südwest-Oregon und Nordwest-Kalifornien.

Der Unterschied zu den Echten Zypressen (Cupessus) besteht darin, dass Scheinzypressen stärker abgeflachte Zweige und zweierlei schuppenartige Blätter sowie kleinere, kugelige Zapfen besitzen und Samen früher reifen. Die ebenfalls sehr ähnlichen Lebensbäume (Thuja) haben im Gegensatz zu den Scheinzypressen kleine, längliche Zapfen. Die etwa fünf Arten (Chamaecyparis) sind in den nördlicheren Breiten Nordamerikas und Ostasiens verbreitet. Die Oregon-Scheinzypresse kann in ihrer Heimat bis 65 m hoch werden – so hoch wie der Kirchturm von St. Martin!

Das hellgelbe, harzfreie Holz wird für Schiffsbau und Möbel verwendet. In Europa ist der Baum, von dem es zahlreiche Sorten gibt, ein häufiges Ziergehölz. Mittlerweile gibt es wild wachsende Vorkommen.

Artenarmut mitteleuropäischer Wälder im Vergleich mit Nordamerika und Ostasien

In Mitteleuropa gedeihen viele Gehölzarten aus Nordameria oder dem nördlichen Ostasien, die dort unter ähnlichen Klimabedingungen wie hier existieren können. Dies hängt damit zusammen, dass die Waldvegetation Mitteleuropas während der vor etwa 2,6 Millionen Jahren beginnenden Kaltzeiten fast vollständig vernichtet wurde. Im Gegensatz zu Ostasien und Nordamerika, wo die Hauptgebirgsketten vorwiegend von Norden nach Süden verlaufen,war der Vegetation Mitteleuropas beim Vordringen der kaltzeitlichen Gletscher ein Rückzug nach Süden durch die Alpenkette weitgehend versperrt. Darin sieht man den Grund dafür, dass die mitteleuropäische Gehölzvegetation sehr viel artenärmer ist, als die entsprechenden Pflanzengesellschaften in Nordamerika und Ostasien. Im Pliozän, vor dem Beginn der Kaltzeiten (des Pleistozäns) kamen viele der heute bei uns angepflanzten Arten oder nahe Verwandte dieser Pflanzen auch in Mitteleuropa vor. Dies ist ein Argument mancher Forstleute, nun in Mitteleuropa die Aufforstung mit amerikanischen und asiatischen Baumarten zu versuchen, die mit dem Klimawandel besser zurechtkommen könnten.

Gehölze an der Rotach

Im Ortsgebiet von Oberteuringen wird die Rotach von einer Vielfalt einheimischer Gehölze gesäumt. Wir lernten sie kennen, indem wir für sie einen Bestimmungsschlüssel bastelten.

Diese Blattmerkmale werden auf einem weißen Laken ausgelegt.

Die Aufgabe besteht nun zunächst darin, zu jedem der sechs hier grün markierten Endpunkte des Bestimmungsganges Beispiele zu finden. Alle Blätter, die zu einer Art gehören, werden auf einem Haufen angeordnet. Anhand der gefundenen Blätter werden mögliche Merkmalsalternativen zur weiteren Bestimmung besprochen. Alle Arten werden mit Namen beschriftet.

Fotos A. Winter

Seifenkraut (Saponaria offcinalis)

Am Wegrandentdecken wir einen großen Bestand des Seifenkrautes. Das Nelkengewächs wird von einer Teilnehmerin, die sich sehr gut auskennt, entdeckt, obwohl die zart rosavioletten Blüten noch lange nicht entwickelt sind. Der Name der Pflanze weist auf ihre frühere Verwendung als Seifenersatz hin. Alle Pflanzenteile insbesondere die Wurzelstöcke enthalten Wasseroberflächen-entspannende Triterpensaponine. Wir zerreiben einige Triebe und schütteln Sie in einem Behälter mit Wasser und wir können die Schaumbildung beobachten.

Seifenkraut-Extrakte werden bis heute bei der schonenden Reinigung von alten Textilien und Möbelstücken verwendet (Wikipedia).

Foto A. Winter

Suchen und finden

Alle Teilnehmenden erhalten eine Suchkarte für eine Pflanzenart:

Die Arten werden ziemlich schnell gefunden: Bär-Lauch (Allium ursinum), Winter-Schachtelhalm (Equisetum hiemale), Einbeere (Paris quadrifola), Schuppenwurz (Lathraea squamaria). Letztere ist ein völlig Chlorophyll-freier Parasit an Laubbäumen.

Schuppenwurz – Lathraea squamaria – an der Rotach bei Oberteuringen, Foto W. Probst

Kletterpflanzen

Je höher eine Pflanze wächst, desto kräftiger muss ihr Stamm sein. Aber das gilt nicht für alle! Kletterpflanzen nutzen die Stabilität ihrer Unterlagen.

Bei der Brücke über die Rotach wachsen zwei Kletterpflanzen-Arten, die verholzte Liane Gewöhnliche Waldrebe (Clematis vitalba) und der krautige, jedes Jahr neu aus dem unterirdischen Wurzelstock auswachsende Echte Hopfen (Humulus lupulus). Die Waldrebe hält sich mit ihren rankenden Blattstielen an der Unterlage fest, der Hopfen windet mit seiner Sprossachse um die Unterlage, und zwar so, dass in der Seitenansicht ein S zu erkennen ist (Rechtswinder). Diese Richtung des Winden ist bei Kletterpflanzen im allgemeinen genetisch festgelegt, d. h. die Pflanzen können nur nach rechts oder nach links winden. Bei Linkswindern erkennt man in der Seitenansicht ein  Z.

Lianen können hoch in Bäume hinaufklettern und viel Laubwerk entwickeln, dabei bleiben ihre Sprossachsen viel dünner als die Stämme der Bäume. Sie müssen aber fast gleich viel Wasser transportieren. Deshalb ist es wichtig, dass ihre Wasserleitungsbahnen sehr effektiv sind. Lianen haben deshalb die weitesten Tracheen aller Pflanzen (Durchmesser bis 0,7 mm). Auch die Leitungsbahnen der Waldrebe kann man schon mit bloßem Auge sehen. Wir schneiden einen etwa 1,50 m langen Sprossabschnitt der Waldrebe heraus: es gelingt ohne Mühe, durch diesen Stab Luft in ein Wasserglas zu blasen. Bei der Erweiterung der Leitungsbahnen gibt es allerdings eine Grenze: Werden die Durchmesser zu groß, reichen die Adhäsion und Kohäsionskräfte der Wassermoleküle nicht mehr aus um den hydrostatischen Unterdruck auszugleichen. Es bilden sich Luftblasen und die Wassersäule reist ab („Gasembolie“).

Spross der Gewöhnlichen Waldrebe- Clematis vitalba – quer- mit großlumigen Tracheen, Foto A. Winter

Wiesen

Wiesen und Weiden sind in unserem Klima fast ausschließlich Folgen landwirtschaftlicher Nutzung. Sie können sich nur halten, wenn sie regelmäßig von Weidetieren abgefressen oder gemäht werden. Aber sie machen mittlerweile in Mitteleuropa 50 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche und 20 % der Gesamtfläche aus. Die Art der Bewirtschaftung ist für die Biodiversität entscheidend.

Typisch für Wiesen ist ihre Schichtung. Ähnlich wie die Frühjahrsblüher im Wald so haben die Wiesenpflanzen der Unterschicht ihre beste Entwicklungsmöglichkeiten im Frühjahr, wenn die Wiese noch nicht hoch gewachsen sind.

Wir sortieren die Wiesenpflanzen nach der Zugehörigkeit zur Unterschicht, Mittelschicht und Oberschicht.

Schichten einer Wiese

Die ersten Landlebewesen

Kolonie von Nostoc commune

Auf dem Weg zurück zum Ortszentrum bzw. zum Franz-Roth-Platz kommen wir an eine vertetene ziemlich feuchte Wegstelle mit eigenartig schwärzlichen Belägen, die mit Wasser zu olivfarbenen Gallertklumpen aufquellen. Es handelt sich um das Blaugrüne Bakterium Nostoc. So ähnlich könnten die ersten Lebewesen ausgesehen haben, die vor mehr als 3 Milliarden Jahren das Festland besiedelten.

Foto W. Probst

Artenliste

(Zusammengestellt von Jennifer Friedrich)

Bäume auf dem Kirchplatz:

Trompetenbaum (Catalpa bignonioides)

Purpur-Magnolie (Magnolia liliflora)

Judasbaum (Cercis siliquastrum)

Lawsons Scheinzypresse (Chamaecyparis lawsoniana)

Im Beet beim Judasbaum:

Vielblütige Weißwurz (Polygonatum multiflorum)

Spitz-Morchel (Morchella elata) – Schlauchpilz

Bäume und Sträucher aus dem Bestimmungquiz:

Blätter gefiedert:

Schwarzer Holunder (Sambucus nigra)

Gemeine Esche (Fraxinus excelsior)

Echte Walnuss (Juglans regia)

Blätter handförmig gelappt:

Spitz-Ahorn (Acer platanoides)

Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus)

Feld-Ahorn (Acer campestre)

Gemeiner Schneeball (Viburnum opulus)

Gemeiner Efeu (Hedera helix)

Blätter nicht handförmig gelappt:

Stiel-Eiche (Quercus robur)

Blätter nicht gelappt, Rand glatt:

Roter Hartriegel (Cornus sanguinea)

Weide – Salix spec.

Rote Heckenkirsche (Lonicera xylosteum)

Gewöhnlicher Liguster (Ligustrum vulgare)

Blätter nicht gelappt, gesägt/gezähnt:

Berg-Ulme (Ulmus glabra)

Gewöhnliche Traubenkirsche (Prunus padus)

Schwarz-Erle (Alnus glutinosa)

Eberesche (Vogelkirsche) (Sorbus aucuparia)

Gemeine Hasel (Corylus avellana)

Europäisches Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus)

Weitere Arten:

Selbstkletternde oder Fünfblättrige Jungfernrebe – (Parthenocissus quinquefolia) Gewöhnliches Seifenkraut (Saponaria officinalis)

Gewöhnlicher Giersch (Aegopodium podagraria)

Wasseramsel (Cinclus cinclus) – haben wir auf der Exkursion zwar nicht gesehen, kann hier aber regelmäßig beobachtet werden. Immer wieder hörten wir den Gesang von Amsel, Buchfink, Zilp-Zalp (Weidenlaubsänger) und Mönchsgrasmücke

Kletterpflanzen

Echter Hopfen (Humulus lupulus) (S-Winder)

Gewöhnliche Waldrebe (Clematis vitalba) (Z-Winder; außerdem dienen die Blattstiele und Spindeln zwischen der Fiedern als Ranken)

Suchspiel mit Karten:

Gewöhnliche Schuppenwurz (Lathraea squamaria)

Vierblättrige Einbeere (Paris quadrifolia)

Winter-Schachtelhalm (Equisetum hyemale)

Bär-Lauch (Allium ursinum)

Auf der Streuobstwiese:

Oberes Wiesenstockwerk/Wiesenschicht:

Wiesen-Sauerampfer (Rumex acetosa)

Scharfer Hahnenfuß (Ranunculus acris)

Wiesen-Labkraut (Galium mollugo)

Stumpfblättriger Ampfer (Rumex obtusifolius)

Gold-Kälberkropf (Chaerophyllum aureum)

Gewöhnliches Knäuelgras (DactylIs glomerata)

Mittelschicht:

Gewöhnliches Ruchgras (Anthoxanthum odoratum)

Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis)

Wiesen-Rispengras (Poa pratensis)

Unterschicht:

Gewöhnlicher Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia) (Taraxacum officinale)

Zaun-Wicke (Vicia sepium)

Wiesen-Klee (Rotklee) (Trifolium pratense)

Faden-Klee (Kleiner Klee) (Trifolium dubium)

Kleine Braunelle (Prunella vulgaris)

Kriechender Günsel (Ajuga reptans)

Gundermann (Glechoma hederacea)

Scharbockskraut (Ficaria verna )

Kriechendes Fingerkraut (Potentilla reptans)

Quellen-Hornkraut (Cerastium fontanum)

Quendel-Ehrenpreis (Veronica serpyllifolia)

Faden-Ehrenpreis (Veronica filiformis)

Spitz Wegerich (Plantago lanceolata)

Auf dem Rückweg

Nostoc sp.; gehört zu den Cyanobakterien

15. Mai 2021 Weingarten

Treffpunkt: Eingang zum Freibad.

Natur wahrnehmen und erleben

„Wenn wir eine Gesellschaft schaffen wollen, die die Natur wirklich liebt und ihr mit Ehrfurcht begegnet, müssen wir den Mitgliedern dieser Gesellschaft Erlebnisse in der Natur anbieten, die ihr Leben verändern.“ Joseph Cornell

Längst ist bekannt, dass das reine Wissen über die Bedrohung und die Schutzwürdigkeit der Natur allein nicht ausreicht. Aus diesem Grund stand die Exkursion am 15. Mai 2021 unter dem Thema „Natur wahrnehmen und erleben“.

Innerhalb der 4 Stunden mussten die Studierende der Pädagogischen Hochschule alle ihre Sinne einsetzten. Der Tag begann zunächst mit kleineren Kennenlernspielen um wach zu werden und die eigene Konzentration hochzufahren.

Hören

Der erste Sinn, das Hören, wurde als erstes angesprochen. Die Studierende sollten bei der Aktion „Geräusche hören“ sich auf ihr Gehör verlassen und die Geräusche in ihrer Umwelt wahrnehmen. Schritt für Schritt wurden sie an die Aktion herangeführt. Zunächst durften sie einfach darauf los hören, danach wurden gezielte Aufgaben gestellt um das Gehör zu schulen. Die Studierende stellten mit erstaunen fest, dass es anfangs gar nicht so leicht war, mit etwas Übung die Geräusche jedoch lauter und deutlicher wurden.

Tasten

Der Tastsinn war als nächstes an der Reihe. Nachdem die einzelnen Teilnehmer einen Naturgegenstand in die Hand gelegt bekommen und diesen erfühlt hatten, gingen sie auf die Suche, ihren Partner mit dem gleichen Gegenstand zu finden. Hier stolperten die Studierende über die Schwierigkeit, die richtigen Worte für ihren Gegenstand zu finden. Aber auch hier wurden die Fähigkeiten schnell immer besser, sodass jeder seinen Partner fand, und sie zu Zweit in die nächste Aktivität konnten… „Bäume fühlen“.  Zunächst sollte jeweils einer des Teams, blind in den Wald geführt werden und durch „Schwingungen“ erfühlen, wo der nächste Baum sich befand. In der zweiten Runde durften die Teilnehmer einen Baum mit ihren Händen erfühlen und diesen so kennenlernen. Die Studierenden berichteten begeistert davon, dass es zwar nicht immer leicht war, aber jeder Baum dennoch etwas Einzigartiges an sich hatte, an dem man ihn durchaus wiedererkennen würde.

Sehen

Die dritte Aktivität zielte auf das Sehen ab. Mit der Aktion „Umwelt im Umschlag“ wurden die Studierenden gezielt mit konkreten Aufgaben los geschickt um ihre Umwelt zu untersuchen und Gegenstände mitzubringen. Bei der Nachbesprechung und der Entwicklung weiterer möglicher und interessanter Fragen, brachte Noemi (ich hoffe an dieser Stelle, den richtigen Namen genannt zu haben) die Idee ins Spiel, den Geruchsinn mit anzusprechen. „Sammle mindestens 5 Dinge, die typisch nach Wald riechen.“ Gesagt, getan…

Gleichgewicht

Der letzte Sinn an diesem Tag war der Gleichgewichtssinn. Mit dem Spiel „Der schlafende Geizhals“ sollten die Studierende einem schlafenden Geizhals, welcher mit einer Wasserspritzflasche bewaffnet war, auf möglichst leisen Sohlen, die Schokolade, die vor ihm auf dem Waldboden lag, abnehmen. Gar nicht so einfach, wenn es bei jedem Schritt und Tritt knackst und raschelt.

Resumee

Nach einer schnellen Runde „Luftballon-Resümee“ war der Tag auch schon wieder vorbei.

„Ich habe heute gelernt, ohne zu merken, dass ich etwas lerne.“

29. Mai 2021 Obrteuringen, NSG Altweiherwiese

Treffpunkt an der Unterführung der Straße nach Bibruck unter der L 329 nach Meckenbeuren

1. Anfahrt von Ravensburg bis Oberteuringen auf der B33 bis Oberteuringen Ortsteil Hefigkofen

2. Dort am Gasthaus Adler nach links abbiegen Richtung Meckenbeuren

3. Der Straße folgen bis zur Abzweigung einer kleinen Straße links nach Bibruck

Quelle: Google Maps

Zum Naturschutzgebiet Altweiherwiese

Das 78 ha große Naturschutzgebiet Altweiherwiesen wurde 1981 vom Regierungspräsidium Tübingen ausgewiesen. Es liegt nordöstlich von Oberteuringen auf einer Meereshöhe von rund 450 m.

Im späten Mittelalter legten hier Mönche des Klosters St. Gallen durch Aufstau des Taldorfer Baches in Höhe der heutigen L329 einen Fischweiher an. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Teich abgelassen und die feuchten Niederungen wurden bis Mitte des 20. Jahrhunderts als Streuwiesen genutzt. Heute werden die Wiesen von Naturschutz regelmäßig gemäht und das Mähgut wird entfernt. Dadurch wird das Mineralstoffangebot niedrig gehalten und das Aufkommen von Gehölzen verhindert.

Das umgebende Landschaftsschutzgebiet „Altweiherwiese und Taldorfer Bach“ soll das Naturschutzgebiet gegen störende Einflüsse von der Umgebung abschirmen.

Zur Landschaftsgeschichte

Auf einer topographischen Karte und noch deutlicher in einem digitalen Geländemodell erkennt man, dass das Naturschutzgebiet Altweiherwiese in der Fortsetzung eines Tals liegt, dass eine Verbindung zwischen Schussenbecken und der Niederung südlich des Gehrenbergs darstellt. Dabei handelt es sich um eine alte Schmelzwasserrinne, die am Ende der letzten Kaltzeit vor etwa 15.000 Jahren am damaligen Gletscherrand entstand. Dieses Rückzugsstadium des Gletschers, das sich einige Zeit hielt und kleine Endmoränen ablagerte, wird auch als Konstanzer Stadium bezeichnet. Die Schmelzwasserrinne war ein Teil der Ur-Argen, in der sich die Schmelzwasser vom nördlichen Gletscherrand sammelten und dem damals schon in Teilen existierenden Überlinger See zuflossen. In der Schmelzwasserrinne kam es immer wieder zu kleinen Aufstauungen, und Seenbildungen und darin zu Ablagerungen von Feinmaterial. Dadurch entstanden gegen das eiszeitliche Schottermaterial abgedichtete Bereiche, über denen es zu Torfbildung kommen konnte.

Ausdehnung des Rheingletschers vor ca. 15 000 Jahren. Die Schmelzwasserrinne am nördlchen Gletscherrand dieses als Kostanzer Stadium bezeichneten Gletscherrand-Verlaufs bildete die heutige Niederung des NSG Altweiherwiese (Zeichnung nach T. Gittner aus F. Beran 2002)

Heute wird die breite Talniederung von dem kleinen Taldorfer Bach durchflossen

Gräser

Gräser sind keine besonders auffälligen Pflanzen. Als Windbestäuber fehlen ihnen auffällige Blüten. Auf den ersten Blick kann man deshalb die verschiedenen Arten nur schwer unterscheiden. Bei genauem Hinsehen lassen sich jedoch meistens gute Bestimmungsmerkmale finden.

Zunächst probieren wir, ob man Grasarten auch blind unterscheiden kann, wenn man sie im Gesicht fühlt oder mit den Fingern ertastet. Es zeigt sich dass dies erstaunlich gut funktioniert, insbesondere, da bestimmte Merkmale, die man leicht übersieht – wie samtige Behaarung oder feine Grannen – sich ganz gut ertasten lassen.

Dann werden die verschiedenen Bestimmungsmerkmale der Süßgräser (Familie Poaceae) mithilfe eines Puzzles und realen Gräsern vorgestellt:

Blütenstand und Blüte

Als Einheit der Grasblütenstände gilt das Ährchen, das aus einer bis vielen Blüten bestehen kann. Diese Ährchen sind charakteristischerweise in einer Rispe angeordnet, seltener können die einzelnen Ährchen auch direkt an der Hauptachse sitzen, dann spricht man von einem Ährengras. Manchmal sind die Listen Äste sehr kurz, sodass der Blütenstand – obwohl er stärker verzweigt ist – wie eine Ähre aussieht (Ährenrispengras).

Jedes Ährchen hat an der Basis zwei Hüllspelzen, dann folgt vor jeder Blüte des Ährchens eine Deckspelze, eine Vorspelze und zwei Schwellkörper, die dafür sorgen, dass die Blütenteile bei der Reife auseinandergedrückt werden. Nach innen folgen drei Staubblätter und ein Stempel mit zwei fiederigen Griffelästen. Aus jeder Blüte schieben sich zunächst die Staubblätter mit langen beweglichen Fäden heraus und entlassen viele Pollen. Später entwickeln sich die federartigen Griffeläste mit den Narben die hervorragend zum auffangen der Pollen geeignet sind.

Halm

Die Sprossachse der Gräser ist meist unverzweigt und bildet mehrere auffällige Verdickungen. An diesen Knoten entspringen die wie eine Scheide den Stängel umfassenden Blätter. Nach einigen Zentimetern geht die Blattscheide in die Blattspreite über. An dieser Übergangsstelle finden sich entscheidende Bestimmungsmerkmale: das Blatthäutchen (Ligula) und die Öhrchen. Wenn man an einem Grashalm zieht, reißt er in der Regel an den Knoten, denn dort befindet sich wenig stabiles, teilungsfähiges Gewebe (interkalares Meristem). Im Unterschied zu den meisten anderen Pflanzen können sich die Sprosse wachsenden Gräser an den Knoten strecken und aufrichten, wenn sie vom Wind umgelegt wurden, oder sogar Wurzeln bilden. Das Bildungsgewebe an der Bruchstelle der Sprossachsen schmeckt süß.

Ausgewachsene Grashalme haben im Inneren oft einen Hohlraum (Trinkstrohhalm).

Verzweigungen

Die meisten Grasarten – eine Ausnahme bilden die Bambusse – verzweigen sich nur ganz nahe der Basis oder im Boden. Je nachdem, ob sich die Seitenzweige schnell nach oben krümmen oder ein Stück weit waagrecht wachsen, unterscheidet man Horstgräser, Rasengräser und Ausläufergräser.

Zum Schluss sammeln wir Gräser und ordnen sie entsprechend einem Merkschema.

Zwei weitere mit der Süßgräsern verwandte Familien sind die Sauergräser und die Binsengewächse

Zur Biberburg

Kurz vor der Brücke über den Taldorfer Bach nehmen wir den Weg rechts bergauf in den Wald. Der Weg verläuft etwas oberhalb des Baches. Wir beschäftigen uns mit einigen Pflanzen des Wegrandes zum Beispiel mit den Stickstoffzeigern (Zeigerpflanzen siehe unten) Klebriges Labkraut und Große Brennnessel. Zwischen den Brennnesseln wachsen Wald-Ziest und Hohlzahn, die ohne Blüten den Brennnesseln sehr ähnlich sehen. Andere Beispiele für Pflanzen-Mimikry (Nachahmen der Brennhaar-bewehrten Brennnesseln) sind Taubnesseln und Nesselblättrige Glockenblume.

Schließlich können wir durch das Unterholz die stattliche Biberburg erkennen. Ihre Eingänge liegen unter Wasser, aber die Wohnhöhle liegt über dem Wasser. Möglicherweise finden sich dort gerade junge Biber, denn normalerweise bringen Biber Ende April bis Anfang Mai ihre Jungen zur Welt. Sie bleiben bis zu einem Alter von 4-6 Wochen im Bau. Biber waren früher als Fastenspeise begehrt, da sie wegen ihres Schwanzes zu den Fischen gezählt wurden. Besonders wertvoll war der sehr dichte Biberpelz (23.000 Haare pro cm2, im Vergleich dazu kommt der Mensch nur  auf ca. 200 Haaren pro cm2). Ein weiteres wertvolles, von Biber stammendes Handelsgut war das Bibergeil, ein Exkret, das in zwei etwa Hühnerei großen Blasen gesammelt und durch eine Ausführöffnung im Analbereich ausgeschieden wird. Dem Biber dient die Flüssigkeit der Fellpflege und der Reviermarkierung. Die Menschen nutzten sie wegen ihrer Inhaltsstoffe – zum Beispiel Hydroxybenzoesäuren und Abkömmlinge – als Medikament. Die Inhaltsstoffe oder ihre Vorläufer stammen vermutlich aus der pflanzlichen Nahrung des Bibers, zum Beispiel der Rinde von Weiden.

Der Biber ist das größte einheimische Nagetier. Mit seinem kräftigen Nagezähnen kann er große Bäume fällen. Ihre Zweige nutzt er einmal für den Bau seiner Burgen und Dämme, zum anderen dienen Knospen und Rinde als Nahrung. Für den Winter legt er Nahrungszweigdepots im Wasser an.

Zwischen Bast und Borke

Den nährstoffreichen Teil der Rinde, den Bast, der dem Assimilatetransport der Bäume dient, nutzen viele Tiere als Nahrung. Dazu zählen nicht nur Mäuse, Kaninchen, Hasen und Rehe, die an den Bäumen ihre Nagelspuren hinterlassen, sondern auch viel kleinere Tierchen, die Borkenkäfer. Sie gelten als Schwächeparasiten und die trockenen Sommer der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass insbesondere sehr viele Fichten von Borkenkäfern besiedelt wurden. Die rindenbrütenden Borkenkäfer legen ihre Eier unter der Rinde ab und die Larven fressen sich in langsam vergrößernden Gängen in den Bast. Diese Gänge kann man auf der Innenseite abgeschälter Rindenstücke sehr gut als Spuren erkennen. Form und Verlauf dieser Fraßgänge sind von Art zu Art unterschiedlich.

Gangsysteme des Buchdruckrs (Ips typographica) in Fichtenrinde, Teuringer Holz, 29.5.2021, Foto A. Winter

Außerdem gibt es sogenannte holzbrütende Borkenkäfer, deren Larvengänge in den Holzkörper hinein führen. Diese Käfer können sich von dem Holz nur mithilfe von Holz zersetzenden Pilzen ernähren, deren Hyphen die Gänge auskleiden und die sie fressen. Von außen kann man als Spuren dieser Käfer nur die Löcher im Holzkörper sehen. Größere Löcher stammen zum Beispiel von Bockkäfern. Wir finden die schon verlassene Puppenwiege eines Schrotbocks (Rhagium instructor), die aus kreisförmig ausgelegten Holzspänen besteht. Unter der abgestorbenen Rinde und unter den am Boden liegenden Rindenstücken kann man zahlreiche andere Tiere finden, die sich entweder von den organischen Abfallstoffen oder als Beutegreifer ernähren. Uns fallen vor allem zahlreiche Schließmundschnecken, einige Asseln, Tausendfüßler, Spinnen und kleinere sehr flinke Laufkäfer (wahrscheinlich Gattung Pterostichus) auf. Die meisten Borkenkäfer sind vermutlich ausgeflogen, aber wir finden noch einige Exemplare. Bei der Betrachtung durch die Becherlupen erkennen wir, dass an einigen Käfern Milben sitzen, welche die Käfer vermutlich nur als Transportmittel benutzen (phoretische Milben).

Weitere Beobachtungen

In dem Gebiet befinden sich zahlreiche alte Baumstümpe und abgestorbene Bäume. An mehreren Stellen solcher morscher (von Pilzen zersetzter) Stümpfe oder Stämme finden sich tiefe Hacklöcher, die vermutlich vom Schwarzspecht stammen, der regelmäßig im Gebiet zu hören und zu beobachten ist. Einen Pilzfruchtkörper identifizieren wir als Abgeflachten Lackporling (Ganoderma applanatum).

Hackloch eines Schwarzspechts (?) in einem morschen Eichenstamm (Weißfäule). Links sind die Reste eines Fruchtkörpers des Abgeflachten Lackporlings zu erkennen , Teuringer Holz 29.5.2021, Foto A. Winter

Ein typischer Pilzbefall an Rispengras-Halmen (rings um den Halm gehender weißer Belag) kann dem endophytische Pilz Epichloë typhina zugeordnet werden.

Nagelfluh-Kiesgrube

Der für mich mit dem Rollstuhl befahrbare Weg endet an einer verbreiterten Stelle mit steilen Wänden, die in der topographischen Karte als „Teurerer Holz“ markiert ist. Es handelt sich dabei um eine alte Kiesgrube, in der Interstadialer Nagelfluh abgebaut wurde, also verbackene Kiesablagerungen aus einer wärmeren Periode der Würm-Kaltzeit. In der Liste der Geotope im Bodenseekreis findet sich dazu folgende Beschreibung:

Aufgelassene Kiesgrube am Prallhang des Taldorfer Bachs, 1000 Meter östlich von Oberteuringen, an deren Südrand rund fünf Meter mächtige, zu Nagelfluh verfestigte interstadiale Schotter („alte Kiese von Oberteuringen“) zutage treten. Sie sind wahrscheinlich der „Laufenschwankung“, einem großen Rückzugsstadium zwischen Würm I und Würm II zuzuordnen. Der Aufschluss befindet sich am Südrand des Oberteuringer Eisrandtals, das erst später entstanden ist und hier mit einer Breite von etwa 500 Meter einen ehemaligen Gletscherrand markiert.

Geologische Einheit: Quartär
Status: schutzwürdig

Ehemalige Kiesgrube im Teuringer Holz, 29.5.2021, Foto A. Winter

Riedwiesen

Botanisch besonders interessant ist die Riedfläche südlich der Straße, die nach Bibruck bzw. Wammeratswatt führt. Die Fläche wird von Naturschutz regelmäßig aber nicht jährlich gemäht. Wir können verschiedene Knabenkraut-bzw. Fingerwurz-Arten (Dactylorhiza majalis und. D. incarnata) finden, außerdem das Mittlere Zittergras (Briza media), Gelbe Segge (Carex flava) und Hirse-Segge (Carex panicea).

Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) und Mittleres Zittergras (Briza media), NSG Altweiherwiese, 9.5.2021, Fotos A. Winter

Zeigerwerte von Pflanzen

„Die Zeigerwerte sind Kurzbezeichnungen für das ökologische Verhalten, d. h. der Standortsbeziehungen der Pflanzen unter dem Einfluss zahlreicher Konkurrenten“ (Ellenberg 1991). 

Pflanzen können Zeiger für bestimmte Standortfaktoren sein. Der Pflanzenökologe und Vegetationskundler Heinz Ellenberg, ordnete ab den 1950er Jahren den mitteleuropäischen Pflanzenarten aufgrund empirischer Erfahrungen Zeigerwerte für sieben verschiedene Umweltfaktoren zu, und zwar für die Standortfaktoren Licht (Lichtzahl), Temperatur (Temperaturzahl), Kontinentalität (Kontinentalitätszahl), Feuchtigkeit (Feuchtezahl), Stickstoff (Stickstoffzahl) und Bodenreaktion,pH-Wert (Reaktionszahl).

URL zur Zeigerwertliste: http://botanik.mettre.de/alpha_liste.shtml

Als Beispiel seien hier die Zeigerwerte von drei Süßgräsern unterschiedlicher Standorte verglichen:

 Art StandortLTKFNR
Taube Trespe (Bromus sterlis)Wegrand7744X5
Glatthafer (Arrhenaterum elatius)Fettwiese853577
Mittleres Zittergras (Briza media)Streuwiese bzw. Ried8X3XX2

Artenliste

(Zusammengestellt von Jenifer Friedrich und Anastaia Winter)

Gräser:

Süßgräser (Poaceae):

Glatthafer (Arrhenatherum elatius)

Kammgras (Cynosurus cristatus)

Wohlriechendes Ruchgras (Anthoxanthum odoratum)

Wolliges Honiggras (Holcus lanatus)

Gewöhnliches Rispengras (Poa trivialis)

Taube Trespe (Bromus sterilis) (Ruderalgras)

Weiche Trespe (Bromus hordaceus)

Wiesen-Fuchsschwwanz (Alopecurus pratensis)

Wiesen-Schwingel (Festuca pratensis)

Hunds-Quecke (Elymus caninus)

Fieder-Zwenke (Brachypodium pinnatum)

Mittleres Zittergras (Briza media)

Sauergräser (Cyperaceae):

Steife Segge (Carex elata)

Zittergras-Segge (Carex brizoides)

Wald-Segge (Carex sylvatica)

Gelbe Segge (Carex flava)

Hirsen-Segge (Carex panicea)

Binsengwächse (Juncaceae):

Feld-Hainbinse( auch Hain“simse“, aber „Simsen“ kommen auch bei der Familie Sauergräser vor) (Luzula campestris agg., Sammelart, unsere Pflanze war vermutlich L. multiflora))

Andere Pflanzen, Sträucher, Bäume:

Wolliger Schneeball (Viburnum lantana)

Gewöhnlicher Schneeball (Viburnum opulus)

Europäisches Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus)

Rot-Fichte(Picea abies)

Stiel-Eiche (Quercus robur)

Rot-Buche (Fagus sylvatica)

Gewöhnlicher Haselstrauch (Corylus avellana)

Hänge-Birke (Betula pendula)

Schwarz-Pappel (Populus nigra)

Silber-Weide (Salix alba)

Schöllkraut (Chelidonium majus)

Hohlzahn (Gattung Galeopsis)

Große Brennnessel (Urtica dioica)

Wald Ziest (Stachys sylvatica)

Echte Nelkenwurz (Geum urbanum)

Ross-Minze (Mentha longifolia)

Waldmeister (Galium odoatum)

Klebriges Labkraut (Galium aparine)

Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys)

Wiesen-Pippau (Crepis biennis)

Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis)

Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza majalis)

Fleischfarbenes Knabenkraut (Dactylorhiza incarnata)

Pilze

Birkenporling (Fomitopsis betulina)

Flacher Lackporling (Ganoderma applanatum, syn. Ganoderma lipsiense)

Tiere:

Europäischer Biber (Castor fiber))

Schneeballblattkäferlarve (Pyrrhalta viburni)

Schrotbock (Rhagium inquisitor)

Borkenkäfer (Scolytinae)

Larve einer Schaumzikade(Familie Aphohoridae) in Schaumhülle („Kuckucksspeichel“)

Zilp-Zalp ,Weiden-Laubsänger, (Phylloscopus collybita)

Buchfink (Frinilla coeleps)

Eichelhäher (Garrulus glandarius)

12. Juni 2021 Völlkofen

Treffpunkt: Völlkofen, Grillhütte 10.00h

3. Juli 2021 Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf

Treffpunkt am Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf

Das Naturschutzzentrum liegt am nördlichen Rand von Wilhelmsdorf

Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf im Pfrunger-Burgweiler Ried

Frau Margit Ackermann, Diplombiologin und Naturpädagogin und seit 2006 Mitarbeiterin des Naturschutzzentrums Wilhelmsdorf, gibt uns einen Einblick in Ziele und Aufgaben des Naturschutzzentrums und ihrer Arbeit. Das Zentrum wurde 1994 unter der privaten Trägerschaft des Schwäbischen Heimatbundes e. V. gegründet und mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg und der Gemeinde Wilhelmsdorf als Informationszentrum eingerichtet. 2016 übernahm die Stiftung Naturschutz Pfrunger-Burgweiler Ried die Trägerschaft. Neben den pädagogischen Aufgaben – Information der Öffentlichkeit Besucherangebote – geht es um Beobachtung und Dokumentation von Flora und Fauna, Durchführung von Artenschutzmaßnahmen, Organisation und Koordination von Pflegemaßnahmen einschließlich der extensiven Beweidung sowie der Flächenverwaltung und Verkehrssicherung. Derzeit läuft ein Verfahren zur Anerkennung des Pfrunger-Burgweiler Rieds als UNESCO-Biosphärenreservat.

Entstehungsgeschichte des Pfrunger-Burgweiler Rieds

In dem 2012 erstellten Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude versammeln wir uns vor einem Luftbild, in dem das Pfrunger-Burgweiler Ried mit Blick nach Süden – Bodensee und Alpen im Hintergrund – zu sehen ist. Vor 20.000 Jahren, beim Hochstand der letzten Kaltzeit  (Würm-Kaltzeit) füllte eine Zunge des Rheingletschers das Tal zwischen den heutigen Orten Wilhelmsdorf und Ostrach. Beim Rückzug des Gletschers blieb am nördlichen Rand eine Endmoräne zurück (Äußere Würm-Endmoräne). In Höhe des heutigen Wilhelmsdorf kam es vor etwa 15.000 Jahren zu einem Stillstand der Gletscher-Rückentwicklung, eventuell auch einem weiteren Gletschervorstoß. In jedem Fall befand sich dort längere Zeit ein Gletscherrand und es lagerte sich Moränenmaterial ab (Innere Würm-Endmoräne). Das Schmelzwasser sammelte sich in dem Becken bis zur Endmoräne beim heutigen Ostrach, die den Abfluss nach Norden behinderte. Nach weiterem Abschmelzen wurde der Abfluss nach Süden durch die südliche Endmoräne blockiert, sodass ein Eisstausee erhalten blieb, in dem sich zunächst feines Tonmaterial ablagerte und den See nach unten abdichtete. Der Zufluss kalkreichen Wassers aus den umgebenden Höhenzügen, die teilweise aus interstadialen kalkreichem Nagelfluh aufgebaut sind, führte zur Ablagerung einer Seekreideschicht, das einsetzende Wachstum von Planktonalgen ließ eine erste Ablagerung mit hohem Anteilan organischen Material entstehen, die wegen ihrer braungrünen Farbe und der elastischen Eigenschaften als Lebermudde bezeichnet wird. Das mit der Klimaerwärmung zunehmende Pflanzenwachstum lieferte das Material für weitere Sedimente mit hohem organischem Anteil und Niedermoortorf. Im Laufe der Jahrtausende wurde der See dadurch immer flacher und aufgrund geringen Nährmineralgehalts und der hohen Regenmengen konnten sich auf den verlandenden Bereichen erste Torfmoose ansiedeln. Damit begann die Entwicklung zum Hochmoor.

Perspektivansicht des Pfrunger Zungenbeckens, des Rotach-Zungenbeckens und des westlichen Teils des Altshausener Beckens. Neben der Äußeren (blau gestrichelte Linie) und der Inneren Würm-Endmoräne (rote gestrichelte Linie) erkennt man auch eine Reihe von lokalen Moränenrücken (weiß gestrichelt). Das Pfrunger Zungenbecken entstand im Stadium der Äußeren Würm-Endmoräne. Weitere, jedoch wesentlich kleinere Zungenbecken des Stadiums der Äußeren Würm-Endmoräne entstanden bei Ilmensee (a) und im Altshausener Becken (b, c, d, e) Blickrichtung von Südosten nach Nordwesten (siehe Nordpfeil).

Alt: Altshause, Ebb: Ebersbach, Ebw: Ebenweiler, Ech: Echbeck, Fle: Fleischwangen, Fro: Fronhofen, Gug: Guggenhausen, Has: Hasenweiler, Hoß: Hoßkirch, Ill: Ilmensee. Kön: Königseggwald, Ost: Ostrach, Wal: Waldbeuren, Wil: Wilhelmsdorf

Der Illmensee und der Lengenweiher gehen auf Toteislöcher zurück, ursprünglich vom Gletscherrand abgetrennte Eispartien, die zunächst von Sediment überdeckt wurden und dann nach Abschmelzen wassergefüllte „Löcher“ bildeten.

Die Entwicklung bis zum heutigen Landschaftsbild wurde sehr stark durch menschliche Einflüsse geprägt. Nach der Gründung der Gemeinde Wilhelmsdorf durch württembergische Pietisten (Herrnhuter Brüdergemeinde) unter der Obhut des württembergischen Königs Wilhelm I. im Jahre 1824 wurde mit der Entwässerung und Kultivierung des Moorgebietes begonnen. Im 20. Jahrhundert wurde kurze Zeit ein intensiver  industrieller Torfabbau betrieben. Diese Torfgruben sind bis heute als offene Wasserflächen erhalten.

Exkursion zum Hochmoorrest Eulenbruck

Unser Exkursionsweg -grün- (Karte aus einem Flyer des Naturschtzzentrums Wilhemsdorf)

Um einen Eindruck einer typischen Hochmoorlandschaft zu bekommen unternehmen wir eine Exkursion zum Eulenbruck. Wir folgen zunächst dem Asphaltssträßchen Richtung Lindenhof und biegen dann links ab und noch einmal links in den Kiefern-Moorwald mit einem dichten Unterwuchs aus Heidelbeeren (grüne Sprossachsen), an einigen Stellen auch Rauschbeeren (braune Sprossachsen). An einigen besonders feuchten Stellen kann man erste Ansiedlungen von Torfmoosen beobachten. Die Torfmoos-Pflänzchen haben einen typischen Aufbau aus Hauptachse (Stamm) und zu mehreren angeordneten dicht mit Blättchen besetzten Seitentrieben . Einige Seitenästchen laufen am Stämmchen herab und verleihen diesem eine dochtartige Struktur (Abb.).

Über einen Steg erreichen wir eine Aussichtsplattform, die den Blick auf einen relativ intakten Hochmoorbereich freigibt. Die geschlossene Torfmoosdecke, die wie ein Schwamm Wasser aufsaugt und festhält, wächst kontinuierlich nach oben, während die unteren Teile absterben und nur sehr langsam abgebaut werden. Dadurch entsteht kontinuierlich ein Zuwachs an Torf, in unserem Klima etwa 1 mm pro Jahr. Das bedeutet, dass in den 10.000 Jahren seit dem Ende der letzten Eiszeit maximal 10 m Torf gebildet werden konnte. Tatsächlich haben Bohrungen gezeigt, dass die Torfschichten unter dem Eulenbruck diese Mächtigkeit haben.

Durch einen Versuch demonstriert Margit Ackermann das schwammartige Wasseraufnahmevermögen von Torfmoosen. Aus einer Handvoll Torfmoose ausgepresstes Wasser wird in Sekundenschnelle wieder aufgenommen. Durch Auspressen gewinnt man allerdings nur einen Teil des in Torfmoosen gespeicherten Wassers, der größere Teil ist in einem Netz aus toten Wasserspeicherzellen in Blättchen und Stämmchen gespeichert, insgesamt das bis zu 30fache des Trockengewichts (Abb.). Da das gespeicherte Wasser nur aus dem Regen stammt, enthält es sehr wenig Mineralstoffe. Zudem haben Torfmoose die Fähigkeit, Mineralstoff-Kationen (K*; Ca++ u.a.) gegen H+-Ionen auszutauschen. Dadurch wird das Wasser stark abgesäuert. Wir messen in dem ausgepressten Wasser einen pH-Wert von ca. 4,0.

Torfmoose sind Regenwasserspeicher, sie ermöglichen die Hochmoorbildung. a) Torfmoospflänzchen, Habitus, b) Stämmchen quer mit Wasserspeicherzellen, Blättchen: c) Querschnitt und d) Aufsicht, e) räumliche Darstellung

Für Gefäßpflanzen sind Hochmoore deshalb ein sehr extremer Standort, weshalb hier nur wenige charakteristische Arten vorkommen. Die Heidekrautgewächse Moosbeere und Rosmarinheide können mithilfe ihrer Mykorrhizapilze und aufgrund ihres langsamen Wachstums hier gedeihen. Der Rundblättrige Sonnentau bessert seine Stickstoffversorgung durch Insektenfang und -verdauung auf (Carnivore Pflanze).

Blick von der Plattform Eulenbruck in den Hochmoorbereich mit Rundblättrigem Sonnentau (Drosera rotundifolia), Torfmoosen und Ranken der Moosbeere (Vaccinium oxycoccus) (Foto Rostan 25.7.2021)
Aufbau eines Hochmoors in Mitteleuropa

Am Birkenaufwuchs und der stark aufkommenden Besenheide kann man erkennen, dass der Wassergehalt des Hochmoores einen kritischen Punkt erreicht hat. Die beiden letzten sehr trockenen Sommer konnten durch den diesjährigen bisher ziemlich regenreichen Sommer noch nicht ausgeglichen werden. Die Austrocknung bedeutet, dass die Zersetzung der organischen Materialien unter Sauerstoffeinfluss rascher voranschreitet . Das bedeutet nicht nur, dass das Moor nicht mehr in die Höhe wächst, sondern dass auch die tieferen Schichten abgebaut werden und der so über Jahrhunderte gespeicherte Kohlenstoff wieder als CO2 freigesetzt wird. Dies ist der Hauptgrund dafür, dass man angesichts der CO2-bedingten Klimaerwärmung Hochmoore unter besonderen Schutz gestellt hat.

Benennung verschiedener Feuchtbiotope

Insekten

Zurück am Naturschutzzentrum werden wir von schwärmenden Honigbienen empfangen. Wir entdecken eine Schwarmtaube an einem der Findlinge, die vor dem Naturschutzzentrum aufgestellt wurden. Der mit dem Naturschutzzentrum zusammenarbeitende Imker und Lehrbeauftragter der PH Weigarten, Herr Guggolz,wird informiert.

Nach wir eine kleinen Getränkepause und beschäftigen wir uns dann mit der Gruppe der Insekten, die aufgrund der zahlreichen Berichte über den dramatischen Rückgang ihrer Arten und Individuen im besonderen Interesse der Öffentlichkeit steht. Der starke Rückgang der Insekten-Biomasse ist mittlerweile so auffällig, dass er auch von Laien und der Entomologie fernstehenden Personen nicht mehr übersehen werden kann. Der starke Rückgang des Singvogelbestandes und insbesondere der Fledermäuse dürfte eine direkte Folge dieser Entwicklung sein. Auch die Ursachen sind nicht wirklich ein Geheimnis. Da ist erst einmal der hohe Pestizideinsatz in der Landwirtschaft zu nennen, andererseits aber auch der Verlust geeigneter Lebensräume mit einer vielseitigen Flora. Mit Blumenstreifen an Ackerrändern versucht man, einen Ausgleich zu schaffen. Da diese aus Saatmischungen stammenden Pflanzen häufig exotische, oft einjährige Arten enthalten stehen sie allerdings in der Kritik. Auch die Nähe zu den gespritzten Äckern und der Mangel an Brutmöglichkeiten und Nahrungspflanzen für die Larven der Insekten mindert  den ökologischen Wert der bunten Ackerrandstreifen.

Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Insektenschutzmaßnahmen in der Öffentlichkeit breite Zustimmung finden, ist eine bessere Kenntnis der Insekten. Deshalb sind sie ein wichtiges Thema für den Biologieunterricht.

Dass man mit dem Thema durchaus Begeisterung wecken kann, beschreibt Dave Goulson in seinem Buch „Die seltensten Bienen der Welt“: „Es war ein sonniger Nachmittag gegen Schuljahresende im Juni 2009, und ich ging mit der Klasse meines ältesten Sohns Finn an der Newton Primary School Dunblane auf Insektenjagd….. Als wir am Wald waren, reichte ich den eifrigen Sieben- und Achtjährigen Netze und sonstiges Material und zeigte ihnen, wie man sie verwendet. … Einen Wiesenkescher zu öffnen, ist immer eine spannende Sache – wie bei den hübsch verpackten Geschenken unter dem Weihnachtsbaum weiß man nie, was Wunderbares drinsteckt. Unter lautem Ah und Oh sahen die Kinder zu, wie Scharen winziger Tiere – Ameisen, Spinnen, Wespen, Käfer, Fliegen und Raupen – aus dem Netz krabbelten, flogen und hüpften. Ich zeigte ihnen, wie man die kleinsten, empfindlichsten von ihnen in einen Exhaustor saugt. Dann verteilte ich eine Handvoll Becher, in denen jeder seinen Fang sammeln konnte, und die Kinder schwärmten aus, rannten durchs Unterholz, wedelten, kescherten und saugten nach Herzenslust, die Augen vor Aufregung weit aufgerissen. …“. Diese Beschreibung stammt aus dem Jahre 2009. Die Ergebnisse unserer Fangversuche waren deutlich schlechter – ein bisschen lag das vielleicht daran, dass die Witterung ziemlich schwül und wir durch unsere Exkursion schon etwas erschöpft waren, aber nicht nur. Ich habe mit Studierenden der PH Weingarten hier in Wilhelmsdorf zum ersten Mal 2017 Wieseninsekten gefangen und da waren unsere Ergebnisse deutlich vielseitiger. Auch die Fänge der parallel arbeitenden Wasserinsekten-Fanggruppe waren vergleichsweise dürftig (vgl. Artenliste).

Mittlerweile ist der Imker zu seinen Bienen gekommen und dadurch ergibt sich die Gelegenheit, aus erster Hand Informationen über dieses wichtigste Nutztier aus der Klasse der Insekten zu bekommen.

Die über 40.000 (immer noch?) mitteleuropäischen Insektenarten zu kennen, ist unmöglich, aber nicht so schwierig ist es, die wichtigsten 15-20 Ordnungen einheimischer Insekten zu erkennen und dann mithilfe eines Bestimmungsbuches auch einige Arten herauszufinden. Mir hilft dabei oft das mittlerweile leider schon längere Zeit vergriffene „Parays Buch der Insekten“ von Michael Chinery. Die über 2300 in diesem Buch mit sehr guten, treffenden Zeichnungen dargestellten Arten stellen nach meiner Erfahrung eine ausgezeichnete Auswahl dar, die zwar ursprünglich für Großbritannien getroffen wurde, aber auch für Mitteleuropa gilt.

Für Unterrichtszwecke hat Ulrich Kattmann eine Einteilung der Insekten in „Elfen, Ritter und Gaukler“ vorgeschlagen (vgl. Abb.)

Verwandtschaftsgruppen der Insekten

Die systematische Einteilung der Insekten nach Verwandtschaftsgruppen unterscheidet

  • ursprünglich flügellose Ordnungen, zu denen zum Beispiel Springschwänze und Silberfischen gehören,
  • Insekten mit unvollkommener Verwandlung, bei denen zwischen Larvenstadium und voll ausgebildeten Insekt (Imago) kein Puppenstadium eingeschoben ist, (zum Beispiel Libellen, Heuschrecken und Schaben) und
  • Insekten mit vollkommener Verwandlung (Ei – Larve – Puppe – Imago), zu denen zum Beispiel Käfer, Schmetterlinge und Hautflügler gehören.

Die meisten Bäume des Moorwaldes sind  Wald-Kiefern (kenntlich an der braunrötlichen Färbung der oberen Stammbereiche), dazwischen stehen aber auch immer wieder Moor-Kiefern (mit durchgehend braunschwärzlichen Stämmen). Außerdem gedeihen hier Moor-Birken, die sich von Hänge-Birken durch die aufrechteren Zweige und die Behaarung der jungen Triebe unterscheiden.

Liste der beobachteten Pflanzenarten, chronologisch geordnet

(zusammengestellt von Darius Targan)

NameWissenschaftlicher Name
Echtes MädesüßFilipendula ulmaria
Echter BaldrianValeriana officinalis
Gewöhnlicher BlutweiderichLythrum salicaria
Sumpf-HornkleeLotus pedunculatus
HeidelbeereVaccinium myrtillus
RauschbeereVaccinium uliginosum
RosmarinheideAndromeda polifolia
Hain-GilbweiderichLysimachia nemorum
Wiesen-WachtelweizenMelampyrum pratense
Gewöhnliche MoosbeereVaccinium oxycoccos
Rundblättriger SonnentauDrosera rotundifolia
Roter FingerhutDigitalis purpurea
Kohl-KrazdistelCirsium oleraceum
Moor-Kiefer; Spirke, MoorspirkePinus mugo ssp. rotundata
Wald-KieferPinus sylvestris
Moor-BirkeBetula pubescens
Rasen-SchmieleDeschampsia cespitosa
Wiesen-LieschgrasPhleum pratense
Flutender SchwadenGlyceria fluitans
Wald-SimseScirpus sylvaticus
Gewöhnlicher DornfarnDryopteris carthusiana
TorfmoosSphagnum

Liste einiger beobachteter Tierarten

Säugetiere

Europäischer Biber  (Castor fiber) -Biberausstiieg – Biberrutsche – am Weg begleitenden Bach

Vögel

Goldammer

Buchfink

Mönchsgrasmücke

Rabenkrähe

Insekten an Land

Brennnesselzünsler (Anania hortulata, Syn.: Eurrhypara hortulata): eingefaltete Brennnesselblätter lassen erkennen, dass sich hier Raupen eingesponnen hatten.

Landkärtchen (Araschnia levana) : Sommergeneration des Falters und Raupe

Kleiner Fuchs (Aglais urticae)

Brauner Waldvogel, Schornsteinfeger (Aphantopus hyperantus)

Grasmotte (Fam. Crambidae – Rüsselzünsler)

Kohlweißling (Pieris brassicae)

Baumwanze (Fam. Pentatomidae)

Kugelwanze (Coptosoma scutellata)

Schaumzikadenlarve (Fam. Cercopidae)

einige Schwebfliegen (Fam.Syrphidae, z. B. Episyrphus balteatus)

Raubfliege (Fam. Asselidae) mit Beute

Wasserinsekten und andere Wassertiere

Kleinlibellenlarven

Eintagsfliegenlarven

Büschelmückenlarven, „Glasstäbchen“ (Fam. Chaoboridae)

Zuckmückenlarve (Fam. Chironomidae)

Rückenschwimmer (Notonecta glauca)

Muschelkrebse (Ostracoda)

Süßwassermilben (Hydrachnidiae)

24. Juli 2021 Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf

Die Anfahrt nach Wilhelmsdorf wird durch einige Gewitter und lokale Starkregen beeinträchtigt, wodurch einige Teilnehmer*innen abgeschreckt werden.

Der Abend beginnt im Unterrichtsraum des Naturschutzzentrums und er steht ganz unter dem Thema „Fledermäuse“. Diese außergewöhnliche Verwandtschaftsgruppe fliegender Säugetiere ist ein besonderer Schwerpunkt in der Arbeit des Naturschutzzentrums Wilhelmsdorf. Es geht dabei nicht nur um den Schutz und die Dokumentation der im NSG Pfunger-Burgweiler Ried vorkommenden Arten sondern auch um die Vermittlung von Wissen und den Abbau von falschen Informationen über die Flatterttiere. Frau Margit Ackermann führt uns in abwechslungsreicher und spannender Form in die Biologie der Fledermäuse ein. Dabei kommen verschiedene Spiele (Memory, Puzzle, Zuordnungsspiele), Anschauungsmaterial, ein Video und eine PowerPoint Präsentation zum Einsatz. Schließlich werden vier „Säuglinge“ der Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus)aus einer mit Tüchern abgedunkelten Box geholt und mithilfe einer Spezial-Minipipette und angerührter Milch für Hundewelpen gefüttert. Vor der Fütterung werden die Kleinen mithilfe einer Wärmflasche aufgewärmt um sie beweglicher zu machen.

Fütterung eines Zwergfledemaus-Babies (Foto S. Brendle)

Zum Abschluss – es ist mittlerweile 21:15 Uhr und beginnt langsam dunkel zu werden – wollen wir einige Fledermäuse in freier Natur erleben. Dabei helfen Fledermaus-Detektoren, durch welche die Ultraschall-Echolot-Signale der Fledermäuse in für uns hörbare Laute übertragen werden. In einem der beiden uns zur Verfügung stehenden Geräte werden nicht nur die Töne übersetzt, im Display wird auch noch ein Sonagramm  (auch Sonogramm genannt) dargestellt, das den zeitlichen Verlauf der Lautäußerungen gegen die Frequenz aufzeichnet. Bei manchen Geräten wird auch noch die Lautstärke durch unterschiedliche Farben dargestellt.

Wir gehen vom Unterrichtsraum zum Bürogebäude des Naturschutzzentrums, an dessen Wänden verschiedene Fledermauskästen bzw. Fledermausbretter aufgehängt sind. Kaum stehen wir davor, wird schon die erste Fledermaus beobachtet, die Margit Ackermann mit dem Detektor als Zwergfledermaus identifiziert. Danach können wir längere Zeit einen großen Abendsegler am Himmel beobachten und mit dem Detektor hören. Wir wandern dann über die Straße und einen Weg zu einem größeren See und dort hören und sehen wir Zwergfledermaus, Wasserfledermaus und Großen Abendsegler, die meist dicht über die Wasseroberfläche fliegen.

Auf dem Rückweg taucht überraschend ein Biber vor uns auf und verschwindet später mit großem Platsch im Wasser.

Pflanzenfamilien erkennen

Je nach Zählung gibt es in Mitteleuropa mindestens 3000 verschiedene Pflanzenarten. Aber auch wenn viele davon selten sind oder nur in ganz bestimmten Gebieten vorkommen, so ist erscheint dem Laien auch die Anzahl von verschiedenen Pflanzenarten in der näheren Umgebung ziemlich unüberschaubar. Ganz allgemein gilt, dass man sich viele unterschiedlichen Objekte leichter merken kann, wenn man sie in Gruppen einteilt. Manche Pflanzenbestimmungsbücher nutzen hierfür zum Beispiel die Blütenfarben, andere Einteilungsmöglichkeiten sind der Lebensraum oder der Blühzeitraum. Eine Möglichkeit, die auch von Botanikern genutzt wird, ist die Einteilung nach der Verwandtschaft.

Die ersten Lebewesen auf der Erde sind vor mehr als 3 Milliarden Jahren entstanden. Alle heutigen Erdbewohner stammen von Ihnen ab und sind deshalb miteinander ver­wandt, aber nicht in gleichem Maße: Es gibt nähere und entferntere Verwandt­schaften. Nahe verwandte und deshalb meist ähnliche Arten fasst man zu Gattun­gen, ähnliche Gattungen zu Familien zusammen, diese dann weiter zu Ordnun­gen, Klassen und Abteilungen.

Beispiel für die systematische Einordnung der Echten Nelkenwurz

Abteilung:                 Samenpflanzen

Klasse:                      Bedecktsamer                      Nacktsamer

Ordnung:                  Rosenartige                         Magnolienartige      …

Familie:.                    Rosengewächse                 Brennnesselgewächse     …

Gattung:                    Nelkenwurz                          Erdbeere       …

Art:                             Echte Nelkenwurz             Bach-Nelkenwurz  …

Für das Bestimmen und Wiedererkennen von Pflanzen sind die Familien, in manchen Fällen auch die Gattungen, besonders wichtig und hilfreich. Wenn man die acht in den Kästchen vorgestellten, in der heimischen Flora häufigen Familien wiedererkennt, wird der Einstieg in die Artenkenntnis der Pflanzen leichter.

Quellen:

Beran, F. (2002): Die Entstehung des Natur- und Lebensraumes am nördlichen Bodenseeufer und um Oberteuringen. In: Gemeinde Oberteuringen (Hrsg., 2002): Teuringen. Ein Streifzug durch die Jahrhunderte, S.13-23.

Elenberg, H. (1991): Zeigerwerte der Gefäßpflanzen (ohne Rubus). In: Ellenberg, H. et al. (1991): Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. Scripta Geobotanica XVIII. Göttingen: E. Goltze

und die Materialien zu den früheren Exkursionen für die PH Weingarten ab 2016

Bioplanetenschutz

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Dieser Beitrag beruht auf Recherchen, die ich im Zusammenhang mit dem Unterricht Biologie Heft „Naturschutz auf neuen Wegen“ (UB 465) durchgeführt habe. Das Heft ist im Sommer 2021 erschienen.

Seit Beginn der Industrialisierung haben sich die Verhältnisse auf unserem Bioplaneten Erde (Kattmann 1991,2004) durch exponentielles Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung drastisch verändert, besonders deutlich in den letzten Jahrzehnten. Dank der elektronischen Datenverarbeitung und immer genaueren Registrierungsmöglichkeiten durch Satelliten lassen sich diese Veränderungen recht genau beschreiben. Schon lange vorher gesagt aber erst in den letzten Jahren in den Mittelpunkt des kollektiven Bewusstseins gerückt ist die durch menschliche Aktivitäten verursachte Klimaerwärmung, um die Dimension dieser drastischen Entwicklung besonders zu betonen, wird neuerdings von „Klimaerhitzung“ gesprochen. Obwohl diese negativen Veränderungen besorgniserregend rasch voranschreiten, besteht nach wie vor Hoffnung auf eine Stabilisierung. Es gibt viele Ideen und auch schon realisierte Beispiele, wie man die Zukunft des Bioplaneten nachhaltiger gestalten könnte.

Bioplanetenschutz heißt Schutz der Funktionsabläufe

Nach konservativen Verständnis geht es im Naturschutz um den Erhalt oder gegebenenfalls auch die Wiederherstellung eines jetzigen oder früheren Zustandes, der den Menschen und seine Aktivitäten weitgehend ausklammert. In einem erweiterten Verständnis bedeutet der Schutz der Natur Schutz des Bioplaneten, d. h. insbesondere Schutz und Erhalt der Funktionsabläufe. In diesem Sinne können auch weitgehende Eingriffe und Manipulationen durch den Menschen (Geoengineering, synthetische Biologie), ökonomisch Maßnahmen wie Steuererhebungen oder juristische Maßnahmen wie Verbote von Verbrennungsmotoren oder Kohlekraftwerken als Naturschutzmaßnahmen verstanden werden.

Für die Rechtfertigung solcher Eingriffe sind einmal auf breiter wissenschaftlicher Basis erstellte Analysen und Prognosen erforderlich. Zum anderen müssen diese Erkenntnisse Grundlage von Bildung und Ausbildung werden. Neben neuen technischen Lösungen muss  Naturschutz deshalb verstärkt um die menschliche Akteure einschließen. Sozio-ökonomische Aspekte müssen mit gedacht und interdisziplinär behandelt werden. Dazu gehören besondere Anreize für umweltfreundliches oder naturschutzkonformes Verhalten, deren Vorteile unmittelbar wirksam werden. Nur dann wird es möglich sein, den demokratischen Konsens herzustellen, der für eine politische Durchsetzung sinnvoller Maßnahmen notwendig ist.

Landschaftsgestaltung, Renaturierung, Regeneration

Landschaftsgestalterische Maßnahmen können zur Renaturierung oder sogar Regenerierung von Ökosystemen führen oder neue artenreiche Ökosysteme entstehen lassen.

  • Die Wiedervernässung von Mooren kann deren Fähigkeit wieder herstellen, Kohlenstoff in unvollständig abgebautem Pflanzenmaterial zu speichern. Außerdem wirken die Torfkörper der Moore regulierend auf den Wasserhaushalt.
  • Die Restauration und Neugewinnung ausgedehnter Schilfgürtel um Gewässer, kann die Qualität belasteter Gewässer verbessern, insbesondere den Nitrat- und Phosphatgehalt mindern, aber auch viele andere Schadstoffe binden.
  • Die naturnahe Gestaltung von stillgelegten Kiesgruben, Steinbrüchen  und Tagebauflächen  (z. B. Braunkohle)  kann ökologisch wertvolle Biotope und Landschaften entstehen lassen und damit die Biodiversität fördern.
  • Entrohrung, Renaturierung und Remäandrierung von Bachläufen kann die Wasserqualität verbessern, Überschwemmungsgefahren mindern und im Sinne eines natürlichen Wasserkreislauf wirken. Außerdem entstehen dadurch vielseitige Lebensräume, welche die Biodiversität fördern.
  • Die Anlage von marinen Hartsubstratböden, z. B. um Offshore-Windparks kann die Biodiversität fördern, insbesondere durch die Schaffung neuer Siedlungsflächen für Aufwuchsorganismen und Brutgebiete  für Fische.
  • Durch geeignete Maßnahmen können bisher eher als Plantagen genutzte Waldgebiete in naturnahe Wälder umgebaut werden.
  • In potenziellen Waldgebieten kann der Anteil der Bewaldung durch Aufforstungsmaßnahmen erhöht werden.
  • Extensiv genutzte Weideflächen („Wilde Weiden“) lassen vielseitig strukturierte Landschaften mit hoher Biodiversität entstehen.
  • Vor allem in Trockengebieten können überweidete Landschaften durch Regulierung des Weidegangs aufgewertet werden.
Durch Überweidung desertifizierte Landschaft in Nordafghanistan bei Kunduz,25.7.1974 (Foto W.Probst)

Für diese Renaturierungs- und Regenerationsmaßnahmen werden viele Arbeitskräfte benötigt. Durch entsprechende Förderprogramme können Landwirtschaft und Forstwirtschaft in Renaturierungsprogramme eingebunden werden.

Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, für solche Aufgaben verstärkt das Militär einzusetzen und dafür entsprechende Kenntnisse und Fertigkeiten in die militärische Ausbildung einzubauen (J. Ellington in Randers 2012).

Besonders spektakuläre Großprojekte sind Chinas „Grüne Mauer“ und die 2005 diesem Vorbild folgende von der Afrikanischen Union initiierte grüne Mauer durch die Sahelzone . Sie sollen Wüstenbildung aufhalten und teilweise rückgängig machen. 

Die chinesische „Grüne Mauer“ verdankt ihren Namen der chinesischen „Großen Mauer“: Während die Große Mauer Schutz gegen die Völker aus dem Norden bieten sollte, soll die Grüne Mauer vor Wüstenstürmen schützen. Das Projekt wurde schon 1978 begonnen und soll bis 2050 fortgesetzt werden. Bis dahin sollen 350.000 km² – dies entspricht etwa der Fläche der Bundesrepublik – mit Bäumen bepflanzt sein. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass durch die Bewässerung der neu angelegten Schutzwälder alte, flussbegleitende Wälder geschädigt werden (Missall u.a. 2018).

Afrikas „Grüne Mauer“ (GGWSSI; Great Green Wall of the Sahara and the Sahel Initiative) ist als 7775 km langer, mindestens 15 km breiter Baumstreifen geplant, der die Trockenregion am südlichen Rand der Sahara von Dakar bis Dschibuti durchziehen soll. Die Idee geht auf den 1987 ermordeten Präsidenten von Burkina Faso Thomas Sankara und auf die kenianische Professorin und Nobelpreisträgerin Wangari Maathai und ihr „green belt movement“ zurück. Unter der Präsidentschaft des damaligen Präsidenten von Nigeria Olusegun Obasanjo übernahm die Afrikanische Union das Projekt. Bisher wird es von 22 afrikanischen Staaten unterstützt. Mittlerweile sprechen viele Verantwortlichen nicht mehr von einer Mauer sondern eher von einem Mosaik, da verstärkt in Dorfgemeinschaften verwurzelte Projekte unterstützt werden sollen. Außerdem soll auch der Erhalt und  Schutz bereits existierender Baumbestände stärker gefördert werden.  Auf dem „One Planet Summit“ im Januar 2021 in Paris hat die internationale Gemeinschaft 11,8 Mrd. Euro für das Projekt zugesagt.

Über diese und zahlreiche weitere Aufforstungsprojekte berichtet Daniel Schilk in seinem 2019 erschienenen Buch „Die Wiederbegrünung der Welt“.

Ökosystemerhalt durch assistierte Evolution

Die Idee, gefährdete Arten dadurch zu erhalten, dass man sie in Gefangenschaft oder im Labor züchtet und dann in natürlichen Ökosystemen freilässt, ist schon mehr als 100 Jahre alt.1895 hat der Geschäftsmann und Ornithologe Edward McIlhenny auf diese Weise in Louisiana die vom Aussterben bedrohten Schmuckreiher erhalten. Zwischen 1885 und 1807 konnte Richard Henry den neuseeländischen Kakapo (flugunfähiger Papagei) und den Kiwi durch Translokation von Tieren auf die vor der Westküste Neuseelands liegenden Insel Resolution Island vor dem Aussterben retten (Seddon 2017). Mittlerweile gibt es viele mehr oder weniger erfolgreiche Beispiele solcher Versuche, durch Translokation oder Zucht und Aussetzen gefährdete Arten zu erhalten, in Mitteleuropa zum Beispiel Luchse, Biber und Waldtrappe. Dabei geht es nicht nur um den Erhalt der betreffenden Arten sondern auch um die Funktion der Ökosysteme. Durch die Wiederetablierung von Schlüsselarten hofft man, Ökosysteme zu regenerieren oder auch neue wertvolle Ökosysteme zu schaffen.

Doch auch über weitergehende Schritte wird nachgedacht. Dabei könnte die synthetischen Biologie eine wichtige Rolle spielen, indem ausgestorbene Arten wie das Wollhaar-Mammut oder der Auerochse gentechnisch rekonstruiert werden (De-Extinction, Redford 2017). Als Quelle könnte genetisches Material aus alten Sammlungen oder aus Fossilien und verwandte noch lebende Arten genutzt werden.

Die Überlegungen gehen noch einen Schritt weiter: Es können nicht nur natürliche Arten künstlich vermehrt oder wiederhergestellt, sondern auch „verbessert“, also durch Zucht oder Gentechnik gezielt verändert werden. Bei Riffkorallen soll zum Beispiel versucht werden die endosymbiontisch Zooxanthellen gentechnisch so zu verändern, dass sie auch bei höheren Meerestemperaturen funktionsfähig bleiben und dadurch Korallenbleiche vermieden werden können. Allgemein soll es durch das Einbringen solcher „verbesserter“ Lebewesen, die veränderte Umweltbedingungen besser aushalten,gelingen Ökosysteme als Ganzes zu erhalten.

Bisher wird Assistierte Evolution vor allem an Korallenriffen erprobt.

Erhalt, Regeneration und Neuschaffung von Ökosystemen mit Hilfe Assistierter Evolution (Grafik W.Probst)

Verhinderung der Klimaerwärmung durch Geoengineering

Durch technische Eingriffe in das Klimasystem (Geoengineering) soll die Klimaerwärmung vermindert werden. Dabei sind vor allem zwei Möglichkeiten denkbar:

  • Der Atmosphäre werden direkt Treibhausgase, insbesondere Kohlenstoffdioxid, entzogen (Carbon Dioxid Removal CDR, Carbon Capture and Storage, CCS).
  • Die auf die Erde eintreffende Sonnenstrahlung wird verringert (Solar Radiation Management SRM).
Methoden des Geoengeneering (W. Probst verändert nach Angaben in Gynsky u.a. 2011)

Die Bindung von Kohlenstoffdioxid kann entweder terrestrisch oder marin erfolgen. Klassische Vorschläge beruhen auf Methoden, durch die der Aufbau von Biomasse – zum Beispiel durch großflächige Aufforstung – gefördert wird oder Kohlenstoff haltiges Material in den Boden eingearbeitet wird (Beispiel Terra Preta). Auch Möglichkeiten, CO2 direkt aus der Luft zu filtern und unterirdisch dauerhaft zu speichern – zum Beispiel durch Einpressen in tiefliegende geologische Formationen (Carbon Capture and Storage, CCS). Die meisten derzeit laufenden Pilotprojekte testen die Integration dieser Art der CO2 Abscheidung direkt in der Kombination mit Kohlekraftwerken, weil dort in den Abgasen der CO2 Gehalt hoch ist. Die Möglichkeit der direkten Filterung aus der Luft, in der CO2 derzeit höchstens zu 0,5 Volumenpromille enthalten ist, wäre bisher zwar möglich aber sehr kostenaufwendig.

Um CO2 verstärkt in den Ozeanen zu binden, wird die Ozeandüngung diskutiert. Dabei bedient man sich der sogenannten biologischen Pumpe. Kohlenstoffdioxid wird von Mikroalgen assimilert und ein Teil davon wird als dauerhaftes Kohlenstoff-haltiges Sediment am Meeresboden abgelagert. Durch Düngung könnte die Phytoplanktonproduktion angeregt werden. Da man von den Makronährmineralien Nitrat und Phosphat sehr große Mengen benötigen würde, hat man bei bisherigen Versuchen mit dem Mikronährmineral Eisen gearbeitet Entsprechende verhältnismäßig kleinräumige, zeitlich begrenzte Versuche, die zu Beginn des Jahrhundert durchgeführt wurden, hatten allerdings wenig überzeugende Ergebnisse. Zwar konnte man zunächst Algenblüten bewirken, aber das Absinken des Phytoplanktons trat nur in sehr geringem Maße ein. Ein großer Teil wurde vom Zooplankton aufgenommen und dadurch veränderten sich die Nahrungsnetze. Auch die Blüte von toxischen Kieselalgen konnte beobachtet werden. Zudem ist die kontinuierliche Düngung sehr energieaufwendig und die Bilanz des tatsächlich gebundenen CO2 ist dadurch viel geringer als zunächst theoretisch berechnet wurde.

Eine weitere Möglichkeit, die Phytoplanktonproduktion zu erhöhen, läge in der Manipulation der marinen Schichtung. Wenn man verstärkt nährmineralreiches Tiefenwasser in obere Wasserschichten verlagern könnte – wie dies unter derzeit natürlichen Bedingungen zum Beispiel an der Westküste des amerikanischen Kontinents geschieht – könnte man die Phytoplanktonproduktion anregen. Entsprechende aus langen Rohren bestehende Pumpen, die vom Wellenschlag angetrieben werden, wurden zwar erfolgreich konstruiert. Um einen messbaren Effekt bei der marinen CO2– Speicherung zu erreichen, wären allerdings eine sehr große Zahl solcher Pumpen notwendig und die Folgewirkungen sind schwer abzuschätzen.

Außer durch die biologische Pumpe wird auch durch eine physikalische Pumpe CO2 von der Oberfläche in die Tiefen der Weltmeere befördert. Kalte Wassermassen mit hohem Salzgehalt im Nordatlantik und in dem antarktischen Zirkularstrom sinken ab und setzen globale Meeresströmungen in Gang, bei denen es an anderer Stelle zum aufsteigen von Tiefenwasser kommt. Da CO2 in kaltem Wasser eine höhere Löslichkeit hat als in wärmeren Wasser, wird durch diesen Prozess langfristig CO2 aus der Atmosphäre in die tieferen Wasserschichten transportiert. Aber alle Methoden, die bisher versucht wurden, um diesen Absinkeprozess zu verstärken, waren nicht erfolgreich, insbesondere, weil das Absinken des Wassers an anderen Stellen den Auftrieb verstärken und damit kohlenstoffdioxidreiches Wasser an die Oberfläche befördern würde. Ob die Bilanz dann tatsächlich zu einer verstärkten marinen CO2– bzw. C-Speicherung führen würde, ist fraglich.

Die zweite Möglichkeit ist die Verringerung der auf der Erde auftretenden Sonnenstrahlung, also die Beeinflussung des Strahlungshaushaltes (Solar Radiation Management SRM). Sie beruht einmal auf Methoden, welche die Reflexion der Strahlung verstärken, also die Erhöhung des Albedos der Erdoberfläche. Diskutiert wird zum Beispiel das Weißeln von Dachflächen oder die Installation von großen Reflektorflächen in Wüsten oder auf Meeren. Zur zum anderen könnte das Einbringen von Aerosolen in die Stratosphäre oder von großflächigen Spiegeln in den Weltraum das Durchdringen der Sonnenstrahlen bis zur Erdoberfläche verringern. Alle diese Methoden sind höchst umstritten, da man nur schwer Aussagen über die dabei auftretenden Nebeneffekte und Folgen machen kann. Außerdem ist der finanzielle Aufwand sehr hoch.

Insgesamt birgt Geoengineering große Risiken. Wenn sich aber zeigt, dass die vom Weltklimarat 2018 festgelegten Klimaziele  anders nicht erreicht werden können, wird man die Risiken einiger solcher Methoden wahrscheinlich in Kauf nehmen (Ginsky u.a. 2011).

Kreislaufwirtschaft zur Abfallvermeidung

Vermeidung von Abfall und Umweltverschmutzung  muss nicht (nur) auf Sparsamkeit und Verzicht aufgebaut sein, mindestens genauso wichtig ist eine konsequente Kreislaufwirtschaft: Alle Produkte müssen so konzipiert und  hergestellt werden, dass sie „rematerialisierbar“ sind, ob Möbel, Kleider, Autos, Baumaschinen Häuser oder Lebensmittelverpackungen. Nach Ansicht des Chemiker und Designers Michael Braungart und des Architekten William McDonough ist dieses „cradle to cradle-Prinzip“ (C2C, „Von der Wiege zur Wiege“)  sogar alleine entscheidend. (McDounough, Braungart 2009). Sie berufen sich dabei auf die Natur als Vorbild. Die üppigsten und artenreichsten Ökosysteme, die tropischen Regenwälder, sind nicht nur die produktivsten, sie setzen auch die größten Stoffmengen um. Daraus folgert Braungart, dass es nicht darum gehen kann, zu „sparen“ also, weniger umzusetzen, sondern darum, nicht zu „verbrauchen“ sondern zu „gebrauchen“. „Verschwendet! Aber richtig: Macht keinen Müll!“ fordert er. Sonnenenergie steht im Prinzip soviel zur Verfügung, dass es kein Problem ist, verschwenderisch damit umzugehen. Soziale Ungerechtigkeit und das Nord-Süd-Ungleichgewicht können nicht durch Sparsamkeit gelöst werden. Ihre Lösung ist aber Voraussetzung für geordnete, friedliche Verhältnisse auf unserem Planeten.

Dieses Konzept steht in gewissem Widerspruch zu der Forderung einer verminderten Ressourcennutzung wie sie vom Wuppertal Institut für Klima,Umwelt, Energie, zunächst als „Faktor 4“ (v. Weizsäcker, Lovins, Lovins 1995) später als „Faktor 10“ (Schmidt-Bleek 1997) propagiert wurde. Sicher kann es bei einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Wirtschaft nur um ein „Sowohl-als-auch“ gehen, denn Kreislaufprozesse ganz ohne Abfall und Umweltschäden – das zeigt auch das Vorbild Natur – gibt es nicht. Fossile Brennstoffe sind ein Beispiel für solche natürlichen Abfälle und globale Katastrophen. Gutes Beispiel für die menschliche Wirtschaft  ist die große Verschwendung von Nahrungsmitteln und die damit verbundene Zerstörung von gut funktionierenden Kreislauf-Ökosystemen und inhumaner Nutztierhaltung.

Wie zukünftiges Wirtschaften verbessert werden könnte zeigt ein in Dänemark entwickelter Industriepark, in dem eine „Symbiose“ zwischen verschiedenen Industrieunternehmen nicht nur eine starke Abfallverminderung sondern auch eine bessere Energienutzung ermöglichen (Kalundborg Symbiosis 2020).

Das größte Problem beim Plastikabfall sind die Verpackungen. Eine konsequente Einführung von kompostiertem Verpackungsmaterial könnte hier große Verbesserungen bringen. Weltweit hat die sehr erfolgreiche Einführung von Kaffeepads aus Kunststoff oder Aluminium zu einem enormen Anstieg von Verpackungsmüll und Ressourcenverbrauch geführt, jährlich mittlerweile über 40 Milliarden Kapseln. Aber immer mehr Firmen versuchen, kompostierbare Verpackugen zu produzieren. Ein Beispiel ist die Firma Nexe Innovations, die derzeit mit ihren kompostierbaren Kaffeepads recht erfolgreich ist, die in allen gängigen Kaffeemascinen verwendet werden können.

Neobiota-Management

Im Laufe der Erdgeschichte zerbrachen Kontinente oder schoben sich zusammen, Inseln und Inselarchipele entstanden neu oder gingen unter, aus Grabenbrüchen wurden Ozeane, Meeresbuchten wurden abgetrennt, Binnenmeere öffneten sich zum Ozean. Diese geologischen Ereignisse wurden begleitet  von Ausbreitung, Rückgang, Einwanderung und Auswanderung von Lebewesen. Die Invasion neuer Arten und die Ausbreitung von Krankheitserregern und die dadurch bedingten Veränderungen von Ökosystemen sind ein natürlicher Vorgang in der Geschichte des Lebens. Doch im Gegensatz zu den geologischen Veränderungen haben die anthropogen verursachten globalen Veränderungen der letzten Jahrhunderte und vor allem der letzten Jahrzehnte zu einer enormen Beschleunigung dieser Invasionen beigetragen.

Schon im Zeitalter der europäischen Eroberungen und Kolonisationen und der Einwanderung von Europäern nach Amerika und Australien  wurden Tier- und Pflanzenarten von Menschen gezielt von Kontinent zu Kontinent verbreitet.

In den letzten Jahrzehnten haben der globale Warenaustausch und der Reiseverkehr, aber auch die gezielte Einfuhr gebietsfremder Arten, zu einer starken Zunahme von Neobiota (Neubürgern) geführt. Diese Einwanderer sind ein ernst zu nehmendes Naturschutzproblem geworden. Durch die Verdrängung einheimischer Arten können sie Ökosysteme verändern und schließlich das Aussterben von Arten bewirken („invasive Arten“). In der EU-Liste invasiver gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten („Unionsliste“) werden derzeit 66 Tier- und Pflanzenarten als möglicherweise invasiv aufgelistet. Bereits in Deutschland etabliert sind zum Beispiel der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum), das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera), der Kamberkrebs (Orconectes limosus) und die Amurgrundel (Percottus glenii) (NABU 2019). Neben einer Konkurrenz mit einheimischen Arten geht es dabei auch um Schädlinge wie Kartoffelkäfer, Asiatischem Marienkäfer, Varoamilbe oder Buchsbaumzünsler, gegen die ansässige Arten kaum Abwehrkräfte entwickelt haben.

Wegsaum mit Drüsigem Springkraut (Impatiens glandulifera) im Rotwildpark Stuttgart, September 1991. Die Art stammt aus dem Himalaja und wurde 1839 nach England eingeführt. Von dort gelangte sie auf den Kontinent. Heute gilt sie als invasiver Neophyt und wird teilweise bekämpft. Verschiedene Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Pflanze die natürliche Waldverjüngung kaum negativ beeinflusst (Foto W. Probst).

Besonders gefährdet durch invasive Arten waren und sind Inseln mit speziellen Ökosystemen und vielen endemischen Arten. Die absichtliche Aussetzung von Ziegen und Schweinen und die unabsichtliche Einfuhr von Ratten durch die frühen Seefahrer des 16.-19. Jahrhunderts hatten schon verheerende Auswirkungen auf pazifischen Inseln, aber auch die Besiedlung von Amerika, Australien und Neuseeland durch Europäer hat einen gewaltigen Invasionsschub verursacht, der das Ende zahlreicher einheimischer Arten bewirkte. Gut dokumentiert ist der Artenrückgang auf der Pazifikinsel Guam, der durch die eingeschleppte Braune Nachtbaumnatter (Bioga irregularis) verursacht wurde (Probst 2010).

Aber sind alle Neobiota problematisch? Einer der führenden Neobiota-Forscher, Ingo Kowarik, gibt darauf folgende Antwort:

  • Ja, wenn Veränderungen von Natur als Problem gesehen werden.
  • Ja wenn „Fremdes“ als negativ gesehen wird.
  • Nein, wenn unterschiedliche Auswirkungen berücksichtigt werden.

(Ingo Kowarik bei einem Vortrag zum Landesbiologentag an der Universität Hohenheim am 7.11.2020).

Durch auf wissenschaftlichen Grundlagen erarbeitete Management-Pläne versucht man, schädliche Auswirkungen von Neobiota auf die Biodiversität zu begrenzen. Ein Beispiel: Durch den organsierten Austausch von Ballastwasser in der marinen Schifffahrt seit 2017 soll die Einschleppung gebietsfremder Arten verhindert werden.

Pandemien und Naturschutz

Mit dem globalisierten Austausch von Menschen und Waren haben sich auch Krankheitserreger ausgebreitet. Dies führte nicht selten in den neuen Ausbreitungsgebieten zu verheerenden Epidemien. Besonders betroffen waren  indigene Bevölkerungsgruppen Amerikas, zum Beispiel die mittlerweile (fast?) ausgestorbenen Ureinwohner Feuerlands, die Yagan oder Yamana (Kaiser 2013).

Auch in umgekehrter Richtung wurden schon lange Keime übertragen, zum Beispiel der Cholera-Erreger Vibrio cholerae aus Indien. Auch die Übertragung von Krankheitserregern von Tieren auf Menschen geht bis in das Neolithikum zurück, als durch die Einführung der Nutztierhaltung der Kontakt zwischen Tieren und Menschen enger wurde. Masern und Tuberkulose stammen von Kühen, Keuchhusten von Schweinen und Grippe von Enten (Shah 2020).

Die rasant voranschreitende Globalisierung der letzten Jahrzehnte hat die rasche Ausbreitung von Krankheitserregern, insbesondere von Bakterien und Viren, weiter gefördert. Dabei spielen nicht nur die größere Mobilität der Bevölkerung und der Reiseverkehr über große Entfernungen eine wichtige Rolle, sondern auch die immer stärkere Einschränkung von Wildtierpopulationen durch Verlust natürlicher Lebensräume, zum Beispiel tropischer Regenwälder. In den kleineren Populationen können sich Erreger schneller ausbreiten. Außerdem fördert der immer intensivere Kontakt der ständig wachsenden menschlichen Bevölkerung mit Tieren früher sehr abgelegener Regionen den Übergang von Krankheitskeimen von Wildtieren zu Menschen (Beispiel AIDS, Ebola, Vogelgrippe H1N5, SARS-Corona, Covid 19; vgl. Ruppert 2021, Keesing 2010, Jones 2008).

Man kann nur hoffen, dass die derzeitigen Erfahrungen mit der Covid 19 Pandemie zu einem Umdenken und einer vorsichtigeren Vorgehensweise führen.

Die immer intensivere Einflussnahme des Menschen auf alle Lebensräume und die räumliche Einschränkung naturnaher Biotope sollte gestoppt und womöglich rückgängig gemacht werden. Dabei geht es insbesondere darum, die Vielfalt der Arten in ausreichender Populationsgröße zu erhalten. Dadurch kann erreicht werden, dass sich Viren, auch neue mutierte Viren, nicht flächendeckend ausbreiten, sondern eher in einer Nische bleiben und nach einiger Zeit wieder Aussterben (infektionsbiologischer Verdünnungseffekt). Auch Generalisten wie Ratten oder Sperlinge, die für die Übertragung auf menschliche Populationen besonders gefährlich sind, sind in intakten Ökosystemen weniger verbreitet .

Inklusiver Naturschutz

Naturschutz sollte nicht nur in abgegrenzten Gebieten oder Biotopen stattfinden sondern überall. Die Einrichtung von Naturschutzgebieten hat zwar insofern eine gewisse Berechtigung, als es leichter ist, ökologisch wertvolle Lebensgemeinschaften, Schlüsselarten und Habitate auf diese Weise zu schützen. Außerdem sind naturnahe, von Menschen wenig beeinflusste Gebiete eine wichtige Voraussetzung für die ökologischen Funktionen des Bioplaneten. Es besteht aber die Gefahr, dass außerhalb von Schutzgebieten auf Natur und natürliche Funktionsabläufe keine oder zu wenig Rücksicht genommen wird. Angesichts der immer intensiveren Nutzung der Erde durch den Menschen wird es außerdem immer schwieriger, ausreichende Flächen für ungenutzte Gebiete bereitzuhalten. Flächendeckender „inklusiver“ Schutz der Natur auch in Städten und Gewerbegebieten, in Agrarlandschaften und entlang von Verkehrswegen wird deshalb immer wichtiger. Es gibt mittlerweile viele Ansätze, wie Natur auch außerhalb von Schutzgebieten nicht „ausgeschaltet, sondern eingeschaltet“ werden kann (Le Roy 1973), und Biodiversität und natürliche Funktionsabläufe erhalten bleiben.

Städte und Siedlungen

Zwischen 1985 und 2015 hat die die Ausdehnung von Städten und Siedlungen jährlich um 9687 km² zugenommen, mit steigender Tendenz (Liu et al. 2020). Damit ist der Flächenverbrauch der Städte schneller gewachsen als die Bevölkerung. Für eine nachhaltige Entwicklung müssen Städte deshalb „ökologisch“ werden. Eine Stadt mit großen Grünanlagen wie Parks und Gärten bietet zwar eine hohe Lebensqualität und eine bessere Ökobilanz. Dies geht aber insofern auf Kosten der Umgebung, als sie mehr Fläche für denselben umbauten Raum benötigt. Eine Erfolg versprechende Möglichkeit für dicht bebaute Großstädte ist die Integration von Bauwerken und Grünanlagen.

Neben Minderung des Klimawandels durch eine Verbesserung der CO2-Bilanz können dadurch auch die Auswirkungen einer Klimaerwärmung verringert werden (Grewe 2020). Schließlich wirken mit Sachverstand begrünte Städte auch dem Verlust der Biodiversität entgegen.

Die dynamische Vergrößerung städtischer Flächen von1985-2015. Datengrundlage sind Landsataufnahmen mit einer Auflösung von 30m. b) Steigungsrate des Stadtflächen-Wachstums auf den verschiedenen Kontinenten (Quelle Liu et al. 2020).
Vernetzte Dachgärten (Zeichnung W.Probst)

Dächer

Schon lange zählt es zu Attributen ökologischer Bauweise, Dächer zu begrünen. Die Etablierung und Ausgestaltung solcher Dachgärten und Wiesen ist aber noch sehr stark ausbaufähig, wie man auf Luftbildern von Städten leicht erkennen kann. Begrünte Dächer können durch Brücken vernetzt werden. Durch treppenartige Anordnung von Gebäudeteilen können Verbindungen zur bodenständigen Grundflächen hergestellt werden.

Fassaden

Auch begrünte Fassaden gibt es schon lange, aber eher an alten Bauernhäuser auf dem Land als an mehrgeschossigen Stadthäusern, Bankhochhäusern und Industrieanlagen. Eine Möglichkeit: Flächenhafte Begrünungsmodule, die mit einfachen Mitteln an Fassaden angebracht werden können und die durch Anschluss an eine Bewässerungsanlage wartungsarm sind. Die Elemente können aus einem Gerüst bestehen, an dem mehrere auswechselbare Pflanzgefäße aufgehängt werden. Fensterfassaden könnten  durch berankte Schnurgerüste – Hopfenfeldern vergleichbar – begrünt und beschattet werden.

Ein interessanter Vorschlag sind vorbegrünte Pflanzennetze. Solche „Urban Pergolas“ sollen als Verschattungssystem der Aufheizung von Fassaden entgegenwirken und die Städte in einen „diversen Großstadtdschungel“ verwandeln. Die Pflanzennetze können an einem oder zwischen mehreren Gebäuden angebracht werden und dadurch Grünflächen schaffen, ohne andere Nutzungen den Platz wegzunehmen (Urban Pergola 2021).

Balkone

Eine weitere Möglichkeit der vertikalen Begrünung, die in wenigen Beispielen schon verwirklicht ist, wäre die Ausgestaltung von Pflanzbalkonen mit Sträuchern und Bäumen (Boeri 2015).

Städte mit grünem Pelz

Ergänzend zu den genannten Maßnahmen können Verkehrswege, insbesondere Straßen und Schienenverkehr, wie U-Bahnen unter die Oberfläche verlegt werden, wodurch Platz für bodenständige Grünanlagen aber auch Rad- und Fußwege gewonnen würde. Regenwasser können den Zisternen gespeichert und in Trockenperioden zur Bewässerung genutzt werden wodurch die Kanalisation entlastet würde.

So könnten schließlich Städte entstehen, die ganz in einem grünen Pelz eingehüllt sind und die sich fast übergangslos in die umgebende Landschaft einfügen (vgl. Jean Nouvel 2014, Boeri 2015).

Begrünte Wohnblocks (Modellbau W.Probst)

Landwirtschaft

In der Landwirtschaft sollten großflächige Monokulturen durch ökologisch wertvollere Netze (Feldhecken, Blumenstreifen, Bachläufe) und Inseln (Feldgehölze, Feuchtgebiete) unterbrochen werden. Mischkulturen aus Gehölzen, mehrjährigen und einjährigen Nutzpflanzen (Agroforestry) könnten vor allem in wärmeren Klimaregionen eine ökologische Alternative zu Monokulturen darstellen. Die sehr aufwändige arbeitsintensive Bewirtschaftung würde durch einen Einsatz intelligenter Maschinen zu vertretbaren Produktionskosten möglich.

Nachhaltige Landwirtschaft: Vertical Farming spart Flächen und erleichter Stoffkreisläufe; Vernetzung durch Feldhecken und Wildpflanzenstreifen erhöht die Biodiversität in Agrarflächen und wird durch intelligente Maschinen möglich; Agroforestry, Anbau von Kulturpflanzen in mehreren Vegetationsschichten, fördert die Biodiversität und eignet sich vor allem für wärmere Klimazonen (z.B. in Kombination mit Kaffee- und Kakaoanbau) (Zeichung W.Probst)

Landwirtschaft 4.0

Lange Zeit wurden Landmaschinen – den Dinosaurier vergleichbar – immer größer und größer. Vergleicht man einen Traktor aus den 19hundertfünfziger Jahren mit einer heutigen Maschine wird dieser Hang zum Gigantismus deutlich. Er hängt natürlich direkt zusammen mit der Vergrößerung der landwirtschaftlichen Betriebee und vor allem der bewirtschafteten Flächen. Die Dinosaurier sind nicht zuletzt auch wegen ihrer Größe ausgestorben. Die immer größeren Landmaschinen stellen für die Landwirte eine große finanzielle Belastung dar und sicher sind sie ein Grund dafür, dass immer mehr landwirtschaftliche Betriebe aufgeben müssen. Auch die Verdichtung der Böden durch die Riesentraktoren ist ein großer Nachteil. Die Entwicklung kleiner intelligenter Landmaschinen könnte eine neue, ökologisch verträglichere und damit nachhaltigere Form der Landbewirtschaftung einleiten. Diese Maschinen könnten – ähnlich wie ein Schweizer Armeemesser – viele Funktionen in sich vereinen: ein Roboter, der jede Pflanze individuell behandelt, nicht nur mit Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden, sondern auch mit angepassten Düngemitteln, und der auch für eine gezielte Bewässerung sorgt. Dies alles könnte in einem Arbeitsgang und in individuell angepassten Mengen geschehen. Die Folgen einer solchen Behandlung von Einzelpflanzen statt von ganzen Feldern bedeutet nicht nur eine deutliche Reduktion benötigter Chemikalien und anderer Ressourcen. Diese Maschinen könnten von Drohnen oder von Satelliten gesteuert die jeweiligen Zielorte erreichen. Eine Weiterentwicklung der Erntemaschinen könnte Mischkulturen und Agroforestry wirtschaftlicher machen.

Vertical Farming

Eine zukunftsweisende und flächensparende Form zur Produktion von Nahrungsmitteln und anderen nachwachsenden Rohstoffen wird mit dem Begriff „Vertical Farming“  bezeichnet. Der New Yorker Professor für Umweltgesundheit und Mikrobiologie Dickson Despommier entwickelte mit seinen Studenten ab 1999 entsprechende Ideen  zunächst für die Nahrungsmittelversorgung der 50000 Einwohner Manhattans. Ausgangspunkt waren Überlegungen zum möglichen Gemüseanbau auf Dachflächen. In der Weiterentwicklung  wurden Hochhäuser geplant, die insgesamt der Pflanzenkultur dienen sollen. Diese Einbindung von Farmen in das Innere von Gebäude wird mit dem Begriff „Sponge City- Architecture“ oder „Agritecture“ bezeichnet. In mehreren oder allen Stockwerken eines solchen  Hochhauses sollen Pflanzen auf optimale Weise automatisch gesteuert und reguliert kultiviert werden. Gleichzeitig sind diese Kulturen in Kreislaufsysteme, insbesondere der  Wasserwiederverwendung und Abwasseraufbereitung, eingebunden (Despommier 2011). Auch eine Kopplung mit Aquakulturen und anderen Formen der Nutztierhaltung ist möglich.

Der Vorteil solcher Plantscraper ist nicht nur der gegenüber normalem Farmland  10-20mal geringere Flächenverbrauch. Erhebliche Ressourcen könnten dadurch ein gespart werden, dass es einen geschlossenen Wasserkreislauf gibt und kontrollierte Umgebungsbedingungen den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln reduzieren. Die Kulturen sind unabhängig von Außenbedingungen wie Dürre, Frost, Starkniederschläge, Hagel und Sturm und sie können ganzjährig betrieben werden. Künstliches Licht kann Pflanzenwachstum rund um die Uhr auch in dunklen Jahreszeiten ermöglichen. Die schnellere und einfachere Versorgung der städtischen Bevölkerung mit frischen Nahrungsmitteln erfordert weniger Transportkosten, verbessert die Luft und mindert über Wasserspeicher die Überflutungsgefahr. Die Energieversorgung kann über Solarzellen, Windenergieanlagen und die Produktion von Biogas aus organischen Abfällen in einem Kreislaufsystem gesichert werden.

Der extrem dicht bevölkerte Stadtstaat Singapur plant seine Nahrungsmittelversorgung durch schwimmende Hochhäuser zu verbessern.

Geplante schwimmend Plantscraper für Singapur (Quelle
https://www.designboom.com/architecture/forward-thinking-architecture-japa-floating-responsive-agriculture-07-18-2014/ )

Voraussetzungen für den erfolgreichen Betrieb solcher Hochhausfarmen ist eine ausgefeilte Technik, die von intelligenten Computersystemen gesteuert wird. Das schwedische Architekturbüro Plantagon plant ein Forschungszentrum für urbane Landwirtschaft in Linköping zu entwickeln. Ausgangspunkt soll ein im Bau befindlicher Plantscraper sein, an dem technische Systeme erprobt und verbessert werden können.

Modell-Plantscraper in Linköping,Schweden, im Bau (Quelle: http://www.plantagon.com/about/business-concept/the-linkoping-model/ )

Verkehrswege

Durch Brücken und Tunnel kann der Zerschneidungseffekt von Verkehrswegen gemindert werden (Zeichnung W.Probst)

Je dichter die Besiedelung, desto dichter sind nicht nur Städte, Siedlungen  und Industrieanlagen, desto dichter ist auch das Netz von Verkehrswegen, insbesondere Straßen und Autobahnen (in Deutschland  derzeit nach Erhebung des Umweltbundesamt knapp 20000 km², das entspricht rund 5,5% der  Landesfläche). Das wirkt sich r nicht nur über den Flächenverbrauch und die Versiegelung sondern vor allem über den Zerschneidungseffekt nachteilig auf die Funktion von Ökosystemen aus. Mehr noch als Pflanzenarten sind Tierpopulationen durch die dadurch bedingte Verinselung betroffen. Auch die direkte Tötung von Tieren durch den Verkehr spielt eine Rolle. Indirekt wirkt sich dies über die Bestäuber und die Verbreitung von Früchten und Samen auf die Vegetation aus.

Eine Verbesserung kann einmal durch geeignetes Straßenbegleitgrün erreicht werden (Kühne/Freier 2012). Vor allem aber kann die trennende Wirkung von Verkehrsflächen durch Brücken, sowohl Brücken über schützenswerte Landschaftsteile als auch verbindende Grünbrücken, und Tunnel erreicht werden. Schutzgräben oder Zäune können in Kombination mit kleinen Tunneln insbesondere  Amphibien bei ihren Laichwanderungen schützen (Krötenzaun, Krötentunnel).   Nicht mehr benötigte Verkehrswege sollten renaturiert (entsiegelt) werden.

Schließlich sind die hohe Verkehrsdichte und die damit verbundenen Emissionen der Verkehrsmittel ein großes Problem. Sie wird einmal durch den Individualverkehr, zum anderen durch den Güterverkehr verursacht. Beide haben in den letzten Jahrzehnten ständig zugenommen. Eine größere Verlagerung dieses Verkehrs auf die Bahn wird schon lange als Ziel formuliert, ließ sich aber bisher politisch nicht durchsetzen. Auch eine Förderung dezentraler Produktion könnte der ständigen Zunahme des Güterverkehrs entgegenwirken.     

Quellen

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Crutzen, P. J. (2002): Geology of mankind. Nature 415, p.23

Daily, G. C. (2001): Ecological forecast. Nature 411, p.245

Dasgupta,  P. (2020): Interim Report – The Dasgupta Review: Independent Review on the Economics of Biodiversity. Crown copyright. https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/882222/The_Economics_of_Biodiversity_The_Dasgupta_Review_Interim_Report.pdf

Despommier, D. (2011): The vertical  farm: Feeding the world in the 21th century. Picador (Nachdruck der Ausgabe von 2010)

De Souza Machado, A. A., Lau, C. W. u. a. (2019): Microplastics Can Change Soil Properties and Affect Plant Performance. In: Environmental Science & Technology. 53, S. 6044, doi:10.1021/acs.est.9b01339.

Dierkes, P., Homes, V. (2017): Artenschutz. UB 427 (41.Jg.), S. 2-11, Seelze: Friedrich

Gynsky, H. u. a. (2011): Geo-Engeneering – wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn? Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/4125.pdf

Hallmann, C. A. u.a. (2017): More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas.PLOS one https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0185809

Heinrich-Böll-Stiftung und BUND (2020): Der Plastikatlas 2019, 4. Aufl.

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Der grüne Pelz

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Entstehung

Die Erde bildete sich vor etwa 4,6 Mrd. Jahren. 0,5 bis 1 Mrd. Jahre später traten die ersten Lebewesen auf und schon vor ca.3,5 Mrd. Jahren entwickelten sich die ersten Cyanobakterien, die mithilfe von Sonnenlicht aus Wasser und  Kohlenstoffdioxid Kohlenhydrate und Sauerstoff herstellen konnten. Der Sauerstoff oxidierte Mineralien und löste sich in den Ozeanen. Erst nach etwa 1 Mrd. Jahren waren diese Oxidationsprozesse abgeschlossen und der O2-Gehalt der Atmosphäre begann stark anzusteigen – mit tödlichen Folgen für obligate Anaerobier aber mit einem großen Vorteil für Lebewesen, die zur aeroben Atmung mit Sauerstoff in der Lage waren. Mit Photosynthese und Atmung war die Grundlage für effektive chemische Kreisläufe in der Biosphäre geschaffen.

Seither hat sich die Stoffproduktion durch Photosynthese stetig vermehrt, auch wenn es immer wieder kleinere oder größere Rückschritte gab. Vor etwa 400 Mio J. begann die Besiedelung des Festlandes durch grüne Pflanzen und dieser grüne Pelz überzog von Feuchtgebieten ausgehend immer größere Flächen der Kontinente. Der Pelz wurde auch immer dichter und höher. Die höchsten Bäume können über 100 m  hoch werden und die Pflanzendecke ist vielfach geschichtet. Die Pflanzen wurden durch natürliche Selektion  an immer extremere Lebensbedingungen angepasst, sodass immer trockenere und immer kältere Gebiete  einen grünen Pelz bekamen.

Beschädigungen

Waren in der früheren Erdgeschichte  vor allem  plattentektonisch bedingte Veränderungen der Kontinente, Vulkanausbrüche und Asteroideneinschläge aber auch biogene Veränderungen des CO2-Gehalts der Atmosphäre für Rückschritte bei dieser Entwicklung verantwortlich, so ist es heute die menschliche Zivilisation, durch die der grüne Pelz des Bioplaneten Erde beschädigt wird. Diese Beschädigungen haben mittlerweile ein Stadium  erreicht, das für die menschliche Zivilisation und für die derzeitigen Ökosysteme gefährlich wird. Denn angesichts der großen Populationsdichte der Menschen und des Zivilisationsgrads wird der grüne Pelz der Erde verringert und in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt.77% der Landfläche (ohne Antarctica) und 87 % der Meere sind derzeit durch menschliche Aktivitäten verändert worden (Watson, Allen u.a.2018).

  • Städte werden immer größer, Verkehrsnetze immer dichter, Agrarflächen, die mit ihren Monokulturen eine deutlich geringere regulatorische Wirkung haben als natürliche Vegetation, dehnen sich immer weiter aus und lassen das grüne Fell der Erde räudig werden.
  • Die Kapazität des grünen Pelzes wird im Hinblick auf eine ausgeglichene Stoffbilanz des Bioplaneten Erde dadurch überschritten, dass fossile Energieträger zur Energiebereitstellung verbrannt und zur (Kunst-)Stoffproduktion genutzt werden. Besonders die starke Zunahme des Treibhausgases CO2 führt zu einer deutlichen Klimaerwärmung.
  • Der Eingriff in den Stickstoffkreislauf durch anthropogene Umwandlung des Luftstickstoffs (N2) in reaktionsfreudige Stickstoffverbindungen kann sich über verminderte Biodiversität und Veränderung der Atmosphäre (Verringerung der UV-Licht filternden Ozonschicht) negativ auswirken.

Diese Veränderungen stellen für den Bioplaneten keine existentielle Gefahr dar, das Leben auf der Erde wird diese Veränderungen ebenso überstehen, wie es andere oft noch viel drastischere Ereignisse im Laufe der Erdgeschichte überstanden hat. Für die menschliche Zivilisation in ihrer heutigen Form stellen sie aber eine existentielle Bedrohung dar. Für eine nachhaltige Entwicklung des Bioplaneten als Lebensraum für die Menschen ist der Erhalt des grünen Pelzes deshalb von entscheidender Bedeutung.

Städte

Sao Paulo,12,3 Mio Einwohner (Quelle: pixibay, joelfotos)

Mit der zunehmenden Bevölkerung werden Städte immer größer und  überdecken immer größere Flächen (Liu u.a.2020). Herkömmliche Städte sind nicht grün, sie haben Oberflächen, die vorwiegend aus Beton, Steinen, Glas und Asphalt bestehen. Die photosynthetische Stoffproduktion ist niedrig, die CO2-Produktion ist viel höher als der CO2-Verbrauch, C-Speicherug in Vegetation und Boden ist gering. Ebenso gering im Vergleich zu natürlichen Ökosystemen ist das Rückhaltevermögen für Regenwasser, sodass es bei den durch Klimawandel vermehrten Starkregen immer häufiger zu Überschwemmungen kommt. Pflanzliche Oberflächen verdunsten Wasser und produzieren Verdunstungskälte. Steine und Beton speichern Wärme. Beides führt dazu, dass  das Stadtklima wärmer ist als das Klima in der Umgebung. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Luftaustausch mit der Umgebung durch die Gebäude behindert wird.

Mögliche Verbesserungen:

Stichworte

Grüne Stadt: Dächer; Fassaden; Boden; Schichten: Kraut, Strauch, Baum

Blaue Stadt: Teiche; Zisternen; Überflutungsflächen; veränderte (entrohrte, mäandrierende) Fließgewässer

Vernetzung: Grünschneisen; Verbund begrünter Dachflächen

Eine Stadt mit großen Grünanlagen wie Parks und Gärten bietet zwar eine hohe Lebensqualität und eine bessere Ökobilanz. Dies geht aber insofern auf Kosten der Umgebung, als sie mehr Fläche für denselben umbauten Raum benötigt. Wenn die Umgebung aus intensiv bewirtschafteten Ackerflächen besteht, kann deren Umwandlung in gartenreiche Wohngebiete trotzdem Vorteile bieten (Reichholf 2018). Für die heutigen, von dicht stehenden Hochhäusern dominierten Großstädte ist das aber keine realistische Alternative, da die benötigten Flächen viel zu groß wären. Eine Erfolg versprechende Möglichkeit für dicht bebaute Großstädte ist die Integration von Bauwerken und Grünanlagen.

Schon lange zählt es zu Attributen ökologischer Bauweise, Dächer zu begrünen. Die Etablierung und Ausgestaltung solcher Dachgärten und Wiesen ist aber noch sehr stark ausbaufähig, wie man auf Luftbildern von Städten leicht erkennen kann. Neben der Flächenvergrößerung könnte auch die Ausgestaltung verbessert werden. Dickere Bodenschichten verbessern die Stoffbilanz, die Wasser- und Kohlenstoff-Speicherung.  Zisternensysteme können für die Bewässerung während Trockenperioden genutzt werden und den Wasserabfluss bei Starkregen mindern.

Begrünte Dachflächen könntemn durch Brücken verbunden werden.

Vernetzte Dachgärten (Entwurf W. Probst, 2020)

Auch begrünte Fassaden gibt es schon lange, aber eher an alten Bauernhäuser auf dem Land als an mehrgeschossigen Stadthäusern, Bankhochhäusern und Industrieanlagen. Für diese traditionelle  Fassadenbegrünung sind vor allem Lianen wie Efeu oder Wilder Wein (Parthenocissus) verantwortlich, die sich mit besonderen Haftorganen an den Fassaden festhalten – ein Grund dafür, dass sich viele Hausbesitzer wegen der dadurch erschwerten Fassadenrenovierung davon abhalten lassen, eine solche  Wandbegrünung zu erlauben. Auch die Furcht vor Beschädigungen durch die wuchernden, oft auch in Risse und Öffnungen eindringenden Lianen spielt dabei eine Rolle. Diese Probleme können durch vorgebaute Rankgerüste teilweise vermindert werden. Eine staatlich finanzierte Förderung der Fassadenbegrünung, wie sie ähnlich bei Fassadendämmungen sehr erfolgreich angewendet wird, könnten ein wirkungsvoller Anschub sein. Besonders wirkungsvoll könnte eine solche Förderung werden, wenn flächenhafte Begrünungsmodule zur Verfügung stünden, die mit einfachen Mitteln an Fassaden angebracht werden könnten und die durch Anschluss an eine Bewässerungsanlage wartungsarm wären. Die Elemente könnten aus einem Gerüst bestehen, an dem mehrere auswechselbare Pflanzgefäße aufgehängt werden.

Eine weitere Möglichkeit der vertikalen Begrünung, die in wenigen Beispielen schon verwirklicht ist, wäre die Ausgestaltung von Pflanzbalkonen mit Sträuchern und Bäumen. Große Gebäudekomplexe könnten durch grüne Brücken vernetzt werden. Verkehrswege, insbesondere Straßen und Schienenverkehr, könnten wie U-Bahnen unter die Oberfläche verlegt werden, wodurch Platz für bodenständige Grünanlagen aber auch Rad- und Fußwege gewonnen würde, So könnten schließlich Städte entstehen, die ganz in einem grünen Pelz eingehüllt sind und die sich fast übergangslos in die umgebende Landschaft einfügen (vgl. Jean Nouvel 2014, Stefano Boeri 2015).

Verkehrswege

Verkehrswege, insbesondere Straßen für den KFZ-Verkehr, tragen einmal durch Versiegelung zur Reduktion des grünen Pelzes bei, zum anderen  zerschneiden sie Ökosysteme, führen zur Verinselung und  darüber insbesondere zur Schädigung von Tierpopulationen und damit zur Verringerung der Biodiversität. Schließlich belasten die Abgase der Kraftfahrzeuge die Luft.

Autobahn (Quelle: pixabay: Alexas_Fotos)

Mögliche Verbesserungen:

Stichworte

  • Zerschneidungseffekte minimieren (Brücken über wertvolle Landschaftsteile, grüne Brücken zur Minderung von Zerschneidungseffekten, Tunnel),
  • Begleitgrün verbessern (Straßenränder, Randstreifen,Verkehrsinseln),
  • nicht mehr benötigte Verkehrsflächen entsiegeln,
  • Verkehrsflächen unter die Erde verlegen; nicht nur Hindernisse (Berge, Gewässer) sondern auch besonders schützenswerte Landschaften untertunneln,
  • emissionsarme Verkehrsmittel nutzen.

Je dichter die Besiedelung, desto dichter sind nicht nur Städte, Siedlungen  und Industrieanlagen, desto dichter ist auch das Netz von Verkehrswegen, insbesondere Straßen und Autobahnen (in Deutschland  derzeit nach Erhebung des Umweltbundesamt knapp 20000 km², das entspricht rund 5,5% der  Landesfläche). Das wirkt sich aber nicht nur über den Flächenverbrauch sondern vor allem über den Zerschneidungseffekt nachteilig auf die Funktion von Ökosystemen aus. Mehr noch als Pflanzenarten sind Tierpopulationen durch die dadurch bedingte Verinselung betroffen. Auch die direkte Tötung von Tieren durch den Verkehr spielt eine Rolle. Indirekt wirkt sich dies über die Bestäuber und die Verbreitung von Früchten und Samen auf die Vegetation aus.

Eine Verbesserung kann einmal durch geeignetes Straßenbegleitgrün erreicht werden (Kühne/Freier 2012). Vor allem aber kann die trennende Wirkung von Verkehrsflächen durch Brücken, sowohl Brücken über schützenswerte Landschaftsteile als auch verbindende Grünbrücken, und Tunnel erreicht werden. Schutzgräben oder Zäune können in Kombination mit kleinen Tunneln insbesondere  Amphibien bei ihren Laichwanderungen schützen (Krötenzaun, Krötentunnel).   

Eine Grünbrücke über die A50 bei Woeste Hoeve in den Niederlanden.. (Quelle: Wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=618784)

Natürlich ist das Hauptproblem die hohe Verkehrsdichte und die Emissionen der Verkehrsmittel. Sie wird einmal durch den Individualverkehr, zum anderen durch den Güterverkehr verursacht. Beide haben in den letzten Jahrzehnten ständig zugenommen. Eine größere Verlagerung dieses Verkehrs auf die Bahn wird schon lange als Ziel formuliert, ließ sich aber bisher politisch nicht durchsetzen. Auch eine Förderung dezentraler Produktion könnte der ständigen Zunahme des Güterverkehrs entgegenwirken.                              

Landwirtschaft/Nahrungsmittelerzeugung

Moderne Landbewirtschaftung hat zwar zu immer höheren Erträgen pro genutzter Fläche geführt, die Gesamtstoffbilanz, in die man den Verbrauch von fossilen Energieträgern einrechnet, ist aber immer schlechter geworden. Nach Smil (2019) wird heute pro Ackerfläche 10x soviel produziert wie vor 100 Jahren aber dafür wird 90x soviel Energiezufuhr benötigt.

Riesige Monokulturen, Pestizid- und Düngemitteleinsatz erhöhen zwar die landwirtschaftliche Produktion, vermindern aber insgesamt die Leistungsfähigkeit des grünen Pelzes und schädigen Böden und ihre Kohlenstoff-Speicherfähigkeit. Artenarme, mit Pestiziden behandelte Agrarflächen sind die Hauptursache für den starken Rückgang der biologischen Vielfalt. Die Massentierhaltung ist nicht nur ein ökologisches sondern auch ein ethisches Problem.

Weizenfeld nach der Ernte (Quelle: pixabay: ulleo)

Mögliche Verbesserungen:

Stichworte

  • Beachtung ökologischer  Zusammenhänge (Kreislaufwirtschaft, integrierter Pflanzenschutz)
  • artgerechte Nutztierhaltung
  • Vernetzung durch Feldhecken und Randstreifen
  • Feldgehölze und andere artenreiche Biotope als ökologische Inseln
  • Agroforestry
  • Vertical Farming
  • Landwirtschaft 4.0 (KI)

Das gewichtigste Argument für eine immer stärkere Rationalisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft ist, dass nur dieser Weg für die ständig steigenden Bedürfnisse der wachsenden Erdbevölkerung die notwendigen Nahrungsmittel und weiteren Rohstoffe liefern kann. Dieses Argument greift aber insofern nicht, als die derzeitige Landbewirtschaftung auf irreversiblem Verbrauch basiert, Verbrauch von fossilen Energieträgern, Verbrauch von Wasser, Verbrauch von nicht regenerierbaren Düngemitteln (insbesondere Phosphat, Greuling 2011), Verbrauch von Böden, Verbrauch von selbstregulierenden Ökosystemen wie z.B. Regenwäldern.

Systeme, die auf Verbrauch basieren, sind aber nur nachhaltig, das heißt, für längere Zeit funktionsfähig, wenn die verbrauchten Ressourcen ständig regeneriert werden können, Dies ist gegenwärtig eindeutig nicht der Fall. Deshalb ist eine Veränderung  vorhersehbar. Sie kann nur ohne Katastrophen stattfinden, wenn sie  basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Ökologie vorgenommen wird.

Das kann natürlich nicht bedeuten, dass man zu Methoden des Neolithikums zurückkehrt. Eine den Produktionserfordernissen der Gegenwart genügende Landbewirtschaftung, die gleichzeitig nachhaltig ist, bedeutet nicht weniger Technik sonder mehr Technik, genauer gesagt mehr intelligente Technik.

Sehr große, von Monokulturen bestandene Flächen erlauben den Einsatz von riesigen Maschinen und  haben dazu geführt, dass mit wenigen menschlichen Arbeitskräften große Stoffmengen produziert werden können. Gleichzeitig werden dadurch aber lebenswichtige Ressourcen, Artenvielfalt, Böden, Dünger und Energie liefernde Stoffe „verbraucht“ und andere Ökosysteme durch Eintrag von Düngemitteln und Schadstoffen geschädigt.

Das Grüne Band Deutschland bezeichnet einen Geländestreifen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, der als arten- und biotopreicher Grüngürtel erhalten bleiben soll und der zudem wertvolle Biotope miteinander verbindet. Wenn von diesem grünen Band weitere Grüngürtel ausgehen würden, könnte es Ausgangspunkt für eine landesweite oder sogar europaweite Netzstruktur werden.

Würden die Monokulturen durch ein Netz naturnaher linearer Elemente wie Feldhecken und Wildpflanzenstreifen unterbrochen, könnte dieser Verbrauch zwar gemindert werden, gleichzeitig wäre aber eine Bewirtschaftung mit den derzeit üblichen Methoden nicht möglich oder viel aufwändiger. Mit kleineren, intelligenten Maschinen, wie sie in einfacher Form  heute schon allgemein zum Staubsaugen oder Rasenmähen eingesetzt werden, wäre das aber durchaus denkbar. Solche intelligenten, lernfähigen Roboter könnten – mit Luftbildern von Drohnen oder auch Satelliten versorgt – sehr gezielt arbeiten. Zusammen mit der  Roboter eigenen  Sensorik würde eine gezielte und damit sparsamere Unkrautvernichtung, Schädlingsbekämpfung, Düngung und Bewässerung möglich. Statt flächendeckender Düngung könnten gezielt nur solche Teilbereiche gedüngt werden, die tatsächlich unterversorgt sind. Pestizide könnten nur auf tatsächlich befallene Pflanzen  gesprüht werden, dasselbe gilt für die Bekämpfung von Unkräutern. Statt  Riesentraktoren und Megamaschinen würden dann viele kleine Roboter die Ackerflächen bearbeiten. Eine solche von künstlicher Intelligenz bestimmte Agrarwirtschaft wird auch als Landwirtschaft 4.0 bezeichnet.

Alternative, Ressourcen schonendere Formen der Landbewirtschaftung wie Mischkulturen und  Agroforestry,  spielen heute nur in Nischen und Subsistenzwirtschaften eine Rolle, da sie sehr arbeitsintensiv sind. Durch Einsatz intelligenter Technik könnten manuelle Tätigkeiten durch Roboter und Regelsysteme ersetzt und damit solche nachhaltigen Wirtschaftsformen rentabler werden.

Eine weitere zukunftsweisende Form zur Produktion von Nahrungsmitteln und anderen nachwachsenden Rohstoffen wird mit dem Begriff „Vertical Farming“  bezeichnet. Dadurch könnte der Flächenverbrauch der Produktion stark verringert werden. Schon auf der Internationalen Gartenschau in Wien 1964 wurde ein von dem Maschinenbauingenieur Othmar Ruthner konstruiertes Turmgewächshaus gezeigt. Weitere Verbreitung dieser Idee sorgte der New Yorker Professor für Umweltgesundheit und Mikrobiologie Dickson Despommier, der mit seinen Studenten ab 1999 entsprechende Ideen  zunächst für die Nahrungsmittelversorgung der 50000 Einwohner Manhattans entwickelte. Ausgangspunkt waren Überlegungen zum möglichen Gemüseanbau auf Dachflächen. In der Weiterentwicklung  wurden Hochhäuser geplant, die insgesamt der Pflanzenkultur dienen sollen. In jedem Stockwerk eines solchen  Hochhauses sollen Pflanzen auf optimale Weise automatisch gesteuert und reguliert kultiviert werden. Gleichzeitig sind diese Kulturen in  Kreislaufsysteme, insbesondere der  Wasserwiederverwendung und Abwasseraufbereitung, eingebunden (Despommier 2011).

Das Prinzip „Wachsen lassen“

Wenn  die möglichst optimale Förderung der Vegetation als wichtigstes Naturschutzziel im Sinne einer für die menschliche Zivilisation nachhaltigen Entwicklung des Bioplaneten anerkannt wird, müssen Pflanzenwachstum und Vegetationsentwicklung so gut wie möglich gefördert werden. Das bedeutet, dass man Pflanzen überall dort wachsen lässt, wo sie nicht wichtige Funktionsabläufe stören.

Die Bearbeitung von Kulturflächen ist in vielen Fällen notwendig. Wenn man eine Wiese in Mitteleuropa nie mehr mäht, wird daraus in ein, zwei Jahrzehnten ein Gebüsch und in einem Jahrhundert ein Hochwald. Einen Acker muss man regelmäßig bestellen, abernten, düngen und auch spritzen, um ernten zu können.  Aber wie sieht es mit den Rändern und den Grenzen zwischen den verschiedenen Nutzungsflächen aus? Hier besteht für den Naturschutz ein riesiges Potenzial, das für den Naturhaushalt vermutlich ergiebiger ist, als die in ihrem Flächenanteil sehr beschränkten Naturschutzgebiete. Außerdem hilft der Randschutz, verinselte naturnahe Flächen zu vernetzen. Eine vielversprechende Initiative, welche diese Idee verfolgt, ist das „Konzept der Ehda-Flächen“. Initiator und Träger dieses Projektes ist das Institut für Agrarökologie des Landes Rheinland-Platz (IfA). In den  Stadtkernen betrifft dies Parkanlagen, aufgegebene Verkehrsflächen, Brachflächen, die vorübergehend nicht bebaut sind, Randstreifen  und Verkehrsinseln, die man zeitweilig der Spontanvegetation überlassen kann. Auch die Grünflächen um öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser, Verwaltungs- und Regierungsgebäude liefern große, bisher nicht sinnvoll genutzte Flächen.

Ein besonders großes Potenzial stellen Privatgärten dar, die meist in den Randbereichen der Städte in  Vierteln mit Einfamilien- und Reihenhäusern konzentriert sind. Hier gilt meist das Prinzip, dass nur wachsen darf , was gepflanzt wurde. „Un“kraut jäten ist deshalb  neben Rasen mähen und Hecken schneiden die häufigste Beschäftigung des Hobbygärtners. Um das Unkraut ohne zu viel manuelle Tätigkeit fern zu halten, hat sich schon vor einigen Jahrzehnten verbreitet, die Beete mit einer Schicht aus keimungs- und wachstumshemmendem Rindenmulch zu bedecken.Seit einigen Jahren wird eine noch pflanzenfeindlichere Methode, das Auskiesen von Gartenflächen, immer beliebter.

Durch solche Maßnahmen gehen sehr viele potenzielle Flächen für einen ökologisch wirkungsvollen „grünen Pelz“ verloren.

Einige Regeln, die helfen können, aus einem Garten eine ökologisch wertvolle Grünfläche zu machen:

  • Zierpflanzen, die gut gedeihen, fördern, auf solche, die schlecht wachsen oder sehr viel Pflege benötigen, verzichten,
  • auf Pestizide verzichten oder sie nur sehr gezielt bei einzelnen befallenen Pflanzen einsetzen,
  • Wildpflanzen nur entfernen, wenn sie gewünschte Zier- oder Nutzpflanzen schädigen oder verdrängen,
  • Wildpfanzen unter Hecken oder Sträuchern wachsen lassen,
  • Rasenflächen, die rein ornamentale Funktion haben, zu mageren (nicht gedüngten), höchstens zweimal im Jahr gemähten Wiesen umwandeln,
  • Abstellflächen (z.B. Autostellplätze) nicht pflastern oder asphaltieren, sondern als Schotterrasen gestalten,
  • Einfahrten mit unterbrochenen Pflastersteinen befestigen, die Bewuchs und Wasserversickerung ermöglichen,
  • abgeblühte Blütenstände und abgestorbene  Fruchtstände wenigstens teilweise stehen lassen, auch über Herbst und Winter (Überwinterungsplätze für Insekten)
  • Gartenabfälle vor Ort kompostieren,
  • aus Strauch- und Baumschnitt Reisighaufen anlegen,
  • Gartenmauern als Trockenmauern anlegen, Mauerritzen können zur schnelleren Begrünung mit passenden Pflanzen geimpft werden (Zimbelkraut, Mauerraute, Schöllkraut, Polster von Mauermoosen wie Drehzahnmoos, Kissenmoos)
  • Abwechslungsreiche Besiedelungsflächen schaffen (Sandflächen, Lehmböden, humusreiche Böden, Stein- bzw. Bauschutthaufen),
  • Regenwasser vom Dach (und versiegelten Flächen) in Zisterne sammeln und als Gießwasser (ggf. auch für Teich /Bachlauf) nutzen.
Wildwuchs an der Gartengrenze
Wildwuchs an der Gartengrenze (Großblutige Königskerze – Verbascun densiflorum)

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Exkursionsangebot für die PH Weingarten, SS 2019

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Auch im Sommersemester 2019 biete ich unter der Veranstaltung „Regionale Lebensräume“ wieder vier ganztägige Exkursionen an. Zwei der Exkursionsziele decken sich  mit Angeboten der letzten Jahre:

Neu ist eine Exkursion in das Naturschutzgebiet Altweiherwiese bei Oberteuringen (18.5.2019) und in den Altdorfer Wald mit dem NSG Füremoos bei Vogt (8.6.2019).

Am 24.4.2019 findet von 18:00 Uhr bis 19:15 Uhr eine einführende Informationsveranstaltung in der PH Weingarten, Fach Biologie, NZ 1.51, statt, bei der Erläuterungen zu den Exkursionszielen gegeben und mögliche Aufgaben besprochen werden.

Übersicht

Regionale Lebensräume, Exkursionstermine, Sommersemester 2019

24.4.2019 18.00-19.15h PH-Weingarten Vorbesprechung
28.4.2019  10.00-17.00h Wanderparkplatz bei Appenweiler, Adelsreuter und Weißenauer Wald Wald, Frühblüher
18.5.2019 10.00-17.00h Oberteuringen, Parkmölichkeit bei Unterführung unter L 329, NSG Altweiherwiese durch Pflegemaßnahmen erhaltene ehemalige Streuwiese, Gräser, Waldrand
8.6.2019 10.00-17.00h Wanderparkplatz bei Vogt, Altdorfer Wald Wald, Hochmoor
7.7.2019 10.00-17.00h Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf, Pfrunger-Burgweiler Ried verschiedene Moortypen, Insekten
Exkursionsziele 2019

Adelsreuter und Weißenauer Wald (So,28.04.2019) *

*durch Anklicken kommt man zu Unterlagen für die Exkursion im Sommersemester 2018

Treffpunkt: 10:00h, Wanderparkplatz bei Appenweiler

Thematische Schwerpunkte: Lebensform Baum, ökologische Ansprüche von Waldbäumen und Waldkräutern, Lebenraum Waldgraben

Exkursionsverlauf

Um 10:00 Uhr versammelten wir uns bei leichtem Regen an dem kleinen Wanderparkplatz kurz hinter Appenweiler an dem Sträßchen Richtung Brochenzell. Nach einer Vorstellungsrunde gingen wir auf dem Weg ein kleines Stück am Waldrand entlang und in den Wald hinein. Während des „Bäume Ertastens und Wiedererkennens“ blieb es ziemlich feucht. Wie erwartet wurden die ertasten Bäume – Wald-Kiefern, Linden und Rot-Fichten – relativ leicht wiedergefunden (Anleitung Max Fischer; Markus Preuss). Anschließend – der Nieselregen wurde heftiger – führten wir eine Untersuchung zur Artenzusammensetzung mithilfe der „Wäscheleinen- Transektmethode“ durch.

Wäscheleinen-Tranektmethode

Die Auswertung ergab in dem von uns untersuchten Waldstück eine deutliche Dominanz der Rot-Fichte, gefolgt von der Rot-Buche. Buchen fanden sich vor allem auch im Unterwuchs. Diese Naturverjüngung ist vermutlich von forstlicher Seite beabsichtigt, um auf längere Sicht den Fichtenanteil des Waldes zu verringern (Albijona Sabani).

Nass und kalt

Wetterradar online hatte in Aussicht gestellt, dass der Regen nach 11:00 Uhr nachlassen würde. Leider regnete es 11:30 Uhr eher heftiger als vorher und deshalb entschlossen wir uns, etwas Material einzusammeln, um den zweiten Teil der Exkursion in der pädagogischen Hochschule Weingarten fortzusetzen. Dort wurden von den Studierenden mit dem eingesammelten Material Stationen eingerichtet, die dann reihum bearbeitet wurden.

  1.  Wachstum und Alter von Bäumen (mit zwei mitgebrachten Baumscheiben; Anleitung Vanessa Golic, Susanna Wild)
  2. Kräuter fühlen, riechen, schmecken (Anleitung Carla Brändle, Rebecca Baumer)
  3. Bäume und Sträucher  nach Blättern/Zweigen bestimmen
  4. Ökologische Ansprüche von Wegrandpflanzen und Waldbodenpflanzen vergleichen
  5. Laubstreu untersuchen: Tiere, Zersetzungsstadien der Blätter
  6. Blätterbilder
Kräutermaus aus Stumpfblättrigr Ampfer, Brombeere, Hahnenfuß- und Wiesen-Schaumkraut-Blüte

Zum Schluss wurden folgende Kräuter zur Zubereitung einer Kräutersuppe genutzt:

Große Brennnessel, Giersch, Gundermann, Kriechender Günsel, Wiesen-Kerbel, Knoblauchs-Rauke.

Die Kräuter wurden fein geschnitten und in eine gebundene Suppe eingerührt, die mithilfe von Mehl,, Rapsöl, Wasser und Kräuterbrühwürfeln zubereitet wurde. Bei der Nutzung von Wildkräutern für die Zubereitung von Mahlzeiten empfiehlt sich das Abkochen (Suppe, Gemüse, Tee) aus hygienischen Gründen.

Während die Suppe zubereitet wurde, erhielten wir von Madeleine Mayer Informationen über die Gefahren von Zecken und die Möglichkeiten, sie zu verringern. Hannah Dyx informierte uns über den Lebenszyklus des Fuchsbandwurms und die sich daraus ergebenden Gefahren beim Aufenthalt in der freien Natur.

Artenliste der eingesammelten Pflanzen:

  • Brombeere (Rubus sectio Rubus)
  • Busch-Windröschen (Anemone nemorosa)
  • Gänseblümchen (Bellis perennis)
  • Geißfuß, Giersch (Aegopodium podagraria)
  • Gemeiner Löwenzahn (Taraxacum officinale)
  • Goldschopf-Hahnenfuß (Ranunculus auricomus)
  • Gundermann (Glechoma hederaceae)
  • Knäuelgras (Dactylis glomerata)
  • Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata)
  • Kriechender Günsel (Ajuga reptans)
  • Scharfer Hahnenfuß (Ranunculus acris)
  • Schattenblume (Maianthemum bifolium)
  • Schlank-Segge (Carex acuta)
  • Schönes Frauenhaarmoos, Schönes Haarmützenmoos(Polytrichum formosum)
  • Vielblütige Weißwurz (Polygonatum multiflorum)
  • Wald-Erdbeere (Fragaria vesca)
  • Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella)
  • Wald-Schachtelhalm (Equisetum sylvaticum)
  • Wald-Veilchen (Viola reichenbachiana)
  • Weiße Taubnessel (Lamium album)
  • Wiesen-Kerbel (Anthriscus sylvestris)
  • Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis)
  • Zaun-Wicke (Vicia sepium)

NSG Altweiherwiese, 18.05.2019

Treffpunkt: 10:00h, Oberteuringen, Parkmölichkeit bei Unterführung unter L 329 an kleiner Straße Richtung Bibruck; NSG Altweiherwiese

Thematische Schwerpunkte: Verschiedene Wiesentypen insbesondere Streuwiesen, Gräser,Waldrand, Streuobstwiesen, Naturschutz-Pflegemaßnahmen, Landschaftsgeschichte

Das 78 ha große Naturschutzgebiet Altweiherwiesen wurde 1981 vom Regierungspräsidium Tübingen ausgewiesen. Es liegt nordöstlich von Oberteuringen auf einer Meereshöhe von rund 450 m.

Zur Landschaftsgeschichte

Die Niederung ist der Rest einer ehemaligen Schmelzwasserrinne der späten Würmeiszeit (Konstanzer Stadium), die ursprünglich vom Schussenbecken bis ins Salemer Becken reichte und die heute vom Taldorfer Bach durchflossen wird. Ihre Fortsetzung fand sie zuerst im Deggenhauser Tal, das zunächst von der Rotach, hinter Roggenbeuren von der Deggenhauser Aach durchflossen wird. Später bahnten sich die Schmelzwässer den Weg südlich vom Gehrenberg bis zum heutigen Überlinger See.


Verlauf der Schmelzwasserrinne am Ende der Würmkaltzeit vom Schussenbecken durch die Taldorfer Senke (NSG Altweiherwiese) – und weiter südlich entlang der B33 Richtung Markdorf (violett getönt) – Kartengrundlage: Landkreis Ravensburg, Rad- und Wanderkarte 1:50 00

Bodensee (schwarz). Schwarze Linie: Schussen; weiße punktierte Linie: Innere Würmendmoräne (IWEM); weiß gestrichelt: Ausstrich von Endmoräne und lokalen kliffähnlichen Abschürfungsmerkmalen des „Konstanzer Stadiums“ (KS); dünne weiße Linien: Moränenrelikte innerhalb der Endmoräne des Konstanzer Stadiums. Beschriftung von Nord nach Süd und West nach Ost: RAV: Ravensburg, SAL: Salem, ÜBE: Überlingen, GEH: Gehrenberg, MAR: Markdorf, KON: Konstanz, FRI: Friedrichshafen, TET: Tettnang.
1-3 verschiedene Drumlins.
Die Schmelzwasserrinne, die das Schussensbecken mit dem Salemer Becken verbindet. ist gut zu erkennen.

Quelle:
Elena Beckenbach, Thomas Müller, Hartmut Seyfried, Theo Simon (2014):
Potential of a high-resolution dtm with large spatial coverage for visualization, identification and interpretation of young (Würmian) glacial geomorphology a case study from Oberschwaben (southern Germany)
Quaternary Science Journal Volume 63 / number 2 / 2014 / 107–129 / DOi 10.3285/eg.63.2.01

Im Bereich des NSG trennen tonige Sedmente den Untergrund zu den eiszeitlichen Schottern hin ab. Durch den Wasserstau kam es am Ende der Würmeiszeit zur Moorbildung. Die heutige L 329 verläuft auf einem im Mittelalter durch Mönche des Klosters St. Gallen errichteten Damm, der die Moorfläche zu einem großen Fischweiher werden ließ. Im 18 JH wurde das Wasser wieder abgelassen, um die Sumpfbereiche als Streuwiesen nutzen zu können. Bis Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden das Mähgut von den umliegenden Bauernhöfer als Einstreu verwendet. Heute werden die Schilfflächen regelmäßig vom Naturschutz gemäht, um die Streuwiesen-typische Vegetation zu erhalten.

Flora, Fauna, Lebensräume

Wichtigster schützenswerter Lebensraum sind magere Flachlandmähwesen und Gewässersäume mit Erlen und Weiden. Dort gedeihen große Bestände des Breitblättrigen Wollgrases (Eriophorum latifolium), außerdem Pracht-Nelke (Dianthus superbus), Böhmischer Beinwell (Symphytum officinale ssp.bohemicum), Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica), Berg-Klee (Trifolium montanum), Breitblättriges und Fleischfarbenes Knabenkraut (Dactylorhiza majalis und D. incarnata) und Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea).

Würden die Wiesen nicht regelmäßig gemäht, würden sich daraus schnell reine Schilfbestände entwickeln.

An Greifvögeln kann man regelmäßig Bussarde, Turmfalken und Rote und Schwarze Milane beobachten. den für das Gebiet angegebenen Baumfalken konnte ich allerdings noch nie sehen.Weitere Besonderheiten sind Kleinspecht, Nachtigall, Schwanzmeisen und Neuntöter. Im Taldorfer Bach leben Elritzen, verschiedene Weißfische und auch Hechte. Oft kann man in Bachnähe auch Ringelnattern entdecken.

Naturschutzmanagement

Im Jahr 2017 wurde aufgrund einer Kartierung für die Rotach einschließlich des Naturschutzgebietes Altweiherwiese (FFH-Gebiet 8222 – 342) ein Managementplan erstellt. Die für das Naturschutzgebiet vorgesehenen Pflegemaßnahmen sind in einer Karte dargestellt. Dabei bedeuten die mich violetter Farbe gekennzeichneten Flächen, dass auf diesen eine einschürige Mahd vorgesehen ist.


Regierungspräsidium Tübingen (Hrsg.): Managementplan für das FFH-Gebiet 8222-342 „Rotachtal Bodensee“
. bearbeitet von INULA, Freiburg. 1. Dezember 2017 (174 S., baden-wuerttemberg.de [PDF]).

Ein gewisses Problem für das Naturschutzgebiet stellt der Kraftfahrzeugverkehr auf dem Sträßchen dar, das über Bibruck, Reute, Sederlitz bis nach Dürnast führt und dort in die B 33 mündet. Die Straße wird leider nicht nur von Anwohnern sondern auch als Shortcut von der K 329 zur B 33 und umgekehrt genutzt. Neben verkehrsberuhigten Maßnahmen („nur für Anlieger“) wäre auch an einen Bohlenweg parallel zum Sträßchen zu denken, der von Fußgängern (und Radfahrern?) genutzt werden könnte.

Wammeratswatt

Am Rande des Naturschutzgebietes liegt ein Weiler mit dem eigentümlichen Namen Wammeratswatt. Ein altes zwischen Vegetation verstecktes Schild weist darauf hin, dass dieser Ort bereits im zwölften Jahrhundert, 1164, als Wanbrehteswathe urkundlich erwähnt wurde. Die Endung “-wathe” geht wohl auf einen altgermanischen Begriff zurück, der so viel wie “Weide” oder “Wiese” bedeutet. “Wanbrecht” ist ein alemannischer Name. Man könnte die Ortsbezeichnung also mit „Weide oder Wiese des Wahnbrecht“ übersetzen.

Foto Uwe Baur, 23.6.2012

Exkursionsverlauf

Exkursionsweg am 18.5.2019; Ausschnitt aus TK 8222,Markdorf, 1:25000

Bei trockenem Wetter und angenehmen Temperaturen treffen wir uns um 10:00 Uhr in Oberteuringen an der Unterführung unter der Landstraße 329 am Eingang zu dem Naturschutzgebietes Altweiherwiese.

Nach einer Einführung in die Landschaftsgeschichte und die Besonderheiten des Naturschutzgebietes beschäftigen wir uns mit dem Stockwerkaufbau einer Wiese.

Auf dem Weg Richtung Wammeratswatt werden zunächst möglichst viele unterschiedliche Gräser gesammelt, sortiert und bestimmt. Anschließend versuchen wir, die verschiedenen Grasarten allein aufgrund haotischer Merkmale, also mit verbundenen Augen, zu erkennen. In dem langsam fließenden Taldorfer Bach wachsen dichte Bestände des Wassersterns, von denen dank des Einsatzes von Markus Preuss alle TeilnehmerInnen auch einen Zweig in den Händen halten können.

Aufgrund der vorangegangenen relativ kühlen Witterung ist die Vegetationsentwicklung auf der Streuwiese noch ziemlich weit zurück – keine Sibirischen Schwertlilien, Pracht-Nelken oder fruchtenden Wollgräser sind zu sehen. Von den charakteristischen Arten können wir nur gerade aufblühende Exemplare des Breitblättrigen und des Fleischfarbenen Knabenkrautes entdecken, außerdem Berg-Klee, Sumpf-Kratzdistel, Gewöhnlichen Hornklee und Gilbweiderich (noch nicht blühend).

Auf dem weiteren Weg zum Weiler Wammeratswatt fallen die als Straßenbegleitbäume gepflanzten Robinien auf, die gerade erst ihre Fiederblätter entfalten. Ebenso wie die alten Obstbäume der Streuobstwiese sind sie reichlich mit Misteln bewachsen. Die Bäume der Streuobstwiese – vorwiegend Äpfel auch einige Birnen – sind mehr als 100 Jahre alt. Sie werden immer noch zur Gewinnung von Fallobst für die Apfelsaftproduktion genutzt, das Heu der Wiese wird an Reiterhöfe verkauft. In der Wiese fällt uns der Kleine Wiesenknopf mit seinen weit aus den Blüten heraushängenden Staubfäden besonders auf.

Kleiner Wiesenknopf – Sanguisorba minor

Nach einer Mittagspause bei der Brücke über den Taldorfer Bach leiten Yesim Örgerim und Beatrice Hell zu „Blüten, lockende Signale“ an. Blütenteile – die Bestäuber anlocken sollen – und Blätter werden zu Make-up oder schmückenden Kurzzeit-Tattoos umgewidmet.

Der Weg führt uns dann weiter dem Waldrand entlang. Unter Anleitung von Lisa-Marie Buemann und Sara Dittmann sammeln wir Tierspuren: Spuren an Blättern, Spuren an Zapfen und Früchten und Spuren an Holz. Besonders auffällig sind die Minen des Buchen-Springrüsslers an Rot-Buchen-Bättern.

Hier hat ein Specht einen Fichtenzapfen bearbeitet

Unser Exkursionsweg führt dann weiter zum Weiler Blankenried. Dort kreuzen wir die L 329 und besteigen den Drumlin Horach (501,6 m ü.N.N.), auf dem sich ein Wasserreservoir der Wasserversorgung Bodensee befindet. Von dort hat man eine sehr schöne Aussicht auf den Bodensee und die Alpenkette – heute allerdings im Dunst verborgen. Sabrina Brendle führt die Gruppe in einer blinden Raupe aus dem Wald heraus zum Aussichtsplatz, wo die Augenbinde dann abgenommen werden.

Altdorfer Wald mit NSG Füremoos

Gelb umrandeter Ausschnitt unten:

Treffpunkt: 10:00h, Wanderparkplatz am Waldrand bei Vogt

Thematische Schwerpunkte: Wald und Waldgeschichte, Waldbodenvegetation, Moose, Moore: Bildung, Lebensbedingungen, Torfmoose

Geografische Lage

Der Altdorfer Wald liegt auf einem Höhenzug zwischen Vogt im Süden und auch Aulendorf im Norden am nordöstlichen Rand des Schussenbeckens. Mit 82 km2 ist er das größte zusammenhängende Waldgebiet Oberschwabens. Der Name geht auf die welfische Grafschaft Altdorf bzw. auf die ehemalige Ortsbezeichnung „Altdorf“ für die Stadt Weingarten zurück. Bis 1865 wurde lediglich das Kloster als „Weingarten“ bezeichnet, während die umgebende Ortschaft Altdorf genannt wurde.

Naturraum

Der Altdorfer Wald besteht hauptsächlich aus Fichtenforsten, eingesprengt sind aber auch Buchen und andere Laubbäume. Er enthält die Naturschutzgebiete Saßweiher, Girasmoos, Tuffsteinbruch Weißenbronnen, Lochmoos und Füremoossowie ein Fauna-Flora-Habitat Gebiet „Altdorfer Wald“ mit 13,5 km2. Der Höhenzug übersteigt an einigen Stellen700 m, höchste Erhebung ist der Galgenberg mit 776,6 m ü.N.N.

Bedeutendstes Fließgewässer ist die Wolfegger Ach, die wie einige weitere kleinere Zuflüsse in die Schützen mündet und einige weitere kleinere Bäche der Schussen zufließt. In dem Waldgebiet liegen auch einige Seen, wie der Bunkhofer Weiher, der Neuweiher und der Langmoosweiher und aus einigen feuchten Senken haben sich Moore entwickelt. Eines davon, das Naturschutzgebiet Füremoos, werden uns genauer anschauen. (Weitere Unterlagen zum Thema Moore und Feuchtgebiete in den Unterlagen zur Exkursion ins Wurzacher Ried 2018):

Die Kalktuffbildungen bei Weißenbronnen weisen auf kalkreiches Jungmoränenmaterial im Untergrund hin.

Pfrunger-Burgweiler Ried (7.7.2019)

TreffpunktWilhelmsdorf

Treffpunkt: 10:00h, Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf

Thematische Schwerpunkte: Konzeption des Naturschutzzentrums Wilhelmsdorf, Landschaftsgeschichte, Insekten

Das digitale Geländemodell zeigt, wie sich das Pfrunger Becken zwischen der äußeren un inneren Endmoräne der Würm-Kaltzeit ausgebildet hat.

Zum Exkursionsverlauf

Nach der Begrüßung durch Frau Ackermann, Diplom-Biologin und Naturpädagogin am Naturschutzzentrums Wilhelmsdorf, beschlossen wir aufgrund der Wetterlage, die für den Nachmittag geplante Exkursion zum Fünfeckweiher und zum Bannwaldturm schon am Vormittag durchzuführen.

Startpunkt war – wie in den vergangenen Jahren -der Parkplatz bei Uzhausen. An einer Übersichtskarte erklärte uns Frau Ackermann die verschiedenen Schutzzonen des Pfrunger-Burgweiler Rieds und die jeweiligen Schutzziele und  -maßnahmen. Das Pfrunger-Burgweiler Ried ist nach dem Federseegebiet das zweitgrößte zusammenhängende Moorgebiet Südwestdeutschlands, die größte zusammenhängende Hochmoorfläche allerdings ist im Wurzacher Ried zu finden.

Zunächst ging unser Weg durch Weideland, auf dem wir eine Herde Scottish Highlander beobachten konnten, die hier zusammen mit eigen anderen Robustrinderrassen zur Biotoppflege eingesetzt werden. Sie sind das ganze Jahr über auf der Weide, werden allerdings im Winter mit Heu zugefüttert, das im Sommer auf den Weideflächen gewonnen wird. Fleisch und Wurst waren von den Robustrinder sind im Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf erhältlich, außerdem werden sie in einigen Gaststätten rund um das Pfrunger-Burgweiler Ried angeboten.

Entlang eines ehemaligen Entwässerungskanals, der in regelmäßigen Abständen durch Querwände aufgestaut ist, konnten wir auf Weidezäunen mehrfach Schwarzkehlchen und einen Neuntöter beobachten. Im Feuchtbereich um den Graben blühte reichlich Mädesüß. Auf den Dolden des Wiesen-Bärenklaus waren viele Nektar sammelnde Insekten, insbesondere Schwebfliegen und kleine Bockkäfer, zu beobachten. Am Wegrand nahmen wir eine Geruchsprobe vom Feld-Thymian, der gerade in voller Blüte stand.

Auf den Weideflächen brüten regelmäßig Kiebitze, für die in diesem Jahr extra flache Gewässer, „Blänken“, angelegt wurden, die vor allem für die jungen Kiebitze wichtig sind, weil sie dort leicht an geeignete Nahrung (Insektenlarven, Würmer) kommen können.

Wir folgten dann dem Weg durch den Bannwald bis zum Fünfeckweiher. In Baden-Württemberg bezeichnet der Begriff „Bannwald“ Totalschutzgebiete, die vollständig einer natürlichen Entwicklung überlassen werden. Wege durch den Bannwald sind zulässig, und dürfen – zum Beispiel durch Fällen umsturzgefährdeter Bäume – gesichert werden. Auf dem Weg fällt auf, dass durch Wiedervernässung die Fichtenbestände links des Weges großflächig abgestorben sind. Den Fünfeckweiher erreichten wir auf einem Bohlenweg. Wie in den Vorjahren konnten wir eine ganze Reihe von Insekten beobachten, insbesondere die dunkle Sommergeneration des Landkärtchens, eines Schmetterlings, der oft auch in Schulbüchern als Beispiel für die Ausbildung unterschiedlich aussehender Generationen angeführt wird.

Von der Aussichtsplattform des Bannwaldturmes hatten wir einen guten Überblick über das gesamte Gebiet des Pfrunger-Burgweiler Rieds und die umgebenden Höhenzüge. Man kann von dort aus sehr gut die verschiedenen durch industriellen Torfstich entstandenen Seen beobachten. Eine kleine Schar Graugänse flog am Turm vorbei.

Am sonnigen Wegrand wurde auf zwei Stammformen von Kulturpflanzen hingewiesen, die hier besonders schön entwickelt waren: Wilde Möhre  (Daucus carota) und Wegwarte oder Zichorie (Cichorium intybus), aus der sowohl der Chicoréesalat als auch die Wurzelzichorie (Zichorienkaffee) gezüchtet wurde. Bei unserem Vesperplatz konnten wir ein schönes Exemplar des Kompass-Lattichs oder Stachel-Lattichs (Lactuca serriola) anschauen. Sein Name rührt daher, dass sich seine Blätter an sonnigen Standorten senkrecht stellen und in Nord-Süd-Richtung orientieren. Damit sind die Blattspreitenen weniger dem intensiven Sonnenlicht ausgesetzt. Der Kompass-Lattich ist die Stammform des Gartensalates (Lactuca sativa).

Da um uns herum erhebliche Gewitteraktivitäten zu beobachten waren und die Zeit auch schon recht fortgeschritten war, beschlossen wir, auf einen größeren Rundweg (vergleiche Exkursionen der Vorjahre) zu verzichten und direkt zum Parkplatz bei Holzhausen zurückzukehren. Auf den Weiden in der in der Nähe des Parkplatzes konnten wir eine große Zahl Weißstörche (gezählt wurden 36) beobachten.

Da es bei unserer Ankunft am Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf immer noch relativ gutes Wetter war, beschlossen wir, nun gleich mit dem Fang von Wiesentieren und Wassertieren zu beginnen. Ausgerüstet mit Keschern und Wasserschalen bzw. Schmetterlingsnetzen und Becherlupen machten sich zwei Gruppen zunächst auf die Jagd, dann würden die Tiere im Großraum mithilfe von Bestimmungsschlüsseln und Binokularen untersucht und bestimmt. Einige Fänger konnten über den Monitor demonstriert werden.

Einige unserer Fänge:

Wiese

Larve einer Kurzfühler-Heuschrecke (vielleicht Corthippus parallelus)

Schwebfliege

Mücke mit gelbem Hinterleib

Baumwanze

Weichwanze

Schaumzikade

Brauner Waldvogel

verschiedene Kleinschmetterling (Zünsler?).

Steinhummel

Teich

Wassermilbe

Kleinlibellenlarve

Stabwanze

Rückenschwimmer

Schwimmwanze

Büschelmückenlarve

Käferlarve

Kaulquappe eines Wasserfrosches (Kleiner Teichfrosch?)

Beim abschließenden Museumsbesuch gibt uns Frau Ackermann anhand eines großen Luftbilds der Region einen Überblick über die Entstehung des Pfrunger-Burgweiler Rieds. Auf der Fahrt in dem „Moorkäpsele“ werden diese Fachinhalte anschaulich wiederholt (vergleiche Exkursionsbericht von 2017).

Mögliche Aktivitäten von Studierenden

Anleitungen

Baum  ertasten und wiedererkennen

Wachstum und Alter von Bäumen

Bäume zählen

Bäume berechnen

Baumkronenspaziergang

Kräuter fühlen, riechen, schmecken

Gräserberührungen

Pflanzenoberflächen: Rau und glatt und andere Gegensätze

Blüten, lockende Signale

Vertauschte Gegenstände

Wer war der Übeltäter?

Umwelt im Umschlag

Torfmoose und Moorbildung

Über alle Exkursionen:

Artenliste Pflanzen

Artenliste Tiere

Gut erkennbare Pflanzenfamilien besonders beachten:

Korbblütler-Asterngewächse, Doldenblütler-Selleriegewächse, Lippenblütler-Taubnesselgewächse, Rosengewächse, Hahnenfußgewächse, Schmetterlingsblütler-Bohnengewächse, Kreuzblütler-Kohlgewächse, Nelkengewächse, Süßgräser-Rispengrasgewächse, Sauergräser–Zypergrasgewächse, Binsengewächse

Referate

Zecken

Nach der Blutmahlzeit suchen Zeckenweibchen eine geschützte Stelle und legen mehrere 1000 Eier ab, aus denen zunächst sechsbeinige Larven schlüpfen (im Bild vermutlich Ixodes rhizinus, der Holzbock; Foto: Kämmerer 2019)
Nach der Blutmahlzeit suchen Zeckenweibchen eine geschützte Stelle und legen mehrere 1000 Eier ab, aus denen zunächst sechsbeinige Larven schlüpfen, danach sterben sie (im Bild vermutlich Ixodes ricinus, der Holzbock; Foto: Kämmer 2019).

Fuchsbandwurm

Literaturhinweise

Einen sehr guten Einstieg in die Landschaftsgeschichte Oberschwabens und ganz Südwestdeutschlands kann man sich mit folgendem neu erschienenen Werk verschaffen:

Seyfried, H., Simon, T., Beckenbach, E. & Müller, T. (2019):
Der Südwesten im digitalen Geländemodell – wie LiDAR-Daten unsere Sicht auf die Welt verändern.
Sonderbände der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg, 4; 434 S., 301 Abb. – Schmidt-Verlag. 34,90 €

Weitere Literaturhinweise in den Exkursionsunterlagen für 2018

De Vriesentopf – Spontanvegetation im Blumentopf in Erinnerung an De Vries‘ Sanctuarium

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Kunstfrevel

Beim Pragsattel in Stuttgart – eine der verkehrsreichsten Stellen der Stadt – war bis vor kurzem eine landschaftsarchitektonische Installation des niederländischen Konzeptkünstlers Herman de Vries zu sehen. Der Künstler hatte sein „Sanctuarium“ anlässlich der Internationalen Gartenbauausstellung 1993 Stuttgart auf den Weg gebracht. Es handelt sich um ein knapp 100 m² großes, von einem stählernen Staketenzaun mit vergoldenen Pfeilspitzen umgebenes Rondell. Die Idee des Künstlers: diese Fläche sollte völlig frei von menschlichem Einfluss bleiben. „Die Kunst ist aber nicht an erster Stelle im Entwurf des Stahlzauns und seiner Ausführung zu sehen. Das ist der Rahmen. Das wichtigste findet innerhalb dieses Zaunes statt. Es sind die Pflanzen, die sich da ansiedeln, …“ (de Vries 1995 nach Wikipedia).

1993 wurde diese Kunstaktion in der Öffentlichkeit durchaus kritisch wahrgenommen – was sollte sich hier schon entwickeln außer „Unkraut“? Tatsächlich hat sich aber im Laufe der Jahrzehnte ein durchaus hübsch anzusehendes, dichtes, kleines Gehölz entwickelt, mit Rotem Hartriegel und anderen Sträuchern, Hunds-Rosen und alles umrankenden Waldreben, eine wirkliche Oase in der Verkehrslandschaft. Im März vergangenen Jahres wurde die Vegetation vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt (GFF) der Stadt Stuttgart mit der Begründung entfernt, dass „die Entwicklung zum Wald durch regelmäßiges Zurückschneiden der Spontanvegetation auf das Ausgangsstadium verhindert werden soll“ (Zitat von der Pressestelle der Stadt Stuttgart nach Stuttgarter Nachrichten vom 25. März 2018).

Diese Rodung konnte man allerdings nicht als Rückschnitt bezeichnen, denn die Pflanzen wurden wirklich bis auf den Wurzelansatz vollständig entfernt.

Der Künstler hat gegen diese Abholzaktion der Stadt Stuttgart protestiert und viele Aktivisten haben sich dem Protest angeschlossen und sogar Anzeige „wegen Vandalismus“ gegen das Gartenamt erstattet. Da es sich dabei um die Beseitigung eines offiziell akzeptierten und vom Künstler genau beschriebenen Kunstwerkes handelt, erscheint dies berechtigt und hat durchaus Aussicht auf Erfolg.

Naturfrevel

Der Kunstfrevel ist eine Sache. Ich finde allerdings noch bedenklicher, dass es erst einer spektakulären Kunstinstallation bedarf, um Protest gegen die Vernichtung von Spontanvegetation hervorzurufen. Gerade die Ämter, die für das Grün in der Stadt zuständig sind, sollten überall dafür sorgen, dass Natur eingeschaltet und nicht ausgeschaltet wird. Wildwuchs sollte nur dort beschnitten, zurückgedrängt oder vernichtet werden, wo dies aus funktionalen Gründen – und nicht aus einer falsch verstandenen Ordnungsliebe heraus – notwendig ist (vgl. In diesem Zusammenhang auch das sogenannte „Konzept der Ehda-Flächen“ das Ende 2018 als offizielles Projekt der UN Dekade biologische Vielfalt ausgezeichnet wurde) . Das Stuttgarter Sanctuarium ist im Übrigen ein gutes Beispiel dafür, dass sich in den Städten für Klima und Naturhaushalt wertvolle Vegetation mit sehr geringem Kostenaufwand etablieren lassen würde. Statt aufwändiger Pflanzaktionen könnte man einfach kleine Areale sich selbst überlassen, dann würde sich dort mit der Zeit eine Gehölzvegetation einstellen, die dem Standort angepasst ist und keiner besonderen Pflege bedarf. Um zu verhindern, dass ein flächendeckender „Urwald“ entsteht, könnte man die Grenzen solcher Ökoinseln genau festlegen – ohne aufwändige und sicher relativ teure Umzäunungen.

Das Stuttgarter Sanctuarium wurde 25 Jahre alt. Hätte man der Entwicklung ohne weiteren Eingriff weitere 25 Jahre zugeschaut, wären vermutlich tatsächlich relativ hohe Bäume entstanden von denen irgendwann möglicherweise eine Verkehrsgefährdung hätte ausgehen können – wie dies bei allen Bäumen an Wegen, Straßen und in Siedlungen vorkommen kann. Auch nicht vertretbare Sichtbehinderungen für die Verkehrsteilnehmer wären denkbar. In solchen Fällen müsste ein Eingriff natürlich jederzeit möglich sein.

De Vriesentöpfe

Um das Bewusstsein für Regenerationsfähigkeit der Natur zu stärken und das Konzept des „Wachsen lassens“ in Siedlungsräumen und Kulturlandschaften weiter zu verbreiten, möchte ich zu einem Experiment anregen, das man nach der Aktion des Künstlers und Gärtners Hermann de Vries als „De Vriesentopf“ bezeichnen könnte.

Ende Februar 2017 haben wir auf unserer Terrasse – wie schon die Jahre zuvor – einen großen Blumentopf mit Garten- und Komposterde gefüllt und mit Gartenkresse eingesät und dann etwa zwei Monate lang Kresse geerntet. Dann waren die Kressepflanzen trotz regelmäßigen Abzupfens schon zur Blüte und Frucht gekommen und nicht mehr so gut für die Küche geeignet. Zwischen den gerupften Kressestängeln begannen andere Pflanzen zu wachsen. Zunächst waren das vor allem – ebenfalls essbare – Vogel-Sternmieren und Persischer Ehrenpreis. Wir haben den Topf dann einfach stehen lassen und Anfang August hatte sich eine sehr vielseitige Pflanzengemeinschaft entwickelt.

Spontanvegetation im Blumentopf am 2. August 2017 mit Weiß-Klee, Behaartem Knopfkraut, Kriechendem Fingerkraut, Steifem Sauerklee, Hopfen-Schneckenklee, Kanadischem Berufkraut, Zypergras-Segge und Ruten-Hirse
Spontanvegetation im Blumentopf am 6. Oktober 2017. Besonders hübsch an diesem Herbstaspekt sind die zarten Fruchtstände der Ruten-Hirse

Wir haben dann in die weitere Entwicklung den ganzen Winter nicht eingegriffen und im nächsten Jahr 2018 mit seinem sehr trockenen und warmen Sommer ebenfalls nur gegossen aber keine anderen Eingriffe vorgenommen. Die Fotos dokumentieren die Entwicklung unseres De Vriesentopfes bis zum Januar 2019 .

Spontanvegetation im Blumentopf am 5. April 2018. Man sieht vor allem die Blätter vom Weiß-Klee, außerdem beginnen zwei Seggenarten zu treiben.

Im April und im Mai wachsen in dem Topf schnell verschiedene Pflanzenarten empor. Die meisten finden sich irgendwo in unserem Garten aber nicht alle. Vor allem mit einer Segge kann ich zunächst – bevor sich die Blütenstände zeigen – nichts anfangen. Dann stellte sich heraus, dass es sich um die Hasenpfoten-Segge handelt, die ich in unserem Garten noch nie gesehen habe und die mir auch in der weiteren Umgebung bisher nicht aufgefallen ist.

Spontanvegetation im Blumentopf am 10. Mai 2018. Außer den Margeriten sieht man die gerade sich öffnenden Blütenstände von zwei Seggenarten (Hasenpfoten-Segge hinten und Cypergas-Segge direkt davor) und vorne die Grundblätter der Großblütigen Königskerze. Bei den Blättern der Königskerze kann man das erste Gehölz erkennen, ein Hartriegel, vermutlich Cornus mas, die KornelKirsche:

Am 21. Juni 2018 kann ich folgende Arten registrieren:

Kleinblütige Königskerze – Verbacum thapsus

Großblütige Königskerze – Verbacum densiflorum

Feinstrahl, Einjähriges Berufkraut – Erigeron annuus

Zypergras-Segge – Carex pseudocyperus

Hasenpfoen-Segge – Carex leporina

Große Brennnessel – Urtica dioica

Weiß-Klee – Trifolium repens

Hopfen-Schneckenklee – Medicago lupulina

Weiße Taubnessel – Lamium album

Steifer Sauerklee – Oxalis strictum

Margerite, Wiesen-Wucherblume – Leucanthemum vulgare

Kriechendes Fingerkraut – Potentilla reptans

Spontanvegetation im Blumentopf am 19. Juni 2018

Mit den hochgewachsenen Königskerzen und dem Feinstrahl sieht unser Blumentopf nun richtig imposant aus. Die Nachbarin bewundert ihn. Allerdings sind einige Pflanzen auch schon fast verschwunden, zum Beispiel der Steife Sauerklee, die Margeriten sind längst verblüht. Einige Einjährige vom ersten Jahr – wie Ruten-Hirse, Kanadisches Berufkraut und Behaartes Knopfkraut – sind dieses Jahr gar nicht mehr erschienen.

Besonders beeindruckt bin ich von der Hasenpfoten-Segge. Ich habe bisher nicht gewusst, dass sie auch ausgesprochen schöne und sehr dauerhafte vegetative Triebe bildet, an denen man die dreizeilige Beblätterung sehr gut erkennen kann.

Vegetativeve Triebe der Hasenpfoten-Segge am 2. September 2018

Im Herbst fangen die meisten großen Pflanzen dann an zu vertrocknen. Der Feinstrahl bildet aber noch bis zum Dezember neue Blüten. In der niedrig stehenden Nachmittagssonne sieht unser De Vriesentopf immer noch sehr schön aus

Spontanvegetation im Blumentopf am 20.12.2018

Mittlerweile wurde unser Topf – zum ersten Mal diesen Winter – eingeschneit. Nun sind wir sehr gespannt, welche Pflanzen sich im nächsten Jahr entwickeln werden.

Die Bilder sollen anregen, selbst einen solchen Versuch mit spontaner Vegetation zu starten. Es reicht ein Blumentopf oder ein Blumenkasten. Natürlich wird die Zusammensetzung der Arten sehr stark von den äußeren Bedingungen, zum Beispiel von der Besonnung, der Wasserversorgung und vor allem dem Boden abhängen. Aber auch die umgebende Vegetation dürfte wichtig sein. Durch Variation dieser Bedingungen kann man Einfluss nehmen aber die Entwicklung nicht wirklich vorherbestimmen. Ein gewisser Überraschungseffekt wird immer bleiben und das ist das Spannende an dem De Vriesentopf.

De Vriesentopf nach dem ersten Schnee am 6.Januar 2019


16.7.2019 – mit Hasenpfoten-Segge (Carex leporina) und Großblütiger Königskerze (Verbascum densiflorum)
15. März 2020
21. Juni 2020
1.Mai 2020,Hasenpfoten-Segge und Zypergras-Segge nehmen viel Platz in Anspruch. Weitere Arten v.l.n.r.: Hopfen-Schneckenklee, Kriechendes Fingerkraut, Großblütige Königskerze, Große Brennnessel, Feinstrahl und als einziges Gehölz Blutroter Hartriegel
Juni 2020. Zypergras-Segge und Hasenpfotensegge haben Fruchtstände angesetzt. Sie sind nun die dominietrenden Pflanzen.
21. Juni 2020 . Auch der Hopfen-Schneckenklee hat sich gut entwickelt, aber vor allem außerhalb des Topfes.

So wie es jetzt aussieht, dürfte die Anzahl der Arten in der nächsten Vegetationsperiode weiter zurückgehen. Noch gibt es einen blühenden Feinstrahl, sehr mickriges Kriechendes Fingerkraut, sehr kleine „Große“ Brennnesseln, die Grundrosette einer Großblütigen Königskerze und einen sehr in die Enge getriebenen Blutroten Hartriegel. Neuansiedlungen von außerhalb scheinen nun endgültig nicht mehr möglich zu sein.

15.12.2020
18.01.2021
In kurzer Zeit sind über 50 cm Schnee gefallen
3.3.2021

Der Schnee war schnell wieder geschmolzen. Aber dann habe ich mich zu einem Eingriff entschlossen, der bewirken soll, dass die auskeimenden Pflanzen nicht zu sehr beschattet werden. Die abgestorbenen Pflanzenreste – vor allem von den Seggenarten – wurden abgeschnitten.

3.3.2021 – nach dem Stutzen
1.5.2021

Am 1. Mai sieht alles wieder schön grün aus, aber die Artenanzahl scheint etwas reduziert zu sein. Auf der noch freien Fläche hat sich vor allem das Kriechende Fingerkraut ausgebreitet. Der Hartriegel setzt sich durch.

26.8.2021

Die Hasenpfoten-Segge dominiert, der Hartriegel hatte einen Wachstumsschub, das Kriechende Fingerkraut hat lange Ausläufer gebildet, die über den Terrasseboden kriechen.Auch mehrere Feinstral-Pflanzen haben sich zunächst gut entwickelt, wurden aber dann stark von der Spanischen Wegschnecke abgefressen, Von der Großen Brennnessel haben sich nur zwei oder drei sehr kümmerliche Triebe entwickelt. Vom Gewöhnlichen Hornkraut sind verdorrte Fruchtstände zu erkennen.

17.1.2022
19.4.2022

Anfang März haben wir wieder – wie im vergangenen Jahr – trockene Blätter und Stängel entfernt. Der Aspekt ähnelt nun sehr stark dem Vorjahr. Außer Seggen ist vor allem das Kriechende Fingerkraut zu erkennen.

6.6.2022

Im 5. Jahr geht die Artenvielfalt deutlich zurück. Es dominiert ganz stark die Hasenpfoten-Segge, von der Zypergras-Segge sind nur noch wenige Halme übrig geblieben. Gut gehalten hat sich das Kriechende Fingerkraut. An weiteren Kräutern kann man bis jetzt nur wenige Pflänzchen des Gewöhnlichen Hornkrauts erkennen. Der Rote Hartriegel hat erheblich an Biomasse zugelegt.

3.10.2022

Das Foto zeigt die erfolgreiche Auswanderung des Kriechenden Fingerkrauts.

Ich werde den Versuch weiterführen.

Wachsen lassen – Naturschutz an Rändern, Säumen und Kanten

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„Grün ist in unseren zivilisierten Städten nicht mehr die normale Farbe der Erdeoberfläche, die nicht nur nichts kostet, sondern sogar das einzig produktive Element aller biologischen Systeme ist – Grün ist hier vielmehr ein teures Produkt…. . Zur Zeit kostet die Planung und Ausführung einer nicht aufwändigen Grünanlage 10 bis 20 DM pro Quadratmeter und die Unterhaltung 10 % dieser Erstinvestition in jedem folgenden Jahr. Der Warencharakter der Natur hat hier ihre ökologische Qualität ausgeschaltet…“ (Peter Kramer 1977)

Lasst es wachsen!

Unsere Kulturlandschaft besteht durchgehend aus verplanten Flächen: Äcker, Wiesen, Weiden, Wälder, Wege, Gärten, Parks, Sportplätze, Wohnhäuser , Industrieanlagen, Bahnlinien und nicht zuletzt Straßen und Parkplätze. Äcker werden gedüngt, gespritzt und umgepflügt, Wiesen werden gemäht und mit Jauche vollgeschüttet, Weiden werden abgefressen, Wälder bewirtschaftet, Wege, Gärten und Parks gepflegt, das heißt der Rasen wird wöchentlich gemäht, die Hecken werden wenigstens zweimal im Jahr geschnitten, Unkraut wird gejätet und oft auch weggespritzt, Beete werden im monatlichen Turnus neu bepflanzt ….

Die Bearbeitung dieser Kulturflächen ist in vielen Fällen notwendig. Wenn man eine Wiese nie mehr mäht, wird daraus in ein, zwei Jahrzehnen ein Gebüsch und in einem Jahrhundert ein Hochwald. Einen Acker muss man regelmäßig bestellen, abernten, düngen und auch spritzen, um ernten zu können.  Aber wie sieht es mit den Rändern und den Grenzen zwischen den verschiedenen Nutzungsflächen aus? Ich meine, hier besteht für den Naturschutz ein riesiges Potenzial, das für den Naturhaushalt vermutlich ergiebiger ist, als die in ihrem Flächenanteil sehr beschränkten Naturschutzgebiete. Außerdem hilft der Randschutz, verinselte naturnahe Flächen zu vernetzen. Eine vielversprechende Initiative, welche diese Idee verfolgt, ist das „Konzept der Ehda-Flächen“. Initiator und Träger dieses Projektes ist das Institut für Agrarökologie des Landes Rheinland-Platz (IfA).

Wegrand bei Oberteuringen, 16.7.2016 (Foto Probst)

Wegrand bei Oberteuringen, 16.7.2016 (Foto Probst)

Wenn man eine Hecke nicht schneidet, wird man mit der Zeit den Weg daneben nicht mehr benutzen können. Aber wenn man den Wegrand nicht vor September  mäht, haben dort viele Kräuter und Gräser die Möglichkeit zu blühen und zu fruchten, Bienen, Hummeln, Schwebfliegen, Schmetterlinge und Käfer können sich monatelang am Nektar bedienen, Raupen, Blattwanzen, Zikaden, und Heuschrecken finden Futter und Spinnen können ihre Netze  bauen. An Zäunen muss das Unkraut nicht mit Glyphosat weggespritzt werden, Gräser und Kräuter sind meistens wesentlich schöner anzusehen als kahle Zäune. Auch Mauern werden durch hohe Kräuter an der Mauerbasis und Bewuchs der Mauerritzen schöner, die meisten Wege werden durch hochgewachsene Wegrandpflanzen nicht unbrauchbar sondern geschmückt. Die Ränder von Bürgersteigen müssen nicht wöchentlich vom Krautbewuchs befreit werden, der Bewuchs von Pflasterritzen belohnt bei zeitweiliger Duldung durch schöne Blüten. Ein großes zum Teil auch schon genutztes Potenzial ist der Wildwuchs an Gewässerrändern und Waldrändern.

Gehsteigkante mit Acker-Winde, Oberteuringen, 27.7.2016 (Foto Probst)

Gehsteigkante mit Acker-Winde, Oberteuringen, 27.7.2016 (Foto Probst)

Zwischen Radweg und Straße, Waltenweiler, 27.6.2016 (Foto Probst)

Zwischen Radweg und Straße, Waltenweiler, 27.6.2016 (Foto Probst)

Vor allem in Siedlungen und Industriegebieten gibt es immer wieder Flächen, die vorübergehend nicht genutzt werden. Solche Brachen sollte man so lange wie möglich sich selbst überlassen – wachsen lassen.

Natur ausschalten – Natur einschalten

Der niederländische Archtekt und Städteplaner Louis Guillaume le Roy (1924 – 2012) plädierte in seinem 1973 erschienenen und damals viel diskutierten Buch „Natur ausschalten – Natur Einschalten“ für eine vehemente Umkehr unsere Einstellung zu Gärten und Grünanlagen. In seiner Heimatstadt Heerenveen konnte er seine Ideen verwirklichen. Statt aufwändiger Grünanlagen schuf er hier abwechslungsreiche Brachflächen mit unterschiedlichen Materialien, insbesondere Bauschutt, und ließ es wachsen. Es entstanden bemerkenswerte vielfältige Biotope mit einem ganz besonderen ästhetischen Reiz.

Die Grundidee le Roys: Natürliche Systeme sind,  wenn man sie sich selber überlässt, erstaunlich stabil, da sie über sehr komplexe Regulationssysteme verfügen. Erst wenn man „Natur ausschaltet“ werden immer aufwändigere Pflegemaßnahmen nötig. Für die Gestaltung von Gärten und Grünanlagen aber auch für alle anderen anthropogen überformten Landschaften sollte deshalb das Prinzip der Eingriffsminimierung gelten. Eingriffe und Pflegemaßnahmen sollten nur insoweit durchgeführt werden, als dafür eine funktionale Notwendigkeit besteht.

Für die Entfernung von Krautwuchs an Zäunen zum Beispiel gibt es eindeutig keine solche funktionelle Notwendigkeit. Aber auch bei der Gestaltung von Wegrändern, Straßenrändern, Grünstreifen zwischen Radweg und Straße, Mauerbewuchs, Bewuchs von Gehsteigskanten, Plattenfugen und Grabenrändern könnte man in vielen Fällen le Roy’s Prinzip des Wachsenlassens großen Raum geben.

In dem dieses Jahr auch in deutscher Sprache erschienenen Buch von Dave Goulson, dem britischen Hummelforscher und Naturschützer „Die seltensten Bienen der Welt.: Ein Reisebericht“ findet sich im Epilog – per internet zugänglich – ein sehr lesenswertes Plädoyer für das Wachsenlassen.

https://www.amazon.de/Die-seltensten-Bienen-Welt-Reisebericht/dp/3446255036#reader_3446255036

Ein fascinierendes Projekt ist das Knepp Castle Estate Rewilding, das in einem sehenswerten Video dokumentiert wird: https://www.youtube.com/watch?v=mP3-TsRRSys

Saumbiotope – Grenzen und Übergänge (zu UB 425)

Immer häufiger sieht man an Straßenrändern, auf Verkehrsinseln oder an Ackerrandstreifen bunte Blumen blühen. Das sind nicht nur Klatsch-Mohn und Kornblume, Schafgarbe, Wilde Möhre und Wegwarte sondern auch Sommermalve (Malope trifida), Großblütiger Lein (Linum grandiflorum), Büschelschön (Phacelia tanacetifolia), Vogelfuß-Mädchenauge (Coreopsis palmata), Doldige Schleifenblume (Iberis umbellata) und andere Exoten, vorwiegend aus etwas wärmeren Regionen Europas und Amerikas. Für „Blühstreifen“ an Äckern gibt es für Landwirte sogar Fördermittel. Mittlerweile bieten Saatgutfirmen bereits ein differenziertes Angebot an Samenmischungen an. Sind es nur ästhetische Gesichtspunkte, die zu diesen „Blumenstreifen“ Anlass geben? Stehen dahinter auch ökologische Überlegungen und Ziele? Diese blühenden Wegränder sehen zweifellos schön aus, sie werden auch von blütenbesuchenden Insekten gerne angenommen. Ist es sinnvoll, dafür vor allem nicht einheimische Arten zu nutzen?

Diese Fragen führen zu der übergeordneten Frage, welche besonderen Merkmale solche Übergänge und Grenzen zwischen verschiedenen Landschaftselementen kennzeichnen. Was zeichnet Saumbiotope aus?

Das Unterricht Biologie Heft 425 „Saumbiotope – Grenzen und Übergänge“ ist im Juli 2017 erschienen

Grenzen und Übergänge

Räumlich begrenzte Lebensgemeinschaften, deren Organismen untereinander besonders zahlreiche Wechselbeziehungen zeigen, bezeichnet man zusammen mit ihrer unbelebten Umwelt als Ökosystem. Ein solches System kann ein begrenzter Waldbestand, ein kleines Moor, ein Dorfteich oder eine Felskuppe sein. Aber auch viel größere Einheiten, etwa ein großer See oder Meeresteil oder ein riesiges Waldgebiet wie das Amazonasbecken kann man als Ökosystem auffassen.
Bei naturnahen Landschaften sind die Grenzen zwischen verschiedenen Ökosystemen oft keine scharf gezogenen Linien, vielmehr sind es allmähliche Übergänge. Dies gilt für großräumige Übergänge, etwa vom tropischen Regenwald zur Savanne oder von der Taiga in die Tundra. Diese Übergangsbereiche werden auch als Ökotone bezeichnet.

Vegetationszonierung im Vorderrheintal bei Sedrun

Vegetationszonierung im Vorderrheintal bei Sedrun (Foto Probst)

Es gilt aber auch für kleinere Gebiete, zum Beispiel für die Baumgrenze an einem Gebirgsmassiv.

Scharfe Grenzen hängen oft mit menschlichen Aktivitäten zusammen: Waldränder, Feldraine und Straßenränder sind dafür typische Beispiele. Aber auch katastrophenartige Naturereignisse wie Waldbrände, Sturmschäden, Lawinen, Vulkanausbrüche oder Überschwemmungen haben die Ausbildung scharfer Grenzen zur Folge, die allerdings meist im Laufe der Zeit wieder ausgeglichen werden.
Auch steile Umweltgradienten, zum Beispiel die Wassertiefe an einem Gewässerufer oder die Meereshöhe in einem Gebirge, können zu deutlich erkennbaren Zonierungen führen, bei denen die einzelnen Pflanzengemeinschaften scharf gegeneinander abgegrenzt sind.

Der besondere Reiz solcher Grenzen besteht darin, dass es hier zu einer Vermischung von zwei verschiedenen Lebensgemeinschaften kommt. Solche „Säume“ oder „Ökotone“ bieten besonders viele ökologische Nischen und sind deshalb oft besonders artenreich. Sie erfüllen wichtige ökologische Funktionen, zum Beispiel als Brutplatz für Vögel, Wanderwege für Reptilien und Amphibien, Überwinterungsquartiere für Wirbellose oder Nahrungsspender für Blüten besuchende Insekten.

Saumbiotope in der mitteleuropäischen Kulturlandschaft

Mitteleuropäische Kulturlandschaft (Baden-Württemberg)

Mitteleuropäische Kulturlandschaft (Baden-Württemberg; Foto Probst)

Saumbiotope sind wesentliche Elemente der traditionellen Kulturlandschaft. Sie sind mit der Entwicklung des Ackerbaus seit dem Neolithikum und der Bronzezeit unter dem Einfluss des Menschen entstanden. In Mitteleuropa haben sich diese kleinräumigen Strukturen mit der Auflockerung und Zurückdrängung der ursprünglichen Urwälder in den vergangenen 6000 Jahren allmählich entwickelt. Dadurch hat sich die Anzahl der Pflanzen- und Tierarten, die Biodiversität, stark erhöht. Schaut man sich die Verteilung der Tier- und Pflanzenarten in einer kleinräumig strukturierten, von Wallhecken, Wegrändern, kleinen Gehölzen und Wasserläufen geprägten Landschaft an, so sind die flächigen Landschafselemente relativ artenarm, die meisten Arten konzentrieren sich in den Saumbiotopen. Viele Arten aus den bewirtschafteten Arealen haben

Hochgewachsener Straßenrand mit Glatthafer und Margeriten

Hochgewachsener Straßenrandstreifen mit Glatthafer und Margeriten (Foto Probst)

in den Saumbiotopen eine Rückzugsmöglichkeit gefunden. Dabei kam es im Laufe der Jahrhundrte auch zu Einnischungsprozessen, die Arten haben sich in Anpassung an die besonderen Bedingungen der Saumbiotope  etwas verändert. Auch für eine Reihe neu eingewanderter Arten bieten Saumbiotope günstige Bedingungen.

Eine besondere Bedeutung kommt Saumbiotopen für die Vernetzung von Ökosystemen zu. In einer wenig strukturierten Agrarlandschaft kann die ökologische Qualität durch Ökotone wesentlich verbessert werden. Ein besonderes Problem riesiger Felder in einer ausgeräumten Landschaft ist die Bodenerosion. In Mecklenburg-Vorpommern, einen Bundesland mit besonders vielen großflächigen Äckern, gelten mehr als die Hälfte der Böden als erosionsgefährdet, in ganz Deutschland immerhin 14% (Umweltbundesamt). Das ist ein Grund dafür, dass der Naturschutz ein besonderes Augenmerk auf die Ökotondichte einer Landschaft legt.

Schutz und Pflege von Saumbiotopen

Durch Beweidung stark degradierter Knick, Ausacker b.Flensburg, 1984 (Foto Probst)

Durch Beweidung stark degradierter Knick, Ausacker bei Flensburg, 1984 (Foto Probst)

Allerdings sind Grenzen in einer Kulturlandschaft nicht immer ein wertvoller Saumbiotop. Wallhecken wachsen zu weniger nischenreichen Baumreihen aus, wenn sie nicht regelmäßig „auf den Stock gesetzt“ werden. Dabei sollte man allerdings darauf achten, dass die zurückgeschnittenen Strecken nicht zu lang sind, damit sich für die Arten Rückzugsmöglichkeiten eröffnen. Durch Beweidung können die Wälle erodieren und die Krautvegetation vernichtet werden, durch Pestizideinsatz auf dem angrenzenden Acker können Tiere und Pflanzen geschädigt werden.

Herbicideinsatz am Wegrand (Foto Probst)

Herbicideinsatz am Wegrand (Foto Probst)

Ähnliches gilt für Wegränder und Straßenränder. Frühzeitiges und häufiges Mähen mindert ihren Wert. Erst wenn die Pflanzen blühen, können sie Blütenbestäuber ernähren und erst wenn sie reife Früchte ausbilden können sie sich selbt vermehren und auch als Futterpflanzen für Vögel und andere Tiere zur Verfügung stehen. Auch noch im Winter bieten Fruchtstände („Wintersteher“) Futter und Unterschlupf- und Überwinterungsmöglichkeiten für Insekten.

Waldränder sind umso artenreicher, je dichter der Gebüschsaum und der Hochstaudenbestand ausgebildet sind.Allerdings wird sich von einem Waldrand ausgehend in einem Waldklima der Wald allmählich ausdehnen, wenn man der Natur ihren Lauf lässt. Durch Wurzelausläufer und Keimlinge vordringende Gehölzpflanzen wird der Landwirt deshalb abmähen  und umpflügen müssen. Mäht man allerdings mit dem Schlegelmäher hart an der Waldgrenze entlang, führt dies schnell zu einer Auflockerung des dichten Gebüschstreifens, der dadurch viele seiner ökologischen Funktionen verliert.

Gewässerränder können je nach Uferprofil und Gewässertyp sehr unterschiedlich aussehen.Besonders stark wurden die Fließgewässer in der mitteleuropäischen Landschaft im Laufe der Jahrhunderte verändert. Um die landwirtschaftlich nutzbaren Flächer zu vergrößern wurden nicht nur die Übergangszonen, verschmälert, die Bäche selbst wurden begradigt, tiefer gelegt, und regelmäßig ausgeräumt und ihre Ufervegetation abgemäht. Die Renaturierung von Bachläufen ist deshalb heute ein wichtiger Bereich des Natur- und Umweltschutzes.

Die charakteristischen Saumbiotope an großen Wasserläufen, die Auwälder, sind fast vollständig aus unserem Landschaftsbild verschwunden. Dabei handelt es sich um ursprünglich besonders artenreiche für den Naturhaushalt einer Landschaft wichtige Biotope: “ In den Auen der Schweiz wurden bisher gegen 1200 Pflanzenarten erfasst, wobei die tatsächliche Zahl wahrscheinlich 1500 Arten übersteigt. Dies entspräche der Hälfte der Schweizer Flora auf einem halben Prozent der Landesfläche. Wie die botanische ist auch die zoologische Vielfalt gross: Schmetterlinge, Libellen, Heuschrecken nutzen die verschiedenen Auenbiotope im Lauf ihres Lebenszyklus; Amphibien und Fische, zahlreiche Vogel- und Säugetierarten finden hier Nahrung und Unterschlupf.“ http://www.waldwissen.net/wald/naturschutz/gewaesser/wsl_auen_schweiz/index_DE?dossierurl=http://www.waldwissen.net/dossiers/wsl_dossier_auen/index_DE

Auch an stehenden Gewässern kommt dem Schutz der Gewässerrandstreifen eine besondere Bedeutung zu und auch hier sind natürliche Verhältnisse nur noch an sehr wenigen Stellen zu finden.

Gewässerränder sollten durch Schutzstreifen vor Einträgen aus der Landwirtschaft (Dünger, Pestizide) aber auch vor menschlichem Zutritt geschützt werden.

Auch Meeresküsten zeigen eine charakteristische Zonierung, die allerdings je nach Küstenform sehr unterschiedlich aussehen kann. Bei den an der deutschen Nordseeküste so charakteristischen Wattflächen handelt es sich um flächenhafte Ökosysteme, die nicht  als Saumbiotope im eigentlich Sinne bezeichnet werden können.

Halophytenflur auf Baltrum, 1982 (Foto Probst)

Halophytenflur auf Baltrum, 1982 (Foto Probst)

Dünen und Salzwiesen zeigen schon eher die Charaktristika von Saumbiotopen, in denen sich Elemente der angrenzenden Lebensräume mit den typischen Vertretern mischen. Sehr enge Säume bilden sich an Felsküsten, die  in Deutschland allerdings weitgehend auf die Insel Helgeland begrenzt sind. Sie sind aber charkteristisch für mediterrane Küsten.

Natüriche Küstensäume sind durch anthropogene Einflüsse vielfach verändert worden. Ein Rolle spielen künstliche Befestigungen und Schutzanlagen (Deiche, Grabensysteme und Befestigungen zur Landgewinnung), Verbauungen, Hafenanlgen usw. . Hinzu kommen Einleitungen von Abwässern sowie Düngemitteln und Pestiziden. Tropische Mangroveküsten sind insbesondere durch Aquakulturen, vor allem Garnelenfarmen, bedroht.

Fragmentierung

Oft sind Saumbiotope besonders artenreich, da in ihnen die Arten beider angrenzender Biotope zu finden sind. Es wäre allerdings die falsche Schlussfolgerung, wenn man daraus ableiten würde, dass eine Zerstückelung großer Lebensräume grundsätzlich die Biodiversität erhöhen würde. Im Gegenteil, die Habitatfragmentierung, also die Aufspaltung der Lebensräume von Tier- und Pflanzenarten, wird als eine wichtige Ursache für die Verminderung der Biodiversität angesehen. Lebensraumzerschneidungen, der Aufbau von Barrieren und Grenzen zwischen verschiedenen Teilen einer Population, schränkt den genetischen Austausch ein und kann letzlich zum Aussterben von Arten führen, wenn die Teilpopulationen eine bestimmte Größe unterschreiten.  Um diese nachteiligen Effekte zu vermeiden, ist es wichtig, dass Korridore erhalten bleiben, durch die eine Verbindung der Teillebensräume bestehen bleibt. Der Zerschneidungseffekt von Verkehrswegen kann zum Beispiel durch grüne Brücken über Autobahnen oder durch Krötentunnel unter Landstraßen ein bisschen gemindert werden.

Besonders gefährlich ist die Fragmentierung für artenreiche, großflächige Ökosysteme, die eine lange Evolution hinter sich haben, wie zum Beispiel das Amazonasbecken. Rodungen und der Bau von Verkehrswegen haben hier zu vielen neuen Waldgrenzen geführt. Die Veränderungen durch eine solche Grenze wirken sich oft 100m in das Innere des Ökosystems aus. Das veränderte Mikroklima begünstigt die Einwanderung von neuen, auch invasiven Arten, dichterer Unterwuchs kann das Übergreifen von Feuern von angrenzenden Wirtschaftsflächen fördern. Dadurch verändert sich das Artengefüge, je kleiner die neuen Teillebensräume, desto größer ist der Verlust an Biodiversität.

Saumbiotope im Biologieunterricht

Saumbiotope haben oft etwas mit menschlichen Aktivitäten zu tun. Damit können Menschen aber auch Einfluss nehmen auf die  Qualität solcher Übergänge. Dabei bietet es sich besonders an, Beispiele aus dem direkten Umfeld der SchülerInnen, aus der eigenen Gemeinde, in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen. In ländlichen Gemeinden können sich SchülerInnen  zum Beispiel über Aussehen und Pflege von Ackerrandstreifen informieren und eigene Vorstellungen mit betroffenen Landwirten diskutieren. In Städten können Parkpflegekonzepte und die Pflege von Weg- und Straßenrändern thematisiert und wenn möglich mit Anwohnern und Mitarbeitern des Umwelt- und Grünamtes besprochen werden. Dabei können  ökologische Grundkenntnisse über Artenschutz und Biodiversität, Verinselung und Vernetzung, Einnischung und Konkurrenz, Eutrophierung und Anreicherung von Schadstoffen in der Nahrungskette vermittelt werden. Es zeigt sich aber auch, dass wirtschaftliche Interessen, Fragen der Verkehrssicherheit und ästhetische Vorstellungen und Bdürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt werden müssen. Auf dieser Basis kann es gelingen,  die Folgen von Pflegemaßnahmen und Eingriffen zu verstehen und dieses Verständnis zu nutzen, um sich in der Gemeinde aktiv für sinnvolle Naturschutzmaßnahmen einzusetzen.

Mögliche Themen

Vielfalt an Straßenrändern
Anzahl blühender Pflanzen in verschiedenen Saumbiotopen
Lebensraum Wallhecke (Knick)
Ackerrandstreifen
Bachufer
Seeufer (z. B. Kartierung eines Gewässerufers)

Uferkartierung mit Klebepunkten (Foto: Probst)

Uferkartierung mit Klebepunkten (Foto: Probst)

Meeresküste, Spülsaum
Leben am Waldrand (z. B. Tierspurensuche am Waldrand, Vegetationstransekt vom Wald auf die Wiese)
Transektmethode zur Aufnahme von Übergängen
Waldgrenze im Gebirge
Höhenzonierung
Luftbildauswertung zu Saumbiotopen in unterschiedlichen Landschaften
Verbesserung der Ökotondichte (Ausarbeitung von Vorschlägen für die eigene Gemeinde)
Biotopverbund

Literaturauswahl und URLs

Beck, E. (2015): Biodiversitätsforschung – wohin geht die Reise? Biol.Unserer Zeit 45(2), S. 98-105

Ellenberg, H./Leuschner, L. (6. A., 2010): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen Stuttgart: Ulmer (UTB)

Frey, ./Lösch, R. (3.A., 2010): Geobotanik. Pflanze und Vegetation in Raum und Zeit. Heidelberg: Spektrum

Heydemann, B./Hofmann, W./Irmler, U. (Hrsg, 1990): Verbundfunktion von Straßenrandökosystemen. Faunistisch-Ökol. Mitt., Suppl.9, Neumünster: K. Wachtholtz

Hobohm, C. (2000): Biodiversität. UTB 2162, Wiebelsheim: Quelle und Meyer

Kronberg, I. (Hrsgin.,1999): Saumbiotope. UB 245 (23.Jg.)

Kühne, S./Freier, B. (2012): Saumbiotope und ihre Bedeutung für Artenvielfalt und biologischen Pflanzenschutz. Workshop „Biological Diversity in Agricultural
Landscapes“ – February 09-10, 2012, Berlin-Dahlem
http://pub.jki.bund.de/index.php/JKA/article/view/2201/2585

Plachter, H. (1991): Naturschutz. Stuttgart: G.Fischer

Poschold, P. (2015): Geschichte der Kulturlandschaft. Stuttgart:Ulmer

Riedel, W./Lange, H. (Hrsg., 2. A., 2002): Landschaftsplanung. Heidelberg,Berlin: Spektrum

Schwarz, L. (2016): Als der Boden wegflog. TAZ vom 8.4.2016

Starkmann, T. (2017): Blühende Vielfalt am Wegesrand. Praxis-Leitfaden für artenriche Weg- und Feldränder. LANUV-Info 39 https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/1_infoblaetter/info39_Broschuere_Wegrain.pdf

Tschumi, M. et al.(2015): Wildflower strips enhance biological pest control and yield. In: Gesellschaft für Ökologie e. V. (Hrsg.): Verhandlungen der Gesellschaft für Ökologie. Band 45. S. 163ff, Marburg: Görich & Weiershäuser.

Walter, H. (1976): Die ökologischen Systeme der Kontinente (Biogeosphäre). Stuttgart, New York: G. Fischer

http://www.brodowin.de/naturschutz/saumbiotope/

http://www.karch.ch/karch/page-34517_de.html

http://www.landwirtschaftsamt.tg.ch/documents/2015_LQ-Merkblatt__205_Blumenstreifen_am_Ackerrand_Wegleitung_Projekthomepage.pdf

http://www.nachhaltigleben.ch/1-blog/3398-schaedlinge-bekaempfen-blumenstreifen-koennten-pestizide-ersetzen

https://umweltministerium.hessen.de/sites/default/files/media/hmuelv/ackerrandstreifen.pdf

http://naturschutzbund.at/service/newsletter-leser/items/bedrohte-wunderwelt-am-wegesrand.html?file=tl_files/Inhaltsbilder/Service/newsletter/pdf/062_wegraender_anhang.pdf.

https://www.sielmann-stiftung.de/projekte/sielmanns-biotopverbunde/

http://www.naturschutzinformationen-nrw.de/vns/de/foerderkulissen/extens_ackernutzung/ackerrandstreifen

http://www.fva-bw.de/publikationen/merkblatt/mb_48.pdf

http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Nachrichten-Rendsburg/Nachrichten-aus-Rendsburg/Bluetenpracht-der-Saumbiotope-bietet-neuen-Lebensraum

http://www.waldwissen.net/wald/naturschutz/gewaesser/wsl_auen_schweiz/index_DE?dossier_rated=1#bew

http://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/start-des-modellprojekts-strassenbegleitgruen-1/

http://ifa.agroscience.de/index.php/de/news-projekte/beispielprojekte/eh-da-flaechen/

Wiesen und Weiden (ergänzende Materialien zu UB 375)

Ergänzende Materialien zum Unterricht-Biologie-Heft 375  „Wiese“

Bei den Recherchen und Arbeiten für das Unterricht-Biologie-Heft habe ich viele Materialien zusammengetragen, die nicht alle in dem Heft Platz finden konnten. Einige davon werden hier zusammengestellt.

Ergänzung 1: Ich ruhe still im hohen grünen Gras …

Der Wechsel von bewaldeten Kuppen und offenen, von  Wiesen und Weiden geprägten Landschaften, die einen weiten Ausblick ermöglichen, wird von vielen Menschen als ausgesprochen schön empfunden. Wer weiß, vielleicht ist diese Empfindung – vgl. Edward O. Wilson: Biophilia – sogar genetisch verankert, ein Erbe unserer Savannen bewohnenden Vorfahren. Ein solches Landschaftsbild ist charakteristich für die durch  bäuerliche Landwirtschaft geprägten Kulturlandschaft Mitteleuropas.

Besonders in der Romantik haben Wiesen in Lyrik und Malerei eine große Rolle gespielt:

Feldeinsamkeit

Ich ruhe still im hohen grünen Gras

Und sende lange meinen Blick nach oben,

Von Grillen rings umschwirrt ohn Unterlaß,

Von Himmelsbläue wundersam umwoben.

Und schöne weiße Wolken ziehn dahin

Durchs tiefe Blau wie schöne stille Träume; –

Mir ist, als ob ich längst gestorben bin

Und ziehe selig mit durch ewge Räume.

Hermann Allmers 1860, vertont von Johannes Brahms

Frühlingsruhe

O legt mich nicht ins dunkle Grab,

Nicht unter die grüne Erd hinab!

Soll ich begraben sein,

Lieg ich ins tiefe Gras hinein.

 

In Gras und Blumen lieg ich gern,

Wenn eine Flöte tönt von fern

Und wenn hoch obenhin

Die hellen Frühlingswolken ziehn.

Ludwig Uhland 1812

Im schönsten Wiesengrunde …

Wir liegen gerne mit Johannes Brahms (bzw.Hermann Allmers) im hohen grünen Gras, aber den Schwaben gefällt „a gmähds Wiesle“ besonders gut. Die Romantik des Cowboys in der unendlichen Prärie oder der Steppenreiter , Tartaren und Kosaken, liegt in der Weite der unendlichen Graslandschaften begründet, die bösen Geister verstecken sich im dunklen Wald. Die Hauswiese am elterlichen Hof hatte nicht nur für Isländer (Halldor Laxness: Auf der Hauswiese) eine besondere Bedeutung, sondern auch für Mitteleuropäer:

Im schönsten Wiesengrunde

Ist meiner Heimat Haus,

Da zog ich manche Stunde

Ins Tal hinaus.

Dich mein stilles Tal

Grüß ich tausendmal!

Da zog ich manche Stunde

Ins Tal hinaus. … (es folgen 12 weitere Strophen)

Wilhelm Ganzhorn 1851

 Auf der Blumenwiese (Monet, Renoir)

 

Auf der Wiese - Claude Monet, 1876

Auf der Wiese – Claude Monet, 1876

 

Junge Mädchen auf der Wiese - Renoir, 1890-94

Junge Mädchen auf der Wiese – Renoir, 1890-94

Auf der grünen Wiese / hab ich sie gefragt, / ob sie mich wohl liebe. / ‚Ja’ hat sie gesagt! / Wie im Paradiese / fühlte ich mich gleich, / und die grüne Wiese / war das Himmelreich

Diese mittlerweile geflügelten Worte stammen aus der 1936 uraufgeführten tschechischen Operette Auf der grünen Wiese (Na tý louce zelený) von Jara Beneš nach einem Libretto von V. Tolarski.

 

 Wiesenfeste

Auf Wiesen kann man spielen und tanzen, sie sind seit alters her Orte bodenständiger Lustbarkeiten (berühmte Beispiele sind der Wiener „Prater“(lat. pratum = Wiese), die Münchner „Wiesen“ oder der Cannstatter „Wasen“).

Das Oktoberfest von 1823. Ein Gemälde von Heinrich Adam

Das Oktoberfest von 1823. Ein Gemälde von Heinrich Adam

Das Oktoberfest von 1823. Ein Gemälde von Heinrich Adam:

http://www.oktoberfest-live.de/jubilaeumswiesn/allgemein/jubilaeumswiesn-oktoberfest-bilder-aufmacher-873432.html

Eine jüngere Variante der großen Wiesenfeste sind die Open Air Rockkonzerte.

„Wiesenhof“

Der größte Geflügelfabrikant Deutschlands firmiert bezeichnenderweise unter dem Namen „Wiesenhof“, obwohl seine Hähnchen nie eine Wiese zu sehen bekommen – außer in gebratenem Zustand (http://www.wiesenhof-online.de/).

 

Hähnchen vom Wiesenhof

Hähnchen vom Wiesenhof

 

 

 

 

 

 

Ergänzung 2: Verletzung und Endopolyploidie

Abgefressenwerden und abmähen kann das Wachstum von Pflanzen stimulieren. Zumindest für eine ganze Reihe von Gräsern trifft dies zu. Für eine bestimmte Sorte der pflanzenphysiologischen Standardversuchspflanze Arabidopsis thaliana konnten Pflanzenphysiologen der Universität Illinois die Ursache für diese Wachstumssteigerung nachweisen: Verletzung bzw. Abfressen führt bei diesen Pflanzen zur Endopolyploidie, d. h. eine Vermehrung des Chromosomensatzes ohne Kernteilung. Dabei konnten die Wissenschaftler feststellen, dass sich die Chromosomenzahl von ursprünglich 10 auf bis zu 320 vervielfacht hatte. Ob dieser Mechanismus auch bei frassresistenten Gräsern vorkommt, ist bisher nicht bekannt.

Quelle:

Scholes, Daniel R., and Ken N. Paige. 2011. Chromosomal plasticity: mitigating the impacts of herbivory. Ecology 92:1691–1698., doi:10.1890/10-2269.1 (Abstract).

 

Ergänzung 3 : Mehrjährige Getreidearten?

Typisch für fast alle natürlichen Ökosysteme sind überwiegend mehrjährige Pflanzenarten mit einem ausgedehnten Wurzelsystem. Demgegenüber sind die wichtigsten Kulturpflanzen, die Getreidegräser, einjährig. Dies hat verschiedene nachteilige Folgen:

  • hohe Kosten für Landbewirtschaftung
  • Bodenerosion
  • geringe Kohlenstoffspeicherung im Boden

Das ist der Grund, warum das nordamerikanische Land Institute beabsichtigt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass  die Getreideproduktion allmählich auf mehrjährige Sorten umgestellt werden kann. Damit würden Getreideäcker Wiesen ähnlicher als den heutigen Ackerflächen.

The Land Institute

Summary of the possible. Protecting our soils with perennials.

A. 2010: Hay or grazing operations will continue as they exist. Preparations for subsidy changes begin.

B. 2015: Subsidies become incentive to substitute perennial grass in rotations for feed grain in meat, egg, and milk production.

C. 2020: The first perennial wheat, Kernza™, will be farmer-ready for limited acreage.

D. 2030: Educate farmers and consumers about new perennial grain crops.

E. 2045: New perennial grain varieties will be ready for expanded geographical range. Also potential for grazing and hay.

F. 2055: High-value annual crops are mainly grown on the least erodible fields as short rotations between perennial crops.

http://www.postcarbon.org/article/119799-the-50-year-farm-billwww.%20landinstitute.org:

Ergänzung 4 : Bläulinge, Ameisen und Wiesenpflanzen

Fast alle der 6000 bekannten Arten der Schmetterlingsfamilie der Bläulinge (Fam. Lycaenidae) leben in Grasländern. Außerdem sind die meisten Bläulinge irgendwie mit Ameisen verbunden. Der Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Phengaris teleius) legt im Juni oder Juli je ein Ei an einzelne Blüten in Blütenköpfchen des Großen Wiesenknopfes. Die frisch geschlüpften Raupen bohren sich in die Blüte und fressen sie aus. Von einem Blütenköpfchen können sich mehrere Raupen ernähren. Dabei dienen die aufgeblühten Wiesenknopfblüten den Faltern – neben anderen Blüten – auch als Nektarlieferanten, die Eier werden auf noch geschlossene Blüten abgelegt. Nach der dritten Häutung krabbeln die Räupchen auf den Boden. Dort suchen sie aktiv nach Straßen der geeigneten Ameisenarten der Gattung Myrmica und vermutlich gelangen sie so in ein Ameisennest. Möglicherweise werden sie auch von Ameisen dorthin geschafft. Durch geeignete morphologische und chemische Signale werden sie von den Ameisen – obwohl deutlich größer – für eigene Brut gehalten und so behandelt. So können sich bis zur Verpuppung ungestört von Ameisenbrut ernähren. Nach Schätzungen sind etwa 350 Ameisen-Arbeiterinnen nötig, um über die von der Raupe gefressene Ameisenbrut eine Larve des Wiesenknopf-Ameisen-Bläulings durchzufüttern. Normalerweise verpuppen sich die Raupen nach Überwintern im Ameisennest  im späten Frühjahr des folgenden Jahres, seltener bleiben sie auch noch einen Winter länger Ameisengäste.

In diesem Falle handelt es sich eindeutig um eine parasitische Beziehung zu Gunsten des Falters, es gibt jedoch andere Beispiele, bei denen die Bläulingsarten durch Zuckerabscheidung auch zur Ernährung der Ameisen beitragen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Heller_Wiesenknopf-Ameisenbl%C3%A4uling)

Ergänzung 5: Umwandlung natürlicher Wälder

Die Waldfläche Mitteleuropas wurde durch Rodungen – zunächst vor allem für die ackerbauliche Nutzung und die Wiesen und Weidewirtschaft – auf etwa ein Drittel der ehemaligen Fläche reduziert (Frey/Lösch 2010). Dabei wurden die Waldflächen vorwiegend auf ärmere Standorte und Hanglagen zurückgedrängt. In der Folge wurden die Wälder durch Holzanschlag für Heizenergie, Glashütten, n, Ziegelbrennereien, Bergbau und Eisenhämmer weiter reduziert. Die wachsenden Städte benötigten immer mehr Bauholz und die Waldweidewirtschaft führte zu einer weiteren Walddegradation zu Gunsten offener, gräserreicher Habitate.

Wie in den unten stehenden Schemata dargestellt, sind diese Entwicklungen teilweise reversibel. Dies hängt allerdings davon ab, wie weit die Degradation der ursprünglichen Vegetation fortschreitet. Offene Habitate sind stärker erosionsgefährdet und bei anhaltend starker Beweidung kann dies zu einer wüstenhaften Vegetation auf weitgehend degradierten Böden führen, wie dies zum Beispiel für Teile des Mittelmeergebiet charakteristisch ist.

WaldwandelNach Ellenberg, H. (1996): Vegetation Mitteleuropas und der Alpen aus Frey, W./Lösch, R.: Lehrbuch der Geobotanik. Pflanze und Vegetation in Raum und Zeit. Elsevier, /Spektrum, München 20103, Abb.9-34  Umwandlung natürlicher Kalkbuchenwälder (Urwald) durch Weide-, Acker- und Waldwirtschaft auf lehmüberdecktem Kalkboden (Braune Rendzina) in der submontanen Stufe Mitteleuropas

Ergänzung 6: Ethymologische Notiz zum Thema WieseEthym.wiese

Aus Braun, W. et. al.: Ethymologisches Wörterbuch des Deutschen. Akademie Verlag, Berlin 19932

Ergänzung 7: Gräser

Gräser sind die wichtigsten Pflanzen der Wiesen und Weiden, eben der Grasländer. Sie sind aber auch seit Beginn menschlicher Kultur stete die Begleiter des Menschen gewesen: Die ersten Kulturen des Ackerbaus und der Viehzucht entstanden vermutlich in den Grasfluren des „Fruchtbaren Halbmondes“. Bis heute stellen die Gräser mit den Getreidearten Weizen, Reis und Mais, Hirsearten, Roggen, Gerste und Hafer sowie dem Zuckerrohr die wichtigsten Nährstofflieferanten. Als Futtergräser sind sie außerdem Grundlage für die Fleisch – und Milchproduktion. Umgekehrt spielen sie auch als „Unkräuter „eine Rolle, insbesondere Acker-Fuchsschwanz, Quecke, Flughafer und Windhalm. Schließlich nutzen wir Gräser in Rasen von Parks, Gärten und Sportanlagen.

Doch trotz dieser engen Beziehung ist es auch für Pflanzenkundige oft nicht einfach, die verschiedenen Arten der Gräser und Grasverwandten zu unterscheiden. Grund ist zum Beispiel, dass ihnen infolge der die Gültigkeit auffällige Blüten fehlen und dass sie sich aktuell sehr ähnlich sehen und die entscheidenden Unterscheidungsmerkmale nur bei genauer Betrachtung auffallen. Ein weiterer Grund ist die große Artenfülle: zu etwa 11.000 Süßgräsern (Fam. Poaceae) kommen 5500 Sauergräser (Fam. Cyperaceae) und 400 Binsengewächse (Fam. Juncaceae). Alle werden heute zur Ordnung Poales (Süßgräserartige) gerechnet. Auch in Deutschland kommen immerhin über 400 verschiedene grasartige Pflanzenarten vor!

Es gibt eine ganze Reihe spezieller Bestimmungsbücher für Gräser. Ich selbst habe mich auch in Bestimmungshilfen versucht, zum Beispiel in dem UB-Heft 175  „Gräser und Getreide“ (1992) und in den „Botanischen Exkursionen II“. Aus diesem Buch stammen die folgenden schematischen Darstellungen zu den typischen Familienmerkmalen von Süßgräsern, Sauergräsern und Binsengewächsen.

Bauplan der Süßgräse

Bauplan der Sauergräser

 

 

 

 

 

 

 

Bauplan der Binsengewächse

Das Taschenbuch der Gräser von Ernst Klapp hat mich schon während meines Studiums begleitet (damals schon die achte Auflage, 1957), mittlerweile gibt es die 2006 erschienene 13. Auflage in der Bearbeitung von Opitz von Boberfeld. Recht originell ist die „Kleine Gräserfibel“ von C. H. Schade, in der die Gläser nach bestimmten, leicht kenntlichen Merkmalen in Gruppen unterteilt werden. Dem Büchlein ist eine einseitige Übersichtstabelle beigegeben, die noch nicht einmal DIN A4 Format hat und auf der 34 Süßgräser mit ihren wichtigen Merkmalen und Standortansprüchen dargestellt sind. Dieses Heft ist ebenso wie die originellen Bestimmung Tabellen von Rudolf Kiffmann (Weihenstephan) vor allem für angehende Landwirte gedacht.

Haller, B./Probst, W.: Botanische Exkursionen Bd. II: Exkursionen im Sommerhalbjahr. G. Fischer, Stuttgart/New York 19892 (Nachdruck 2016 bei Springer)

Klapp, Ernst/ Opitz von Boberfeld, Wilhelm: Taschenbuch der Gräser. Ulmer, Stuttgart 200613  (im Buchhandel)

Schade, C.H.: Kleine Gräsefibel. Neumann-Neudamm, Melsungen 19572 (nur antiquarisch)

Kiffmann, Rudolf: Illustriertes Bestimmungsbuch für Wiesen-und Weidepflanzen des Mitteleuropäischen Flachlandes. Teil A :Echte Gräser(Gramineae) – Teil B.Sauergräser(Cyperaceae),Binsengewächse (Juncaceae) – Teil C.Schmetterlingsblütler (Papillionariae)(einschl.kleeartige Ackerfutterpflanzen). Freising ,Weihenstephan, A: 19623,- B:1959, C:19662 (nur antiquarisch)

Ergänzung 8: Korrekturen

Basisartikel

S. 8., auf Abb.8, ganz oben, muss der wissenschaftliche Name des Baumweißlings heißen: Aporia crataegi (von Crataegus = Weißdorn)

S. 9 letzter Absatz gehört zur Aufzählung, letztes Wort „Wiesen-“ muss gestrichen werden

Durch die Blume – Blüten und ihre Bestäuber

S. 14, Kasten

Der wissenschaftliche Name des Wiesen-Bärenklaus ist Heracleum sphondylium

Wilde Weiden für die Biodiversität

Das Foto auf S. 41 unten links zeigt einen Raubwürger und keinen Neuntöter

Aufgabe pur: Wiesenklee – „Schlüsselart“ mit Blutfarbstoff

Die Infos zur 4. Teilaufgabe sind nicht korrekt. In dem Versuch der Bayreuther Forscher wird der Einfluss des Wiesenklees auf die Biomasseproduktion bei unterschiedlicher Anzahl von Begleitarten  untersucht. Hier die entsprechende Korrektur:

AufgabeS.53